Frankfurt, den 18. März 2005
Flughafenausbau wird an
Planungsfehlern scheitern
Landebahn würde "prioritären Lebensraumtyp"
zerstören
Fraport ignoriert neue Sachverhalte - Landesregierung schweigt
Der Ausbau des Frankfurter Flughafens wird
nach Meinung des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
(BUND) an Plan-ungsfehlern scheitern. Am Standort "Kelsterbacher
Wald" würde ein "prioritärer Lebensraumtyp"
der europäischen Naturschutz-richtlinie zerstört. "In
dem gesetzlich vorgeschriebenen Alterna-tivenvergleich ist der
Kelsterbacher Wald tabu, weil die theoretisch mögliche Variante
im Schwanheimer Wald ohne die Zerstörung eines prioritären
Schutzgutes möglich wäre", erläutert BUND
Rechtsanwältin Ursula Philipp-Gerlach. Der Fraport AG und
der
Landesregierung ist die Existenz des "prioritärenLebensraumtyps"
seit Monaten bekannt. Er fand jedoch keinen Eingang in die Plan-feststellungsunterlagen.
Brigitte Martin vom BUNDLandesvorstand
fordert deshalb "eine vollständige Überarbeitung
der Planungs-unterlagen und die erneute Offenlage".
Basis der BUND-Kritik ist die so genannte
"Grunddatenerhebung" im Auftrag des Regierungspräsidiums
Darmstadt, mit der in 2004 die Schutzgüter des FFH-Gebietes
"Kelsterbacher Wald" erstmals exakt bestimmt wurden.
Die Diskrepanzen zwischen der Grunddatenerhebung
und den
Fraport-Unterlagen sind gravierend und betreffen nicht nur das
FFH-Gebiet Kelsterbacher Wald, sondern alle FFH-Gebiete rund um
den Flughafen. Damit ist auch der von der EU-Richtlinie vorge-schriebene
Standortvergleich in den Planfeststellungsunterlagen unbrauchbar.
Trotz der durchschlagenden Mängel waren aber offenbar weder
die Fraport AG noch die Landesregierung bereit, den im Frühjahr
2004 politisch festgelegten Zeitplan des Genehm-igungsverfahrens
zu ändern.
Die Planungsfehler der Fraport AG ergeben
sich aus den falschen
Kartiervorgaben des Flughafens an das Forschungsinstitut Senckenberg.
Statt einer exakten Bestandsaufnahme der schutzwürdigen Lebensraumtypen
und Arten der FFH-Richtlinie arbeitete Senckenberg nach der Kartiervorgabe
der "Stadtbiotop-kartierung Frankfurt". Die Kartiervorgaben
weichen stark von ein-ander ab. Die hieraus resultierenden Fehler
können entgegen der Hoffnung der Fraport am Schreibtisch
nicht mehr ausgefiltert und bereinigt werden.
Auf die Problematik der unzureichenden und
letztlich fehlerhaften
Datengrundlagen der Fraport AG hatte der BUND bereits im Raumordnungsverfahren
2001/2002 und dann erneut im September 2003 in der Stellungnahme
zur A380-Werft hinge-wiesen. Als sich die BUND-Kritik bestätigte,
half die Landesre-gierung der Fraport AG aus, indem sie für
das betroffene FFH-Gebiet Mark- und Gundwald südlich des
Frankfurter Flughafens Zwischenberichte der laufenden Grunddatenerhebungen
anfert-igen ließ, diese dann der Fraport in Rechnung stellte
und die
Entscheidung auf diese Zwischenberichte stützte.
Der BUND führt die Verzögerungen
bei der Änderung des Landes-entwicklungsplanes (LEP) ebenfalls
auf die Existenz des "prioritären Lebensraumtyps"
zurück. Da es sich um Gutachten des Landes handelt, müssen
die Grunddatenerhebungen dort be-rücksichtigt werden und
schaffen so ein für die Landesregierung unlösbares Problem
für den Alternativenvergleich. Die Änderung des LEP
wurde von der EU-Kommission erzwungen, weil die Fraport AG das
Chemiewerk-Ticona nicht beachtet und die Landesregierung das Raumordnungsverfahren
trotz dieses
offensichtlichen Rechtsverstoßes mit einer Empfehlung für
die
Nordwestvariante beendet hatte.
Die Stellungnahme des BUND umfasst 458 Seiten
plus Anlagen. In ihr werden zahlreiche weitere gravierende Planungsdefizite
und
Umweltkonflikte angeführt. Die Stellungnahme wurde am 14.03.05
beim Regierungspräsidium abgegeben und soll in den nächsten
Tagen ins Internet gestellt werden (http://www.bund-hessen.de).
Der BUND hätte als anerkannter Naturschutzverband eine klage-fähige
Frist bis zum 04.04.05 ausnutzen können.
Rückfragen
beantworten Ihnen
Thomas Norgall, Naturschutzreferent
BUND Hessen
Telefon 069 – 67 73 76 14, Telefax: 069 - 67 73 76 20
Triftstr. 47, 60528 Frankfurt/M. - Niederrad
eMail: thomas.norgall@bund.net
www.bund-hessen.de
ab 14.30 Uhr mobil 0162 7940726
Hintergrundinformation
Die Bundesländer müssen die jeweiligen Schutzgüter,
Lebens-raumtypen und Arten, der FFH-Gebiete exakt erfassen, damit
Verschlechterungen erkennbar werden und verhindert werden können.
Diese Ersterfassung heißt "Grunddatenerhebung".
Da sich Hessen, trotz der Tatsache das im Kelsterbacher Wald das
größte Hirschkäfer-Vorkommen des Landes existiert,
erst in 2003 und auf Druck der EU zur Meldung des FFH-Gebietes
"Kelsterbacher Wald" durchringen konnte, erfolgt die
Grunddaten-erhebung auch erst in 2004.
Als Gutachter wurde der Vegetationskundler Dr. Goebel ge-wonnen,
der über die Grünlandgesellschaften im Regierungsbe-zirk
Darmstadt promoviert hat und fachlich anerkannt ist. Die Sensation
war perfekt, als Dr. Goebel im FFH-Gebiet Kelsterbacher Wald einen
"artenreichen Borstgrasrasen" von
über 3,6 Hektar fand, der nach den eindeutigen Bestimmungen
der
Fauna-Flora-Habitat Richtlinie der EU (FFH-Richtlinie) als so
genannter "prioritärer Lebensraumtyp" eingestuft
werden muss.
Das Regierungspräsidium Darmstadt stellte das Ergebnis der
Stadt Kelsterbach, der Fraport AG, dem Forstamt Mörfelden
und den Naturschutzverbänden am 01.12.04 vor.
Die Identifikation des prioritären Lebensraumtyps wird nach
den
EU-Vorgaben auch nicht dadurch relativiert, dass sich der seltene
Lebensraumtyp innerhalb des Umspannwerkes der RWE befindet. "Vor
dem Gesetz sind alle Nutzungen gleich. Ob sich wertvolle Bestände
auf der Fläche eines Bauern, auf einem Truppen- übungsplatz
oder, wie hier, in einem Umspannwerk der RWE befinden. Die Natur
ist überall schützenswert", erläutert BUND
Naturschutzreferent Thomas Norgall.
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