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DGB-Ortskartell Rüsselsheim
Antrag für die zentrale Arbeitstagung der DGB-Ortskartelle
des DGB-Kreises Starkenburg am 04.11.2000 in Darmstadt
Antrag zum geplanten
Flughafenausbau
Die DGB Ortskartelle lehnen den geplanten,
zusätzlichen Ausbau des Frankfurter Flughafens aus folgenden
Erwägungen ab:
Gewerkschafter der Region ausgesperrt!
An dem unter großem politischem Zeitdruck durchgeführten
Mediationsverfahren wurden weder die in der Flughafenregion lebenden
und arbeitenden GewerkschafterInnen noch die Beschäftigten
und ihre betrieblichen Interessenvertretungen am Flughafen selbst
beteiligt. Gleiches gilt für das von den Ausbau-befürwortern
eingerichtete Dialogforum. Grundlegende Fragen und Interessen
von direkt betroffenen ArbeitnehmerInnen blieben deshalb bis heute
ausgeblendet oder unbeantwortet. Ein gewerk-schaftseigenes Gutachten
zur Entwicklung der (Flughafen)Region Rhein-Main existiert (noch)
nicht, ebensowenig ein regionaler gewerkschaftsinterner Diskussionskreis
unter Beteiligung der DGB-Ortskartelle.
Unsere Region wird unbewohnbar -
arbeitende Familien zahlen die Zeche!
Die Ausbaubefürworter halten die Steigerung der Flugbewegungen
von 426.248 im Jahre 1999 auf zunächst 660.000, die Steigerung
der Fluggäste von jetzt 45 Millionen auf 72 oder sogar 80
Millionen für erforderlich. Auch die Bundesregierung will
die Verdoppelung des Flugverkehrs bis 2010 und die Schaffung der
notwendigen Kapazitäten. Der aktuell von der Politik favorisierte
Bau einer 4. Bahn im Kelsterbacher Bannwald würde weitere
142.000 Menschen unserer Region zusätzlich zu den heutigen
220.000 mit einem Dauerschallpegel von über 60 dB(A) tagsüber
belasten - bei der "Atlanta-Variante" wären es
zusätzlich 328.000. Ein ge-fordertes Nachtflugverbot von
22 -6 Uhr wird von Airlines und der Arbeitsgemeinschaft deutscher
Flughäfen heftigst bekämpft, bereits vor 20 Jahren hätte
es von der Flughafen AG in die Tat umgesetzt werden können.
Schon diese Dimensionen rufen nach der Schutzfunktion
der Gewerkschaft für Hunderttausende von Arbeitnehmern und
ihren Familien, bevor unsere Region unbewohnbar wird. Unsere Grund-rechte
auf körperliche Unversehrtheit und freie Entfaltung der Persönlichkeit
sind in Gefahr. ArbeitnehmerInnen in der Region droht die "Enteignung"
durch Entwertung ihres mühevoll er-arbeitetem Eigentums zur
Sicherung des Lebensabends. Antworten fehlen auf Fragen nach den
vielfältigen Auswirkungen von (Flug)Lärm und damit verbundener
Abgase auf Gesundheit und Entwicklung unserer Kinder und Jugendlicher,
unserer Alten und Kranken, unserer -gerade auch im Schichtdienst
be-schäftigten - ArbeitnehmerInnen. Während Freizeit-,
Wohn- und (Nah)Erholungswert unserer Heimatregion sinkt, steigt
das Gefahrenpotenzial durch Flugzeugunglücke in unserer dicht-besiedelten
Region. Tendenziell drohen Abwanderungsbe-wegungen von Arbeitsplätzen
und (hoch)qualifizierten Arbeit-nehmern. Städte und Gemeinden
mit jahrhundertealten Traditionen werden unbewohnbar; die Zukunft
unserer Kommunen gerät in Gefahr. Verlierer dieser milliardenschweren,
gigantischen Umverteilung ist die Region, die Gewinner sitzen
im fernen, hochverschuldeten Frankfurt, Wiesbaden und Berlin.
Natürliche Belastungsgrenzen
längst erreicht!
Neben den Menschen hat auch die Natur die Belastungsgrenze längst
erreicht: Der zusätzliche Ausbau - über dessen Dimensionen
die Öffentlichkeit immer wieder getäuscht wird - bringt
weitere Einschnitte in unseren seit der Römerzeit erhaltenen
Wald mit sich, ein gesetzlich geschützter Bannwald soll fallen.
Die Folgen einer weiteren Verschmutzung von Luft, Wald, Boden
und Wasser für das Klein- und Gesamtklima unserer Region,
für den empfindlichen Wasserkreislauf, die Land-wirtschaft,
die Regelkreise von Natur, Tier- und Pflanzenwelt, kurz für
das gesamte Öko - System unserer Region sind in keiner Gesamtstudie
erfaßt, desgleichen die globalen Folgen der zunehmenden
Verletzung unserer Erdatmosphäre durch zusätzliche Flüge.
Kein integriertes europäisches
Verkehrssystem: Drohender Verkehrsinfarkt für die Region
Nicht annähernd aufgegriffen und beantwortet sind Fragen
nach dem künftige Fracht - und Personenverkehr unter Einschluß
aller Verkehrsträger auf regionaler, nationaler und (Über)
europäischer Ebene. Dabei müssen aktuelle Veränderungen
durch Internet-gestützte Kommunikations- und Logistiksysteme
ebenso Be-achtung finden wie die Chancen eines Flughafen-Verbund-konzeptes.
Dazu tritt der globale Bewußtseinswandels zum Schutz der
Erdatmosphäre. Zunehmend kommt auch der Abbau von Subventionen
und Wettbewerbsverzerrungen im Flugverkehr auf die europäische
Tagesordnung. Zusätzlich fehlt auch eine Gesamtstudie über
das Aufkommen, die Folgen und die Bewältigung des anschwellenden
Gesamtverkehrs in unserer Region im Falle eines ungebremsten Ausbaus.
Der Reichtum entsteht vor allem in
der Region, nicht aus-schließlich am Flughafen!
Von den Ausbaubefürwortern wird die nachhaltige Entwicklung
der Rhein-Main-Region und ihres Arbeitsmarktes auf die Frage nach
der Kapazität des Frankfurter Flughafens reduziert. Dabei
wird ausgeblendet, daß der Reichtum und die Wertschöpfung
unserer Kulturregion zunächst in der Gesundheit und den vielfältigen
Qualifikationen, Kenntnissen und Fertigkeiten der Menschen besteht,
die hier leben und arbeiten und die ihr Können erfolgreich
in einer Vielzahl von Unternehmungen und Sparten einsetzen . Auch
und gerade in unserer Region muß es eine Balance zwischen
wirtschaftlichem Wachstum, Innovationen und Lebens-qualität
geben. Deshalb ist eine Gesamtstudie zur nachhaltigen Entwicklung
unserer Region längst überfällig - und sollte gemeinsam
mit den Gewerkschaften erarbeitet werden.
Prognose zu Arbeitsplätzen durch
Ausbau auf tönernen Füssen - keine Garantien!
Die in der Mediation kurzfristig erstellten Prognosen über
Arbeitsplatzwirkungen des Ausbaus sind methodisch umstritten (nur
12% Rücklauf einer Befragung; Fragen, die sehr weit in die
Zukunft reichen; befragt wurden vom Ausbau begünstigte Unternehmen
usw.). Diese Gutachten haben die "Negativseite" des
Ausbaus ( Entwicklungsbeschränkungen für Umland-gemeinden,
Eigentumsentwertung, Wegzug von Unternehmungen und Arbeitskräften,
Verfall städtischer Steuerquellen, Wegfall weicher Standortfaktoren
wie Naherholung, Sportangebote usw., Lärm-und Abgasprobleme
Tag und Nacht) nicht einbezogen, es fehlt also eine regionale
Gesamtbilanz der Arbeitskräfteent-wicklung. Die Notwendigkeit
des Ausbaus mit der Schaffung von Arbeitsplätzen zu begründen
hält der Arbeitsamtdirektor Frankfurts für "verlogen".
Am Flughafen selbst wird die Prognose eines riesigen Beschäftigungsaufbaus
konterkariert durch zweistellige Produktivitätssprünge,
ständige Rationalisierung, Deregulierung, Fremdvergabe bestehender
Arbeitsplätze und einer Vielzahl von Versprechungen der Vergangenheit,
die nicht eingehalten wurden. Auch für die heutigen vollmundigen
Aussagen gibt es keinerlei schriftliche Garantien.
Beschäftigte am Flughafen benötigen
Schutzfunktion der Gewerkschaften mehr denn je!
In der jüngsten Vergangenheit gab es bei der Flughafen AG
trotz Rekordzahlen an Passagier- und Frachtaufkommen, Flugbe-wegungen,
Investitionen und Gewinnen keinen parallelen Beschäftigungsaufbau
mehr, im Gegenteil. Durch den geplanten Börsengang der Flughafen
AG und ihre vorgesehene Auf-gliederung in verschiedene Teile entsteht
zusätzlich eine druck-volle Situation für die Beschäftigten
und ihre Interessenvertreter. Hier ist die Solidarität aller
Gewerkschafter gefragt, ihre Erfahrungen und Kenntnisse gemeinsam
auszutauschen, um der Tendenz zur Zerschlagung von Traditionsunternehmen,
dem Unterlaufen von Mitbestimmungsrechten, einer Aushöhlung
von Betriebsvereinbarungen und tariflichen Standards entgegen-zuwirken.
Hier sind gewerkschaftliche Tagungen zum Themen-kreis Standort-
und Beschäftigungssicherung ebenso von Nutzen wie ein gemeinsames
Eintreten für ein besseres Betriebsver-fassungsgesetz.
Die DGB-Ortskartelle fordern vom DGB-Kreisvorstand
und dem DGB-Landesbezirk Hessen, sich für eine starke, lebenswerte
Region Rhein-Main und den Schutz von Arbeitnehmerrechten einzusetzen
und dafür einen gewerkschaftliche Dialog in und mit der Region
in Gang zu setzen unter Beteiligung aller Betroffenen!
Ja zu einer starken Region! - Nein zum Ausbau des Frankfurter
Flughafens! Für ein generelles Nachtflugverbot von 22 - 6
Uhr!
Ergebnis: Einstimmige Annahme
bernhard.grunewald@gmx.de
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