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03. Juni 2019, Flughafen, Terminal 1

Hans Schinke

Zweihundertsechsundachtzigste Montagsdemo

Guten Abend,
auch in diesem Jahr hatten Vertreter des Bündnisses der Bürgerinitiativen (BBI) eine Mahnwache organisiert. Dank an dieser Stelle an Brigitte Ikhmayes und den kurzfristig eingesprungenen Versammlungsleiter Knut Dörfel vom Verein "Gemeinsam gegen Fluglärm und Schadstoffe e.V." Unser Protest richtete sich wie jedes Jahr gegen den raumunverträglichen und gesundheitsschädlichen weiteren Ausbau des Flughafens. Mit dem neuen Terminal 3 werden ja nicht nur Kapazitäten geschaffen für weitere 14 Millionen Passagiere. Es werden zugleich auch noch mehr Lärm und Schadstoffe in die ohnehin bereits hoch belastete Region geschaufelt. Um die Pariser Umweltziele einhalten zu können, muss deshalb der Klimakiller Luftverkehr gestoppt werden!!! Unsere Argumente haben wir anschließend auch in der Aussprache zum Bericht des Vorstandsvorsitzenden vorgetragen und damit einen deutlichen Kontrapunkt gesetzt zu den rein dividenden-, rendite- und wachstumsorientierten Ausführungen der Aktionärsvertreter. Auf direkte Fragen an den Vorstand habe ich dieses Mal verzichtet, nachdem in den vergangenen Jahren meine Fragen entweder gar nicht, nur unzureichend oder falsch beantwortet wurden. Eine Gelegenheit zur Gegenrede gibt es in der Hauptversammlung für die Aktionäre nicht. So sieht gelebte Wirtschaftsdemokratie aus!!! Ich trage Ihnen jetzt meinen Redebeitrag vor:

"Sehr geehrter Herr Weimar, meine Damen und Herren,
seit meiner Kindheit gehört der Flughafen Frankfurt für mich zur Region wie der Äbbelwoi oder die Eintracht. Er ist zweifelsohne ein wirtschaftliches Schwergewicht in der Region. Dennoch, dennoch werden die von ihm verursachten Gesundheits-, Klima- und Umweltschäden regelmäßig bewußt heruntergespielt und seine angebliche Systemrelevanz, seine technologische Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland und nicht zuletzt seine Jobdynamik systematisch überschätzt. Bestes Beispiel: Im März 2011 hatte der Vorstandsvorsitzende 95.000 Jobs am Flughafen für Ende 2015 prognostiziert. Tatsächlich aber wurde diese Zielgröße um 14.000 Jobs signifikant verfehlt. Der Aufsichtsrat muss jetzt erstens klären, wie es zu dieser eklatanten Fehleinschätzung kommen konnte, und zweitens. prüfen, weshalb beim regierungsamtlichen Wettbewerb "Hessen Champions" in der Kategorie "Jobmotor" noch nie, noch nie eines der am Flughafen Frankfurt angesiedelten Unternehmen auf der Pole-Position stand. Nicht die Großunternehmen, sondern die mittelständischen Betriebe generieren in Hessen seit Jahrzehnten die meisten Arbeitsplätze, so das Statistische Landesamt in Wiesbaden. Die ständig wiederholte Behauptung, der Frankfurter Flughafen sei der zentrale hessische Jobmotor, ist jedenfalls bislang empirisch nicht belegt.

Mit 1.613 Starts und Landungen nach 23 Uhr war die Performance des Vorstands bei den Verspätungsflügen in 2018 völlig inakzeptabel. Dieser negative Rekordwert gefährdet ernsthaft den in der Mediation mühsam errungenen Interessenausgleich zwischen einer ungestörten Nachtruhe einerseits und dem Flughafenausbau andererseits. Wenn die Fraport AG nach ihren eigenen ethischen Grundsätzen die Lärmschutzinteressen der Bevölkerung tatsächlich ernst nimmt, dann muss der Vorstand unverzüglich folgende Entscheidungen zum aktiven Lärmschutz treffen:
1. Der Aufschlag für lärmabhängige Landeentgelte ist mit derzeit 200% eindeutig zu niedrig und deshalb als wirksame ökonomische Steuerungsgröße völlig ungeeignet. Der Aufschlag muss um mindestens den Faktor 5 erhöht werden.
(Einschub: Ein Airbus A320 zahlt in der Kategorie 5 bei der Landung generell ein Lärmentgelt von 201,03 Euro und zusätzlich bei der Landung zwischen 23:00 und 00:00 Uhr einen Aufschlag von 200%. Das sind gerade mal 402,06 Euro oder bei 150 Fluggästen pro Kopf 2,68 Euro. Für ein Schnäppchen von gerade mal 402,06 Euro darf man ganz legal Anwohner des Flughafens am Einschlafen hindern, ganz legal Menschen in der Region brutal aus dem Schlaf reißen, ganz legal Menschen in ihrer Nachtruhe stören und ganz legal Menschen in ihrer Gesundheit signifikant schädigen. Pfui Teufel!!!)
2. Keine Erhöhung des aktuellen Kapazitätseckwerts von 104 auf 126, solange der Vorstand die Verspätungsflüge nach 23 Uhr nicht nachhaltig in den Griff bekommt.
(Einschub: Präsentation Fraport FLK am 07. Mai: Ab Flugsteig G 107+2, ab T3 110, dann in den folgenden 5 – 10 Jahren auf 126)
3. Mit ihrer Prognose vom 10. April 2007 hat die Fraport AG selbst die Blaupause dafür geliefert, dass der mißbrauchsaffine Grenzwert von jahresdurchschnittlich 7,5 kalendertäglichen Verspätungslandungen Eingang in den Planfeststellungsbeschluss gefunden hat. Der Vorstand steht deshalb jetzt auch in der Pflicht, in Wiesbaden einen Antrag auf ersatzlose Streichung der einschlägigen Ziffer 4.1.3.3. zu stellen.
4. Damit sich skrupellose Carrier mit auf Kante genähten Umläufen keine illegitimen Wettbewerbsvorteile gegenüber seriösen Anbietern mehr verschaffen können, müssen verspätete Landungen zukünftig den Starts zwischen 23 und 24 Uhr gleichgestellt werden. Landungen nach 23 Uhr wären danach zunächst einmal grundsätzlich verboten. Die örtliche Luftaufsichtsstelle kann jedoch im Einzelfall Verspätungslandungen dann genehmigen, wenn der betreffende Carrier in seinem Ausnahmeantrag vorher nachweist, dass die Verspätung auf Gründen beruht, die nicht er zu vertreten hat.

Die beiden größten Shareholder, das Land Hessen und die Stadt Frankfurt, haben immer wieder betont, dass die Garantierung einer ungestörten Mediationsnacht zu den Kernbestandteilen ihres strategischen Portfolios gehört. Wenn die beiden Anteilseigner eine ungestörte Mediationsnacht aber nicht nur öffentlichkeitswirksam deklarieren, sondern gegenüber der Fraport AG künftig auch durchsetzen wollen, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Feldmann, dürfen sie die strategische Ausrichtung des Unternehmens nicht länger dem Vorstand allein überlassen. Die beiden größten Shareholder müssen vielmehr aktiv Verantwortung für ihre Beteiligungen übernehmen, hierzu eine eigene Expertise in ihrem Beteiligungsmanagement aufbauen und daraus dann ganz klare Zielvorstellungen ableiten, wohin sich der Flughafenbetreiber in einem sehr dynamischen globalen Umfeld in den kommenden Jahren entwickeln soll. Cevian Capital und Elliot Management haben mit nur 20% Kapitalbeteiligung bei ThyssenKrupp gezeigt, was entschlossene und professionell agierende Investoren im Aufsichtsrat auch ohne eigene Mehrheit durchsetzen können. Die bisherige Rolle der Stadt Frankfurt als stiller Teilhaber ist völlig ungenügend. Der zweitgrößte Shareholder muss sein Einflusspotential endlich aktiv nutzen.

2021 soll Flugsteig G vorgezogen mit einer Jahreskapazität von 4 bis 5 Millionen Fluggästen in Betrieb gehen. Bei einem Investment von 200 Mio. Euro, einem Durchschnittszinssatz von angenommen 3%, einer Abschreibung über 30 Jahre und darüber hinaus anfallenden Betriebkosten wird das Betriebsergebnis nach meiner Einschätzung mit mindestens 16 Mio. Euro jährlich zusätzlich belastet. Diese Zusatzbelastung lässt sich aus dem operativen Geschäft nicht erwirtschaften. Allerdings auch nicht aus den Umsatzbeteiligungen und Ladenmieten. Die Netto-Retailerlöse pro Fluggast lagen 2018 bei gerade mal 3,16 Euro. Um jedoch eine Ergebnisbelastung von 16 Mio. Euro jährlich refinanzieren zu können, müssten bei 4 Mio. Fluggästen durchschnittliche Netto-Retailerlöse von 4,00 Euro generiert werden. Erlöse in dieser Größenordnung sind bei dem im Flugsteig G überwiegend anfallenden "food and beverage" Geschäft nicht darstellbar. Der Aufsichtsrat muss sich daher unverzüglich mit dieser flugsteigbezogenen negativen Erfolgsrechnung befassen und daraus die richtigen Konsequenzen ziehen.

Low-Cost-Carrier erwarten, dass der Flugsteig G nicht nur billig erstellt, sondern dass die neue Fraport 4.0 den Flugsteig G auch billig auf Low-Cost-Niveau betreibt. Dies wird über das interne Benchmarking zwangsläufig zu einem Wettbewerb um die sog. "best practices" führen, ein Prozess, in dem zusätzliche Kostensenkungspotentiale identifiziert werden. Damit kommt die alte Fraport 1.0 mit ihrer bislang exklusiven Ausrichtung auf den Premiumbereich für Netzwerk-Carrier weiter unter massiven Kostendruck. Dieses Szenario muss auf die Agenda des Aufsichtsrats gesetzt werden, insbesondere von den Arbeitnehmervertretern, die nach meinem Kenntnisstand die Öffnung für das Low-Cost-Segment und den Bau des Flugsteigs G bislang noch in großer Geschlossenheit überwiegend begrüßen. Dies wird aber nicht so bleiben, denn folgende Kernrisiken lassen sich derzeit beim Flughafen identifizieren:

1. Hub-Funktionen unterliegen einer hohen Volatilität. Hier hat der Airport auf dem Weltmarkt kein exklusives Alleinstellungsmerkmal.
2. Mit seiner kostentreibenden Überkomplexität ist das Bahnensystem im internationalen Vergleich nicht wettbewerbsfähig.
3. Die Re-Finanzierung von Flugsteig G aus dem operativen Geschäft und/oder aus den Netto-Retail-Erlösen ist nicht gesichert.
4. Im Geschäft mit den Low-Cost-Carriern lassen sich auskömmliche Margen nicht erwirtschaften.
5. Discountangebote für die Low-Cost-Carrier unter einem Dach mit Premiumdienstleistungen für die Netzwerk-Carrier sind für das Kerngeschäft von Fraport rufschädigend. Deshalb eröffnet das KdW in Berlin ja auch ganz bewusst keinen Aldi-Laden in seinen Räumlichkeiten.

Die angeblich alternativlose "hub and spoke"-Strategie des Vorstands degradiert das einstige Renommier-Entree in die Region zur beliebig auswechselbaren "Drehtür für die ganze Welt" mit riskanter Volatilität. Zudem macht die Öffnung für die Low-Cost-Carrier aus dem früher herausragenden Premiumanbieter einen weitgehend profillosen Gemischtwarenladen. Zukunftsfähig für Frankfurt ist nicht "hub and spoke", sondern "lock-and-key": "Für die Region das Tor zur Welt" und "Für die Welt das Tor zur Region". Dieses identitätsstiftende Mobilitätskonzept muss zum unverwechselbaren Zellkern der Flughafen-DNA werden. Kompensatorisch ist das Segment International Activities & Services mit Nachdruck weiter auszubauen, um das Haus mit seiner langjährigen exzellenten Expertise weltweit als eine der ersten Adressen für Consulting, Support, Bau und Betrieb von Flughäfen zu positionieren. Nur durch ein konsequent nachhaltiges Downsizing kann Fraport einen essentiellen Eigenbeitrag zu den Pariser Klimazielen und für eine lebenswerte Zukunft unserer fridays for future Jugend leisten. Die Luftverkehrswirtschaft muss ihren völlig überdehnten ökologischen Fußabdruck drastisch verkleinern und ihren umwelt- und klimaschädlichen Flächen- und Ressourcenverbrauch signifikant drosseln.
Je früher Vorstand und Aufsichtsrat im Schulterschluss mit den beiden größten Shareholdern diesen ambitionierten Strategiewechsel anpacken, desto besser für die Zukunft unseres Unternehmens."

In der Aussprache erstmalig unterstützt wurden wir von Vincent Lohmann, einem siebzehnjährigen fridays for future Vertreter aus Mainz-Hechtsheim, der auch von der Fraport AG einen radikalen Kurswechsel für eine lebenswerte Zukunft einforderte. Ein CO2 neutrales Terminal 3 zu bauen und zugleich den klimaschädlichen Luftverkehr weiter auszubauen, sei total verrückt. Scharfe Kritik an der Flughafenpolitik des Vorstands in Brasilien übte auch ein Vertreter vom Dachverband der kritische Aktionärinnen und Aktionäre. Die Erweiterung des Flughafens Salgado Filho in Porto Alegre, dessen Betrieb eine Fraporttochter für die Dauer von fünfundzwanzig Jahren übernommen hat, führe jetzt dazu, dass fünftausend Menschen, die dort seit über sechzig Jahren lebten, eingeschüchtert und bedroht würden, um ihre Zwangsumsiedlung zu erzwingen. Diese Heimatvertreibung sei für die Fraport AG allerdings auch in Deutschland ja nichts Neues, sondern Teil des Geschäftsmodells. Das hat gesessen.

Fazit des 28. Mai: Unsere Mahnwache vor Beginn der Fraport Hauptversammlung war dringend notwendig, weil wir hier Öffentlichkeit herstellen können. Wir können unseren Protest unzensiert und lautstark vortragen und sind nicht der Hauptversammlungsregie der Fraport ausgeliefert. Dass wir uns dann in der Aussprache zum Bericht des Vorstands sachkundig und vernehmbar zu Wort gemeldet haben, war ebenso notwendig, weil ansonsten nur die einseitig dividenden-, rendite- und wachstumsgetriebenen Aktionärsvertreter zu Wort gekommen wären. Wir sollten deshalb unbedingt 2020 wieder kommen!!!!

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!!!

https://www.rtl.de/cms/fraport-will-haelfte-der-gewinne-im-ausland-machen-4346940.html
https://www.kritischeaktionaere.de/fraport/es-darf-nicht-sein-dass-fraport-sich-frei-macht-von-der-existenzfaehigkeit-unserer-erde-rede-von-vincent-lohmann-fridays-for-future-mainz
https://www.esslinger-zeitung.de/deutschland-welt/wirtschaft_artikel,-fraport-will-haelfte-der-gewinne-im-ausland-machen-_arid,2261801.html
https://www.ekhn.de/aktuell/detailmagazin/news/denkt-bei-euren-entscheidungen-an-eure-kinder.html

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