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Wiesbaden, 03. September 2020

 

Kundgebung gegen Kurzstreckenflüge in Wiesbaden

Hans Schinke: Corona und der Flughafen


Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

in der Coronapandemie hat die Politik von Anfang an Handlungsfähigkeit bewiesen und der Gesundheit endlich den ihr gebührenden Vorrang eingeräumt. Aber gilt das Gebot „Gesundheit zuerst“ auch für den Bereich des Luftverkehrs? Nein, gilt es nicht. Solange die Menschen wegen Fluglärm oder Ultrafeinstaub nicht auf der Stelle tot umfallen, solange wird die Politik der Gesundheit keinen Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen der Luftverkehrswirtschaft einräumen. Ich zitiere hierzu den Aufsichtsratsvorsitzenden der Fraport AG, Finanzminister Michael Boddenberg: „Da der Flughafen aber gleichzeitig als Standortfaktor und für die dortigen Arbeitsplätze eine große wirtschaftliche Bedeutung weit über das Rhein-Main-Gebiet und Hessen hinaus hat, werde ich mich als Aufsichtsratsvorsitzender der Fraport AG stets für einen angemessenen Ausgleich zwischen der Wettbewerbsfähigkeit einerseits und den berechtigten lnteressen der Anwohnerinnen und Anwohner andererseits einsetzen.“ Die Gesundheit der Menschen in der Region ist demnach 1. nicht mehr wert als die Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens. Und 2. zieht, wie wir aus leidvoller Erfahrung wissen, bei diesem sogenannten Ausgleich die Gesundheit der Menschen in der Region stets den Kürzeren. Man denke nur an die strikte Ablehnung eines erweiterten Nachtflugverbots. Als Steigbügelhalterin der Luftverkehrswirtschaft tut die Politik derzeit alles in ihrer Macht Stehende, damit es so bleibt, wie es ist und der Luftverkehr möglichst schnell wieder auf den Wachstumspfad vor der Coronapandemie zurückkehrt, liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter!!!

Wie sieht es nun bei Fraport aus? 2013 hatte die Bundesregierung ihren „Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012“ vorgelegt. Im Abschnitt „Pandemie durch Virus Modi-SARS“ wurde der Absturz des Luftverkehrs im Prinzip bereits so prognostiziert, wie er jetzt mit Corona tatsächlich eingetreten ist. Nichts, rein gar nichts davon fand seinen Niederschlag in den Risikoberichten der Fraport AG mit der Folge, dass der wachstumsfixierte Vorstand im März 2020 unvorbereitet ohne einen Plan B in der Tasche völlig stümperhaft in die Coronakrise hineingestolpert ist, liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter!!!

Seit März befinden sich 18.000 der 22.000 Beschäftigten in Kurzarbeit. Obwohl Fraportchef Schulte in gewohnter Arroganz der Macht früher stets betont hatte, ohne staatliche Hilfe auskommen zu wollen, fordert er im Schulterschluss mit der Luftverkehrswirtschaft nunmehr eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate, weil Kurzarbeit bis zum Sommer 2022 nötig sei. Allein durch diese Staatshilfe reduziert das Unternehmen nach Meldung der fnp seine Personalkosten um mehr als 30, nach meiner Schätzung sogar um 40 Mio. Euro - monatlich. In 24 Monaten wären das 720 Mio. bzw. fast 1 Mrd. Euro aus der Staatskasse. Doch damit nicht genug. Da auf ausdrücklichen Wunsch der Bundesregierung im April und Mai die Flughäfen offengehalten worden seien, damit Deutschland eine Minimalversorgung habe, fordern Fraport und die anderen Airport-Betreiber jetzt auch noch eine Erstattung für diese "Vorhaltekosten" in Höhe von 150 Mio. Euro - pro Monat, also insgesamt 300 Mio. Euro. Doch Gier und Skrupellosigkeit kennen bekanntlich keine nationalen Grenzen. An nahezu allen internationalen Konzern-Flughäfen hat Fraport unter Berufung auf individuelle Vertragsklauseln über den Umgang mit Ereignissen höherer Gewalt Verhandlungen mit den Behörden und staatlichen Stellen aufgenommen, um Konzessionsabgaben temporär zu reduzieren bzw. andere staatliche Hilfen zu bekommen. Ausgerechnet Länder wie die Türkei, Brasilien oder Griechenland, die selbst unter der Last der Coronapandemie ächzen, werden jetzt vom guten Nachbarn Fraport erpresst, Geld herauszurücken, das sie nicht haben. Da kann man sich eigentlich nur fremdschämen, liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter!!!

Völlig unberührt von der Coronapandemie gießt unterdessen der Fraportvorstand weiterhin seine 4 Mrd. Euro teuren Wachstumsphantasien mit Terminal 3 in Beton und Stahl. Im Sommer 2022 soll Flugsteig G in Betrieb gehen. Es bleibt das Geheimnis des Vorstandes, welche Low-Cost-Carrier von dort im übernächsten Jahr eigentlich abheben sollen. Beim Projekt Terminal 3 sind die Reihen zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und den Betriebsräten nach wie vor fest geschlossen, obwohl Fraportchef Schulte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg den Abbau von drei- bis viertausend Stellen bis 2023/2024 angekündigt hat. Für uns Ausbaugegner wäre das eigentlich eine gute Nachricht, wurden unsere Gesundheits-, Umwelt- und Klimabedenken in der Vergangenheit doch stets arrogant mit dem Argument abgebürstet, die Gesundheits-, Umwelt- und Klimaschäden seien ja eigentlich nicht so richtig greifbar, wohl aber die Arbeitsplätze, die der angebliche Jobmotor Flughafen generiere. Diese politische Legitimation des Flughafenausbaus löst sich jetzt in Luft auf, wenn einer Investition von 4 Mrd. Euro nicht neue Jobs, sondern in einer ersten Stufe 4.000 Entlassungen gegenüberstehen. Einerseits bekennt Fraport in ihren eigenen Nachhaltigkeitsrichtlinien: „Die wichtigste und wertvollste Ressource unseres Unternehmens sind unsere Beschäftigten.“ Auf der anderen Seite wirft man dieses Gold des Unternehmens jetzt ohne Not zum Fenster hinaus, obwohl die Beschäftigten für die Coronapandemie selbst ja gar nichts können. Wie verlogen ist das denn, liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter!!!!

Fraportchef Schulte lehnt einen Baustopp für Terminal 3 unverändert kategorisch mit der Begründung ab, dass man die zusätzlichen Kapazitäten auf jeden Fall benötige, wenn nicht morgen, dann eben übermorgen. Mit genau der gleichen Begründung muss jetzt alles getan werden, um die Beschäftigten an Bord zu halten. Wer heute Stellen mit der Begründung abbaut, personelle Ressourcen müssten wegen der derzeit geringen Nachfrage auf dem Luftverkehrsmarkt reduziert werden, kann nicht gleichzeitig mit T3 Kapazitäten für den Tag X aufbauen, liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter!!!

Wie ist nun die Reaktion auf den Personalabbau bei den Ausbauparteien? Schweigen im Walde überall. Nur die Hessische Staatskanzlei lässt auf Anfrage wissen: „Das Management der Fraport AG ist nach Kräften bemüht, einen Stellenabbau, sofern er nicht durch eine natürliche Fluktuation aufgefangen werden kann, so sozialverträglich wie möglich zu gestalten.“ Diese Auskunft ist für den größten Anteilseigner eines mehrheitlich in öffentlicher Hand befindlichen Unternehmens ein einziges Armutszeugnis, werte Mitstreiterinnen und Mitstreiter!!! Statt sozialverträglicher Überleitung in die Arbeitslosigkeit brauchen wir auf dem Arbeitsmarkt dringend einen sozial-ökologischen Systemwechsel. Im Erziehungs-, Altenpflege- und Grundschulbereich fehlen in Deutschland Hunderttausende von Fachkräften. ver.di und fridays for future haben im Juli sensationell eine Allianz für bessere Arbeitsbedingungen im ÖPNV und für den Klimaschutz gebildet. Statt ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse im Luftverkehr, Fracht und Logistik brauchen wir anständig bezahlte, tarifgebundene Jobs mit einem hohen gesellschaftlichen und ökologischen Nutzen, die auch den nicht mehr benötigten Fraportmitarbeitern eine Perspektive bieten.

Schonungslos hat Corona die immanenten Kernrisiken des Fraport-Geschäftsmodells aufgedeckt. 1. Globale Pandemien können sich jederzeit wiederholen. 2. Auf Urlaubs- und Freizeitreisen kann man auch verzichten. 3. Für Geschäftsreisen gibt es zunehmend digitale Ersatzlösungen. 4. Internationale Drehkreuze können überall auf der Welt entstehen. Außerdem belastet das 4 Mrd. Euro Investment für T3 das Ergebnis mit geschätzt mindestens 320 Mio. Euro jährlich aus Abschreibungen, Zinsen und anfallenden Betriebskosten, die aus dem laufenden Geschäftsbetrieb ja erst einmal erwirtschaftet werden müssen. Diese Kernrisiken muss bitteschön der Fraportvorstand aus eigener Kraft stemmen. Schafft er es aber nicht, bleibt nur das Gesundschrumpfen des Unternehmens.

Unsere Schlussforderung zu Fraport jedenfalls ist kurz und klar: 1. Die 1 Mrd. Euro Kurzarbeitergeld muss reichen. 2. Darüber hinaus dürfen keine weiteren Steuergelder für den Risikokurs des Vorstands verpulvert werden, liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter!!!

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!!!



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Bündnis der Bürgerinitiativen
Kein Flughafenausbau - Für ein Nachtflugverbot von 22 - 06 Uhr