Rede, gehalten am 4.11.2005 in der Stadthalle in Offenbach am Main im Rahmen des Erörterungstermins zum geplanten Ausbau des Frankfurter Flughafen. Mein Name ist Hartmut Wagner, ich bin Bürger Offenbachs und Einwender. Ich möchte gerne zu dem Thema "Lärm", das ab dem heutigen Tage abgehandelt wird, einige Gedanken beitragen. Lärm wird als einer der großen Störfaktoren des modernen Menschen bezeichnet, die Definitionen des Begriffs sind vielfältig. Man kann ihn als unerwünschten, störenden Schall begreifen. Weit über die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger fühlen sich, wie Umfragen ergeben haben, durch Lärm gestört. Den Lärm in seiner Gesamtheit zu messen, ist meines Wissens noch niemanden gelungen. Wir messen den Schalldruck, die Frequenzen und die Tonhöhe. Wir wissen nur eines: gesund ist Lärm nicht, er ist ein bedeutsamer Stressor. Lärm macht nicht nur schlaflos, sondern stört die sprachliche Kommunikation und die Entwicklung unserer Kinder. Er kann krank machen und beeinträchtigt auch das Psychische Befinden des Menschen. Das Ohr schläft nie, auch dann nicht, wenn wir schlafen. Herr Prof. Spreng hat es in dieser Halle mit Recht als Warnsinnesorgan par excellence bezeichnet. Wir wissen auch, dass Fluglärm ganz besonders schädlich ist, einen malus besitzt. Es ist ebenso bekannt, dass selbst bei solchen Personen, die sich subjektiv durch Lärm gar nicht gestört fühlen, dennoch mit nachteiligen Reaktionen ihres Körpers eben auf dieses Schallereignis gerechnet werden muss. Wir werden in den nächsten Tagen sicherlich viele Beiträge zu den Messmethoden, den Auswirkungen und allen anderen Komponenten des Lärms, insbesondere des Fluglärms hören. Deshalb will ich dem gar nicht vorgreifen und nicht versuchen, hier eine Definition des Lärms zu geben und mich zum medizinischen oder akustischen Sachverständigen aufzuschwingen. Aber eines kann ich hier ganz deutlich sagen: in Bezug auf den Fluglärm weiss ich sehr genau, worüber ich rede. Ich habe nämlich 16 Jahre lang in Offenbach-Tempelsee gewohnt, gerade einmal drei Straßen entfernt von hier. Ich hatte dort ein schönes und großzügiges Haus mit einem ansprechenden Gartengrundstück, wie man es in der Stadt recht selten findet. Erworben hatte ich dies im Jahre 1979. Ich habe dieses Haus im Jahr 1996 verkauft und bin in den Ortsteil Rumpenheim gezogen. Sie ahnen es: Grund dafür war der Fluglärm. Als ich mein Haus in Tempelsee bezog, zählte man knapp 177.000 jährliche Flugbewegungen, als ich wegzog, waren es etwa über 351.000 – nahezu exakt eine Verdoppelung. Ich konnte nicht mehr schlafen, nicht mehr ungestört auf meiner Terrasse lesen oder telefonieren, meine damals noch kleinen Kinder litten unter Angstzuständen, wenn eine großes Flugzeug, etwa eine Galaxy unser Haus in niedriger Höhe überflog. Damit auch alle hier Anwesenden, insbesondere die auf der Bühne, einen kurzen Eindruck vom Fluglärm bekommen, gestatte ich mir, meine weiteren Ausführungen etwas mit diesem Lärm zu unterlegen. Auch zum Beweis dafür, dass – entgegen Prof. Scheuch – für Kommunikationsstörungen nur der Dauerschallpegel zu betrachten ist. Denn ich habe den Eindruck, dass "die da oben" nicht so recht wissen, über was hier bei diesem Tagesordnungspunkt geredet wird. "Die da oben" meine ich im übrigen sowohl in Bezug auf diese Halle, aber auch in Bezug auf die Politiker und die Richter des Hess. Verwaltungsgerichtshofs. (Jetzt wurde über die Lautsprecher meines Laptop das Geräusch eines überfliegenden Flugzeuges eingespielt, was jedoch nicht zur vollen Zufriedenheit gelang, da das Saalmikrofon nur das unmittelbar in dieses gesprochene Wort wiedergab, Nebengeräusche jedoch nicht in voller Lautstärke – naturgemäß konnte dies vorher nicht ausprobiert werden) Nun war nicht nur ich dem Fluglärm ausgesetzt, sondern auch meine Nachbarn. Von diesen hat ein Teil dargelegt, der Fluglärm störe sie überhaupt nicht. Einer dieser Nachbarn sagte mir, als ich in Tempelsee einzog, er sei von Kindesbeinen an unter der Einflugschneise gewesen, und in früheren Zeiten seien die Propellerflugzeuge doch viel lauter gewesen als die heutigen Jets. Der Mann wurde älter, und als er das 55. Lebensjahr vollendet hatte, redeten wir wiederum über den Fluglärm. Der Nachbar sagte "ich halte das nicht mehr aus, ich ziehe weg". Auf meine erstaunte Frage, er habe doch vor zwei oder drei Jahren ganz anders geklungen, antwortete er: es ist so, als sei ein Fass ganz langsam gefüllt worden, und jetzt sei es voll – vielmehr, sein ganz persönliches Lärmfass sei jetzt übergelaufen. Und angesichts der enormen Steigerung der Flugbewegungen, die ich bereits angesprochen habe, liefen die Tropfen auch immer schneller in das Lärmfass. Ein anderes Beispiel: ein guter Bekannter von mir, ebenfalls ein Offenbacher Bürger, hatte sich ein neues Haus auf dem Offenbacher Buchhügel gekauft, also auch direkt unter der Einflugschneise, nicht weit von hier. Ich fragte ihn, als er mir von seinen Kaufabsichten berichtete, ob ihn denn der Fluglärm nicht störe. Seine Antwort lautete "oh nein, als Offenbacher weiss ich doch, dass dort die Einflugschneise ist, und zur Vorsicht habe ich mich vor dem Kauf des Hauses eine Stunde dort aufgehalten, es erschien mir durchaus erträglich". Der Mann zog ein, und nach einem guten halben Jahr wieder aus. Er habe es sich nicht vorstellen können, wie das ist, wenn der Fluglärm Tag und Nacht, ohne Pause, ertragen werden müsse. Ein paar Stunden "Probelärm" seien damit nicht vergleichbar. Sowohl mein Bekannter als auch ich haben uns den Umzug und die Anschaffung eines neuen Hauses leisten können. Ich brauche nicht weiter auszuführen, dass dies die Ausnahme darstellt. Die meisten Leute haben diese – vornehmlich finanzielle – Möglichkeit nicht. Sie müssen bleiben, und es wird immer schlimmer. Wenn dann das Argument kommt, man habe doch gewusst, auf was man sich einlasse, so verweise ich auf meinen Freund, der das Haus auf dem Buchhügel – ich denke unter dem Einstandspreis - verkauft hat. Ich verweise auch auf meinen Nachbarn, der den Lärm jahrelang ertragen konnte, dann aber das Lärmfass überlief. Und ich verweise noch darauf, dass ein Gutteil der Immobilien schon errichtet war, als der Flughafen noch auf dem Rebstockgelände beheimatet war. Es bleibt das Argument, nicht alle Leute störten sich am Fluglärm. Es ist sicherlich richtig, dass hier eine subjektive Komponenten hineinspielt. Die Mediziner sagen uns, dass auch bei einem subjektiven Nicht-Gestört-Sein durchaus objektive schädliche gesundheitliche Folgen eintreten können, freilich sicherlich nicht bei allen Individuen. Hier tritt nun das Problem auf, ob man eine derartige Lärmentwicklung, wie sie hier geplant ist, verantworten kann, wenn nur einige dem Fluglärm ausgesetzte Menschen gesundheitliche Nachteile durch den Fluglärm erleiden, aber eben halt nicht alle – wobei ich mich hier nicht auf Prozentzahlen festlegen kann. Sicher ist jedoch, dass eine erhebliche Menge der Menschen unter diesem Lärm leidet. Gilt hier das Mehrheitsprinzip? Sind die, die es nicht ertragen können, auf das – wie es die Frankfurter Oberbürgermeisterin einmal formulierte – demokratische Recht zu verweisen, doch wegziehen zu können? Ich halte dies für menschenverachtend. Was ist mit den Nachtarbeitern, wie etwa Krankenschwestern und Ärzten? Was ist mit vorerkrankten Menschen? Selbst wenn die Fluglärmgestörten eine Minderheit darstellen sollten, so ist doch Aufgabe der Politik, der judikativen Gewalt und einfach eines Jeden, auch Minderheiten zu schützen, insbesondere dann, wenn es um die schon nach unserem Grundgesetz als besonders hochwertige erachtete Rechtsgüter, nämlich das Recht auf körperliche Unversehrtheit geht. Und wir wissen auch, dass der Mensch nicht nur aus Essen, Trinken und Schlafen besteht, sondern auch zu einem ganz wesentlichen Teil aus seiner Sozialisation, also seinem Freundes- und Bekanntenkreis und auch seiner Heimat. Ist all dies den Ausbauwünschen eines einzelnen Unternehmens unterzuordnen? Steht die Lebensqualität hinan, und nur die Abwehr von Krankheiten ist ein Thema? Ist das Wiedereinschlafenmüssen, das ja ein Aufwachen voraussetzt, tolerabel, wie wir von Prof. Scheuch gehört haben? Ist nur der Innenraum von Wohnungen schützenswert, findet Erholung auf Freiflächen nicht mehr statt? Sind "sensible Gruppen", so ebenfalls Prof. Scheuch, zu vernachlässigen oder gar auszumerzen? Ich denke, das alle diese Frage mit nein zu beantworten sind. Der sog. Minderheitenschutz wird nicht nur in unserem nationalen Rechtssystem sehr hoch gehalten, sondern auch durch das Völkerrecht gefordert. Minderheiten sind zu schützen, So genießen die Sorben in Teilen unseres Vaterlandes diesen Schutz. Ganz besonderes deutlich wird dies bei den Rechten, die die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein genießt. Minderheitenschutz wird auch denjenigen gewährt, die ihr Zusammenleben nicht nach den hergebrachten Moralvorstellungen gestalten, wie Lesben und Schwulen, Minderheitenschutz gibt es für Andersgläubige und kleinere Religionsgemeinschaften. Warum denn kein Minderheitenschutz für Lärmkranke und –gestörte? Nur am Rande gestatte ich mir die Bemerkung, dass eine weitere Gruppe der in unserem Land lebenden Menschen einen sehr stringent entwickelten Minderheitenschutz erlebt: die Politikerinnen und Politiker. Sie haben die Bundestagsabgeordneten nicht nur eine steuerfreie Aufwandspauschale von über 3.000 Euro monatlich, wo doch der einfache Bürger für kleine Ausgaben, die er steuerwirksam gelten machen will, penibel Belege vorlegen muss. Die Politikerinnen und Politiker haben aber insbesondere den Minderheitenschutz in Bezug auf Ihr Echo in der Öffentlichkeit. Die Mitglieder der auf Landesebene ausbaubefürwortenden Parteien erreichen in den Kommunen, in denen die Planunterlagen der Fraport AG ausgelegt worden, bei weitem nicht die Zahl der Einwender. Dennoch wird, z.B. was das Echo in den Medien angeht, so getan, als seien die Parteien etwas besonderes. Der Flughafen verweist im Zusammenhang mit seinen Ausbauplänen immer gern auch den Begriff der Daseinsvorsorge, und zwar in der konkreten Ausgestaltung der Sicherung der Mobilität und der wirtschaftlichen Prosperität. Geht dieses Moment der Daseinsvorsorge über das Rechtsgut Gesundheit und körperliche Unversehrtheit? Muss diesen Rechtsgütern nicht eine besondere (Vor-)Sorge angedeihen? Steht der angeblich öffentliche Auftrag, einen Flughafen zu unterhalten, über dem Rechtsgut der Gesundheit und der körperlichen Unversehrtheit? Das Grundgesetz der BRD spricht eine andere Sprache. So ist es auch unerträglich, wenn die Richter des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in ihrem Urteil zum gegenwärtigen Betrieb des Frankfurter Flughafens ausführen, was einmal gebaut und genehmigt sei, dürfen auch beflogen werden, egal, ob die Menge der Flüge und der dadurch entstehende Lärm seinerzeit bei der Genehmigung vorhersehbar gewesen sei oder nicht. Sie verweisen die Bürgerinnen und Bürger ausdrücklich darauf, dass sie in geschlossenen Räumen sich aufhalten und auch bei geschlossenem Fenster, egal bei welchen Außen- und Innentemperaturen auch immer, schlafen müssten. Und das "Im Namen des Volkes". Wir werden sicher in diesem Erörterungstermin noch hören, wie schnell in der Nacht die Atemluft bei einem durchschnittlich großen Schlafzimmer verbraucht ist und wie bald der Sauerstoffgehalt unter eine Schwelle sind, die nicht mehr tolerierbar ist. Und jetzt kommt der Antrag der Fraport auf Erweiterung des Flughafens ins Spiel. Fraport will ganz harte Fakten schaffen: nämlich Beton in die Landschaft schütten, diesen als Landebahn benutzen, die Landschaft, insbesondere den Bannwald, dadurch verbrauchen und viele 10.000 Menschen neu mit Fluglärm überziehen. Dass dem so ist, dürfte hier unstreitig sein und ergibt sich aus den Antragsunterlagen, aber auch aus den Ergebnissen des sog. Mediationsverfahrens und dem Entwurf der Änderung des Landesentwicklungsplans. Wenn es dann um die sonstigen Fakten, die Auswirkungen und die genauen Zahlen des Vorhabens geht, so bleibt die Antragstellerin aber seltsam unverbindlich: so rechtfertigt sie die akustische Vermüllung unserer Heimat mit einem Bündel von Lügen, von denen ich nun einige aufzählen will: 1. Es wird nicht gesagt, bei einer bestimmten Anzahl von jährlichen Flugbewegungen, etwa den ominösen 657.000 sei Schluss, noch nicht einmal, dass es Schluss bei der Anzahl der Flugbewegungen sei, die im Jahre 2015, dem Ende des Prognosezeitraums, erreicht sind. Wir haben von den Vertretern der Fraport AG hier in diesem Raum ausdrücklich gehört, darauf wolle man sich nicht einlassen. Die Folge: man will uns hier für dumm verkaufen. Es wird in einigen Jahren wieder so kommen, dass der Rechtsstandpunkt eingenommen wird: was einmal genehmigt ist, darf auch benutzt werden, was die technischen Möglichkeiten hergeben. Dass dies Auswirkungen auf die Menge des Lärms hat, bedarf keiner weiteren Diskussion. Ich bezeichne dies als die KAPAZITÄTSLÜGE. 2. Wir bekommen noch nicht einmal gesagt "ja wo fliegen sie denn". Die Flugrouten, uns somit auch die Lärmbelastung des einzelnen, werden gerade nicht planfestgestellt – ich gestatte mir die Bemerkung, dass hier die Katze im (Lärm-)Sack verkauft werden soll. Es ist also genauso gelogen, wenn hier behauptet wird, die Antragsunterlagen seien vollständig. Die DFS hat am 31.10.2005 in dieser Halle ausgesagt, Fluglärmerwartungsgebietskarten existierten für den Ausbaufall überhaupt nicht. Auch dies ist ein Bestandteil der LÄRMLÜGE. 3. Genauso hat Fraport schon in der Vergangenheit die Leute für dumm verkaufen wollen und sich der LÄRMLÜGE bedient. Ich war einmal Besucher an dem sog. Infomobil der Fraport AG, das durch die Lande geschickt wurde. Ich ließ mir die Flugrouten erklären. Sie sind als dünne Striche in den Karten eingezeichnet. Kein Wort darüber, dass ein Flugzeug ja nicht auf Schienen fährt wie eine Straßenbahn, sondern dass auch noch 1,5 Kilometer rechts und links dieser Linien der jeweilige Pilot völlig ordnungsgemäß fliegt. Dennoch wurde und wird so getan, als handele sich um eine eng begrenzte Linie, und nicht um ein 3 Kilometer breites Gebiet, das direkt überflogen werden darf und auch überflogen wird. Und es wird auch noch weiterhin so getan, als sei neben diesen Linien mit völliger Stille zu rechnen. Wir alle wissen als eigener Anschauung, auch dort ist es noch laut – nicht also leise, sondern lediglich ein bisschen weniger laut. Solche Darstellungen sind unredlich und, ich wiederhole es noch einmal, Bestandteil der LÄRMLÜGE. 4. Wir bekommen auch sonst keine Lärmobergrenzen angeboten, wie dies etwa in Amsterdam geregelt ist. Dort ist bestimmt, dass dann, wenn ein bestimmtes Lärmkontingent erschöpft ist, ganz einfach Schluss mit der Fliegerei ist. Fraport denkt nicht daran. Sieht so der "gute Nachbar" aus? Oder, und das ist meine Frage an die Antragstellerin, ist so eine Kontingentierung geplant? Oder ist auch hier wieder die bereits angesprochene LÄRMLÜGE im Spiel? Es stimmt doch einfach nicht, wenn die Lärmbelastung schön geredet wird, etwa mit dem Argument, das Fluggerät werde doch immer weniger laut, wenn aber gleichzeitig immer mehr Flüge über unseren Köpfen stattfinden. 5. Wir bekommen auch kein gerichtsfestes Nachtflugverbot. Es entspricht inzwischen allgemeiner Meinung, dass diese, wie ich mir ebenfalls gestatte zu sagen "Beruhigungspille der Mediation für den Bürger" nicht zu halten sein wird, wenn Fluggesellschaften dagegen klagen – und gerade das haben sie ja auch schon angekündigt. Ich verweise in diesem Zusammenhang nur auf die Einwendung der Lufthansa AG in dem gegenwärtigen Verfahren. In den letzen Tagen hat sich diese Bemühung der Lufthansa, immerhin dem größten Kunden Fraports, das Nachtflugverbot nicht wirksam werden zu lassen, noch verstärkt. Die Lufthansa will ein nicht unerhebliches Aktienpaket an der Antragstellerin erwerben, mit dem offen ausgesprochenen Ziel, ihr missliebige Feststellungen im Planfeststellungsbeschluss, also gerade das Nachtflugverbot, zu verhindern. In diesem Zusammenhang frage ich die Antragstellerin: ist sie bereit, auf die Benutzung der neuen Landebahn zu verzichten, wenn das Nachflugverbot aufgehoben wird? Oder haben wir es hier mit der NACHTFLUGVERBOTSLÜGE zu tun? 6. Die KAPAZITÄTSLÜGE, verbunden mit der LÄRMLÜGE, ist in Verbindung mit der Nichteinführung eines Nachtflugverbotes, um ein weiteres Moment zu ergänzen: Kommt es nämlich nicht zu einem Nachtflugverbot, so tritt wieder das ein, was schon so oft angesprochen worden ist: war genehmigt ist, darf auch beflogen werden, und dann eben auch nachts. Die nicht zutreffenden 657.000 jährlichen Flugbewegungen basieren nämlich darauf, dass das Mini-Nachtflugverbot kommt. Wird das aber von den Fluggesellschaften geknackt, so wird ja schließlich während weiterer 6 Stunden beflogen. Ich frage hier die Antragstellerin: mit welcher Kapazität ist denn dann zu rechnen? 7. Wir bekommen auch keine Höchstgrenzen der stündlichen Flugbewegungen zugesichert. Die Zahl 120, die in den Antragsunterlagen enthalten ist, ist auch hier keinesfalls die Obergrenze. Wir können sicher sein, dass das System immer weiter, wie es so schön heißt "optimiert" werden wird, und auch hier scheut Fraport eine verbindliche Festschreibung wie der Teufel das Weihwasser. Also auch hier: Lärm ohne Ende, eine weitere Folge der KAPAZITÄTSLÜGE. 8. Auch zu dem öffentlichkeitswirksamsten Argument, der Schaffung neuer Arbeitsplätze, hören wir nichts verbindliches. Es wird alles nur mit Prognosen begründet – zu deren (mangelnder) Qualität ist schon viel zutreffendes gesagt worden. Herr Amann wird ganz böse, wenn wir ihm diese JOBLÜGE vorhalten, und sie als das bezeichnen, was sie eben ist, nämlich eine Lüge. Kein Wunder, dass er böse wird: "getroffener Hund bellt". Es wird auch keine irgendeine geartete Sanktion angeboten, für den Fall, dass die Prognosen Fraports nicht zutreffen. Ich sehe schon die Vertreter der Antragsstellerin maliziös grinsen, wenn im Endeffekt weniger Arbeitsplätze als landauf, landab behauptet, geschaffen werden, nach dem Motto "es war damals halt unsere Auffassung, und ein (ach so wissenschaftliches Gutachten) (das wir bezahlt haben) hat es doch so gesagt. Ich frage daher die Antragstellerin: ist sie bereit, für jeden Arbeitsplatz, der bis 2015 nicht geschaffen wird, einen Betrag von 50.000 Euro zu zahlen, etwa an eine gemeinnützige Institution oder zur Aufbesserung der Bezüge von Arbeitslosen? Übrigens: die von mir soeben genannte Zahl ist noch recht niedrig bemessen, für einen Arbeitsplatz in der Industrie werden häufig viel höhere Summen aufgewendet, sprich investiert. 9. Auf die Menge des zu erwartenden Lärms wirkt sich genau so aus, dass der bislang vorhandene Lärm schön gerechnet wird. Es wird fast immer nur die durchschnittliche Lärmentwicklung, der Dauerschallpegel, betrachtet. Wir alle kennen schon das Beispiel: Während einer Stunde wird ein Schuß direkt am Ohr einer Person abgefeuert, es platzt ihr das Trommelfell. Auch die Stunde gemittelt, war es aber ruhig. Toll, bei einer solchen "Ruhe" schlafen zu sollen. Auch insofern werden wir für dumm verkauft, es wird falsch gerechnet. Auch das ist eine LÜGE. Lügen sind auch die seltsamen Abweichungen von den nur berechneten Lärmangaben im Gegensatz zu dem gemessenen Lärm: in nahezu allen Fällen waren die Messergebnisse höher als die Berechnungen. 10. Kommen wir nochmals auf den Lärm zurück: warum sind die Antragsunterlagen noch immer nicht vollständig? Eine Beantwortung der unbequemen Frage, wie es sich mit den Auswirkungen von Überflughöhen von weniger als 250 Metern über Grund bei Wohngebieten und weniger als 60 Metern über Gewerbegebieten verhält, habe ich eine Antwort nicht mitbekommen. Herr Frank Wolf aus Hattersheim-Eddersheim hat hier in dieser Halle ausgeführt (wenn ich richtig unterrichtet bin, am 18.10.2005), dass dieser Teil der Unterlagen einfach nicht vorliegt, obwohl der Fraport AG vom RP aufgegeben wurde, ein derartiges Überfluggutachten vorzulegen. Es wurde ganz einfach nicht vorgelegt, geschweige denn in die Antragsunterlagen eingebracht und öffentlich ausgelegt. Herr Wolf hat hier deswegen den Abbruch des Verfahrens beantragt, mündlich und schriftlich. Ich bitte das Regierungspräsidium um Mitteilung, ob und ggfs. wie und mit welcher Begründung dieser Antrag entschieden worden ist. (Wenn noch nicht entschieden, dem Antrag beitreten). Hier haben wir es wieder mit der VOLLSTÄNDIGKEITSLÜGE zu tun. 11. Ich möchte noch auf eine weitere Lüge zu sprechen kommen, und zwar die RISIKOLÜGE. Diese ist vornehmlich am Beispiel des Ticona-Werkes festzumachen. Wir haben es schon in der Vergangenheit erlebt, dass ein Flieger die Landebahn ganz einfach nicht richtig getroffen hat, und Positionsleuchten abrasiert hat. Nun tut man so, es könne und werde es dies nicht geben. 12. Ich kann noch mit einer weiteren Lüge aufwarten: es wird nur der Planungshorizont bis zum Jahr 2015 betrachtet, also nach sachverständiger Schätzung für einen Zeitraum von 5 oder 6 Jahren nach Fertigstellung der neuen Landebahn. Es wird gleichsam so getan, als seien nach dem Jahr 2015 die Menschen hier nicht mehr da. Ein solcher Horizont ist nur als beschränkt zu bezeichnen, und lässt mich schlussfolgern, dass der Horizont der Verantwortlichen der Antragstellerin ebenso beschränkt ist. Er manifestiert sich in dieser PLANUNGSLÜGE, denn auf der anderen Seite wird gesagt, auch über das Jahr 2015 hinaus werde der Luftverkehrsaufkommen weiter wachsen. Zu dieser Planungslüge gehört auch, dass so getan wird, als werde nur vorhandene Nachfrage befriedigt. Richtig ist dagegen, dass mit dem Ausbau – wie übrigens auch mit der Stationierung des A 380 – Nachfrage erst erzeugt wird, und dann wieder als Rechtfertigung des Ausbaus herhalten soll. Ein klassischer Zirkelschluss. 13. Ich habe noch eine weitere Lüge auf Lager: die MEDIATIONSLÜGE. Schon die Wortwahl für dieses Verfahren war eine Lüge, denn ein echtes Mediationsverfahren war es nie. Sowohl die Fluggesellschaften, allen voran die Lufthansa, haben sich von dem Ergebnis der sog. Mediation schon längst verabschiedet, obwohl sie das sog. Mediationsergebnis seinerzeit mit unterschrieben haben. Am Beispiel des Mini- Nachtflugverbots habe ich das bereits dargestellt. Aber auch die Fraport AG selbst hat sich von dem Mediationsergebnis in Teilen verabschiedet, wenn von ihr etwa nunmehr der Nacht-Grenzwert mit einem Dauerschallpegel von 35 dB(A) "am Ohr des Schläfers angesetzt wird – in der Mediation waren es 3 dB(A) weniger – Sie erinnern sich, 3 dB(A) mehr ist eine Verdoppelung des Lärms. Ein anderes Beispiel ist die Abkehr von der 100 zu 100-Regel für die Lärmermittlung. 14. Ich werfe sowohl der Antragstellerin als auch den Ausbaubefürwortern aus der Politik mangelnde Aufrichtigkeit vor und möchte dies am Beispiel meiner Heimatstadt Offenbach deutlich machen. Käme es zum Bau der Landebahn im Kelsterbacher Wald, so wäre diese Stadt vollständig unter einem Fluglärmteppich begraben. Offen zugegeben wird das aber nicht, das Kind wird nicht beim Namen benannt. Man müsste ja sonst zugeben, dass man einen Teil der Region als minderwertig betrachtet und gleichsam wegwerfen kann, um der angeblichen Sorge um die Region insgesamt und deren angeblicher Prosperität willen. Ich möchte Ihnen aber sagen, warum man diese klare Aussage scheut: natürlich wieder einmal des Geldes wegen. Wäre man aufrichtig, so müsste man die Stadt umsiedeln. Wir kennen so etwas in den Gebieten des Braunkohlebergbaus. Hier werden Dörfer umgesiedelt, um weitere Abbaumöglichkeiten zu schaffen, natürlich auf Kosten des Betreibers des Kohlebetriebes. Das kann man mit Offenbach – ich habe diese Stadt nur als Beispiel verwendet, das gilt für andere extrem fluglärmbelastete Gebiete entsprechend – schon aus finanziellen, aber sicherlich auch aus politischen Gründen nicht machen (ganz abgesehen davon, dass sich kaum Platz für ein "neues Offenbach" finden dürfte). Und wissen Sie, wie man MANGELNDE AUFRICHTIGKEIT auch bezeichnen kann? Richtig, man verwendet den Begriff der LÜGE. Ich habe, Sie erinnern sich, diese Punkte nur deswegen aufgeführt (und es sind nur einige wenige Beispiele für das Verhalten der Fraport AG), um deutlich zu machen, dass man harte Fakten, den Ausbau schaffen will, aber bei den entstehenden Nachteilen nahezu jegliche konkrete Aussage scheut und sich in keinster Weise festlegt, sondern vielmehr mit LÜGEN arbeitet. Ich erlaube mir, dies als unerträgliche Arroganz zu bezeichnen. Als der Sprecher der Bürgerinitiativen, Herr Heuser, das hiesige Verfahren als "absurdes Theater" bezeichnete, konnte ich dem auf den ersten Blick nicht folgen. Auf den zweiten Blick bejahe ich diese Einschätzung voll und ganz. Dieses Verfahren ist schon in seiner zeitlichen und räumlichen Ausgestaltung ausgesprochen bürgerfeindlich, ich erinnere hier nur an die Öffnungszeiten und den Ort der Veranstaltung. Wenn es ernst wird, so werden die Fragen an die Antragstellerin mit einem lapidaren Hinweise auf die Planungsunterlagen beantwortet. Wenn einmal nachgewiesen wird, dass etwas dort falsch dargestellt ist, und man nicht mehr umhin kommt, das zuzugeben, so nur der Hinweis "das werden wir berichtigen". Dass auch die Berichtigung öffentlich auszulegen und zu diskutieren wäre, wird verhindert. Auch den Vertretern des Regierungspräsidiums habe ich einiges auszusetzen: es werden hier rechtliche Hinweise gegeben, und so getan, als sei das Recht etwas statisches, einmal gesagtes gelte für alle Ewigkeit. Die Möglichkeiten besserer Erkenntnis scheint es nicht zu geben. Der mehrfach begründete Antrag auf Abbruch des Verfahrens wird entweder abgelehnt, oder nicht beschieden - auch wenn Unterlagen einfach nicht da sind, die von der Behörde selbst gefordert wurden (siehe das nicht vorhandene Gutachten zu den Auswirkungen von Überflughöhen von weniger als 250 und 60 Metern über Grund, was ich bereits angesprochen habe). Ich erlaube mir, dies als OBJEKTIVITÄTSLÜGE zu bezeichnen. Würde es sich hier um ein redliches und objektives Verfahren handeln, so könnte solche Dinge nicht einfach übergangen werden. Und gestatten Sie mir noch eine Bezugnahme auf die Bibel: Dort heißt es "macht Euch die Erde untertan", aber es heißt nicht "macht Euch Eure Mitmenschen und deren Gehör und Gesundheit untertan", sondern "bewahrt die Schöpfung". Offenbar sind wir hier nicht mehr im christlichen Abendland, und auch nicht in Hessen und in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in dem "Fürstentum Fraport". Ich darf Ihnen aber prophezeien, dass sich dessen Bürgerinnen und Bürger die Attitüden derjenigen, die sich als selbstherrliche Landesfürsten aufführen, der unheiligen Allianz der Benders, Kochs und Ypsilantis nicht auf Dauer gefallen lassen werden. Die genannten und ihre Helfershelfer sollten sich aber nicht zu sicher fühlen. Gerade in den letzten Tagen haben wir einige Beispiele dafür gehabt, dass die Politiker, die so gerne "BASTA, so wird's gemacht" gesagt haben und "durchregieren" wollten, plötzlich und unvermittelt sich als ämter- und machtlos wiedergefunden haben. Im übrigen: Wir, die Bürgerinnen und Bürger, werden uns weiterhin gegen den Flughafenausbau wehren. Und ich halte es keinesfalls für ausgeschlossen, dass sich diese Wehrhaftigkeit auch einmal lautstark und sehr kräftig artikuliert. Spätestens dann aber wären wir wieder bei dem Tagesordnungspunkt "Lärm". Nur für wen dieser Lärm dann schädlich sein wird, überlasse ich Ihrer Phantasie. - 7 -