Ansprache von Herrn Hans Franssen, Bürgermeister der Stadt Hattersheim am Main am 9. Januar 2004 Als Bürgermeister gehöre ich zu dem Personenkreis, der in den letzten Tagen sehr viele Neujahrswünsche erhalten, der aber selbst auch viele Wünsche für das neue Jahr ausgesprochen hat. Es ist vielleicht ein Standardwunsch, aber das höchste Gut das wir haben, ist unsere Gesundheit. Und das ist auch der Grund, warum wir heute hier zusammengekommen sind. Wir wollen erneut darauf aufmerksam machen, dass unsere Gesundheit, dass unsere Sicherheit gefährdet ist durch die Ausbauplanungen von Fraport. Lassen Sie es mich deutlich sagen: Wir sind nicht gegen den Flughafen Rhein/Main. Auch für uns ist der Flughafen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Nur fordern wir: - dass vorhandene Kapazitäten nur bis zur Belastungsgrenze der Bevölkerung genutzt werden, - dass die Lasten und die Wohltaten gleich verteilt werden und - wir fordern weiter, dass unsere Bedenken, unsere Ängste und Befürchtungen endlich von Fraport, der hessischen Landesregierung und auch dem RP ernst genommen werden. Fraport bezeichnet ihr Ausbauvorhaben gern als „das größte privat finanzierte Projekt der BRD". Ich frage: Was ist das für ein Projekt, wo dem Aspekt Sicherheit nur unzureichend Beachtung geschenkt wird?! In welchem Staat leben wir, wo ein Industrieunternehmen mit 1000 Beschäftigten wie Ticona falsch auf der Landkarte eingezeichnet wird?! Sind da Stümper am Werk?! Und war es vielleicht Absicht, die Ticona im Raumordnungsverfahren zu übersehen?! Gibt es da keinen RP, der hätte eingreifen müssen?! Warum sind die entsprechenden Hinweise der Kommunen nicht ernst genommen worden?! Der RP wird in meinen Augen immer mehr zum Ausführungsgehilfen der Landesregierung. Wie sonst wäre sein Verhalten im Raumordnungsverfahren zu bewerten: Im Ergebnis des Raumordnungsverfahrens war zu lesen, dass die Auswirkungen des Flughafenausbaus auf die Sicherheit des Ticona-Geländes näher zu untersuchen seien. Dies war absolut unglaubwürdig. Dieser Aspekt von solch elementarer Bedeutung hätte niemals vom Raumordnungsverfahren in das nachfolgende Planfeststellungsverfahren aufgeschoben werden dürfen. Hier wird mit falschen Karten gespielt. In den nächsten Wochen werden entscheidende Weichen für den Ausbau des Flughafens gestellt: Der Erörterungstermin für den A 380 beginnt in der nächsten Woche. Übrigens, die Stadt Hattersheim am Main ist nicht zu einer Stellung aufgefordert worden, obwohl gerade die Bürgerinnen und Bürger aus Eddersheim und Okriftel stark belastet werden. Mit der Offenlage der Unterlagen für die neue Landebahn im Kelsterbacher Wald ist in den nächsten Wochen zu rechnen. Mit großer Spannung erwarten wir alle das Votum der Störfallkommission. Ich bin optimistisch, dass das Ergebnis für uns, für unsere Sicherheitswünsche und unsere berechtigten Sicherheitsforderungen, positiv sein wird, denn nach Meinung von Christian Jochum – ich zitiere den HR: "... ist die Chemiefabrik Ticona in der geplanten Einflugschneise ein ernstes Problem, insbesondere für die Menschen, die dort arbeiten. Das ist nichts, was man so einfach hinnehmen kann." Wir alle setzen auf die SFK. Und wir fordern die SFK auf, sich nicht von der hessischen Landesregierung an der Nase herumführen zu lassen, denn nach unseren Informationen steht der Teil 2 des qualitätssichernden so genannten Obergutachtens des TÜV Pfalz immer noch aus. Die SFK wird daher wohl erst Mitte Februar ihre Stellungnahme abgeben. In diesem Zusammenhang fordere ich auch die Hessische Landesregierung auf, uns ihre Stellungnahme zum Beschwerdeschreiben der Europäischen Kommission vorzulegen. Oder stimmt das, was überall gemunkelt wird, dass die Hessische Landesregierung überhaupt nicht geantwortet hat? Es ist fünf vor zwölf Die Gefahren durch den Luftverkehr sind uns in dieser Woche in Ägypten und München wieder sehr deutlich vor Augen geführt worden. Jeden Abend sehe ich von meiner Wohnung in Okriftel die Flugzeuge wie an einer Perlenschnur gezogen in Richtung Flughafen fliegen und ich frage mich dabei jedes Mal, was es für ein Horrorszenario wäre, wenn es in dieser dichtbesiedelten Region zu einem Absturz käme. Die Grenze des Zumutbaren ist erreicht. Die Zunahme des Flugverkehrs – auch durch die Billigflieger - führt zu einem unkalkulierbaren Risiko. Bei einer so großen Gefahr für Leib und Leben unserer Bevölkerung darf es keine Abwägung geben. Einem Ausbau des Flughafens kann und darf nicht stattgegeben werden. Meine Stadt Hattersheim mit ihren Stadtteilen Eddersheim und Okriftel ist in höchstem Maße von einem erhöhten Risiko im Ausbaufalle betroffen. Bei dem Supergau eines Absturzes könnte das Ticona-Werk getroffen werden. Durch die Freisetzung von giftigen Chemikalien (BF 3 - Bortrifluorid) wäre auch der in nur rund 1000 Metern entfernt liegende Stadtteil Eddersheim betroffen. Eines möchte ich in diesem Zusammenhang festhalten: Die Gefahr geht nicht von Ticona aus, sondern von den Flugzeugen. Bei der Geschäftsführung von Ticona bedanke ich mich für die transparente Informationspolitik. Von dort wird alles getan, um Schaden von der Nachbarschaft abzuhalten. Nicht auszudenken, das Flugzeug stürzt direkt auf Eddersheim mit seinen rund 5.000 Bewohnern oder ein Stück weiter auf Okriftel mit 7.500 Bewohnern. Als Bürgermeister von Hattersheim ist es meine dienstliche Pflicht, Gefahren von der Bevölkerung abzuwenden. Es ist aber auch meine moralische Pflicht als Mensch, die Region Rhein-Main vor den Gefahren eines Flughafenausbaus zu schützen. Das Risiko darf nicht auf Ticona fokussiert werden. Auch Anflüge von Osten bergen ein nicht hinnehmbares Risiko z. B. für die Bewohner von Kelsterbach, für viele tausend Personen, die sich im Fernbahnhof oder in dem geplanten Airrail- Center aufhalten. Ich verspreche Ihnen, dass die Stadt Hattersheim mit den Partnerstädten der Mainschiene Flörsheim und Hochheim sowie in Zusammenarbeit mit der Initiative Zukunft Rhein-Main alles tun wird, um den Ausbau des Flughafens zu verhindern. An dieser Stelle möchte ich Sie auch grüßen im Namen von Bürgermeister Erhard Engisch, der heute durch seinen Ersten Stadtrat Freese vertreten ist. Auch meine Kollegin, Bürgermeisterin Angelika Munck aus Hochheim, bezeugt durch ihre Anwesenheit ihre Solidarität. Die Region Rhein-Main ist viel zu schön, um sie durch Lärm und Abgase zerstören zu lassen. Die Menschen haben es auch nicht verdient, in ständiger Angst vor einem Flugzeugabsturz zu leben. Fraports Ausbaumanager Schölch (der mit der üppigen Gehaltsaufbesserung) hat in einem Interview der FAZ vom 9. Dezember 2003 sehr aufschlussreiche Aussagen von sich gegeben. Auf die Frage, ob Fraport die Ausbaupläne für die Nordwestbahn zurückziehen werde oder ob Ticona weichen müsse, wenn die Sachverständigen am Ende ein Risiko errechnen, das außerhalb des Tolerablen liegt, antwortete er: „Die Region insgesamt müsste sich dann schon Gedanken machen, ob sie ein Unternehmen mit rund 1000 Arbeitsplätzen oder die Zukunftsfähigkeit des Flughafens erhalten will." Was bildet sich Fraport eigentlich ein?! Soll denn alles weichen, was den Planungen des Flughafens entgegensteht?! Erst Ticona, dann Eddersheim, dann Kelsterbach, Raunheim usw., usw.?! Die Region Rhein-Main ist kein Fraport'sches Fürstentum. Wir lassen uns nicht aus der Region vertreiben. Wir alle werden viel Kraft und Ausdauer benötigen, um den Ausbau zu verhindern; es wird sicherlich auch Rückschläge geben. Behalten Sie aber Ihren Optimismus und Ihre Tatkraft: Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft, hat von vornherein bereits verloren.