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[14. Januar 2006]
Redebeitrag Julia Kümmel, Aktionsbündnis gegen
Abschiebungen Rhein-Main
Knapp 3 Jahre ist es jetzt her, dass eine
kleine Gruppe von Ab-schiebegegnerinnen versucht hat, am Schalter
der Lufthansa mit der Crew oder dem Piloten eines Fliegers Kontakt
aufzunehmen. Sie wollten bekannt machen, dass an Bord dieser Maschine
ein Mensch gegen seinen Willen abgeschoben werden soll. Der Flug-hafensicherheitsdienst
war schnell zur Stelle, desgleichen Beamte des Bundesgrenzschutzes
und die kleine Gruppe wurde aus dem Terminal verwiesen. Postwendend
bekamen alle eine Hausver-botsverfügung zugestellt, unter
Androhung einer Strafanzeige, sollten sie noch einmal widerrechtlich
am Flughafen angetroffen werden.
Hier in Frankfurt aber auch an anderen Flughäfen
versuchen Anti-rassistinnen immer wieder Abschiebungen in letzter
Sekunde zu verhindern, indem sie Fluggäste und Crew darüber
informieren, dass ein Mensch gegen seinen Willen oder gewaltsam
abge-schoben werden soll. Immer wieder wird versucht, gegen die
an der Abschiebemaschinerie beteiligten und gutverdienenden Flug-gesellschaften
zu protestieren und ihnen das Geschäft zu ver-miesen. Viele
Jahre dauert auch der Protest nun schon gegen das auf dem Flughafen
befindliche Internierungslager.
Einmischung ist nötig und in manchen
Fällen auch erfolgreich. Piloten können sich weigern,
die Abzuschiebenden mitzunehmen, Passagiere an Bord können
gegen die brutale Behandlung oder Fesselung von Flüchtlingen
protestieren.
Bekanntester Fall des letzten Jahres war
die versuchte Ab-schiebung von Zahra Kameli in den Iran, wo ihr
Steinigung drohte. Ein breites Bündnis hatte sich für
sie eingesetzt und am Tag der Abschiebung waren mehr als 100 Menschen
an den Flughafen gekommen, um ihre Abschiebung in letzter Sekunde
zu ver-hindern. Der mutige Pilot weigerte sich schließlich,
Zarah Kameli mitzunehmen. Zarah Kameli erhielt ein Bleiberecht.
Die meisten Protestierenden verbrachten allerdings die Nacht in
Polizeige-wahrsam.
Der Fraport Ag sind diese notwendigen Einmischungen
ein Dorn im Auge. Sie denunziert die Proteste als Störung
des Betriebsab-laufs, als Gefährdung der Sicherheit von Fluggästen
und als Ver-letzung ihres Hausrechts. Mit der Verhängung
von Hausverboten versucht sie, den Widerstand gegen Abschiebungen
zu krimi-nalisieren.
Die Fraport sieht es als Störung ihres Betriebsablaufes an,
wenn Abschiebegegnerinnen versuchen, mit Piloten oder der Crew
eines Abschiebefliegers zu sprechen. Sie sieht es Gefährdung
der Sicherheit von Passagieren, wenn im Teminal Flugblätter
verteilt werden, die Fluggäste auf Abschiebungen aufmerksam
machen sollen.
Flüchtlinge scheinen für die Fraport keine Passagiere
zu sein, deren Sicherheit durch gewaltsame Abschiebungen gefährdet
ist.
So sie sieht es auch nicht als Belästigung von Passagieren
an, wenn diese gefesselt und geknebelt in Flugzeuge getragen werden.
Sie wertet es auch nicht als Betriebsstörung, wenn auf ihrem
Gelände in den Gewahrsamszellen des BGS Flüchtlinge
gefoltert werden.
Auch nicht, wenn in den Passagiermaschinen, die vom Frankfurter
Flughafen aus starten, Flüchtlinge wie Kola Bankole und Aamir
Ageeb zu Tode kommen.
Und es stört sie auch nicht weiter, dass sich Flüchtlinge
im Internierungslager hier auf ihrem Gelände aus Verzweiflung
selbst verstümmeln, dass mache versuchen, sich umzubringen
oder wie Naimah Hadjar sich dort tatsächlich erhängen.
Die Fraport behauptet, mit all dem nichts
zu tun zu haben, sie biete lediglich Raum für staatliche
Einrichtungen und komme damit ihren staatsbürgerlichen Pflichten
nach. Sie behauptet, als Aktiengesellschaft unterliege sie nicht
der Grundrechtsbindung, brauche also auf ihrem Gelände keine
Proteste gegen Menschen-rechtsverletzungen zu dulden, könne
also einfach von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und den ihr unliebsamen
Protest ausschliessen.
Unserer Meinung nach duldet und deckt die
Fraport damit aber Menschenrechtsverletzungen auf ihrem Gelände
und versucht durch die Verhängung von Hausverboten öffentliche
Kritik un-möglich machen.
Mit diesen Hausverboten will die Fraport
unseren notwendigen Protest kriminalisieren, uns einschüchtern
und die Kosten für unsere Proteste in die Höhe treiben.
Denn hat mensch erstmal ein Hausverbot, ist es nur noch ein kleiner
Schritt bis zur Srafanzeige. Mittlerweile haben bestimmt nicht
wenige von uns, die wir heute wieder einmal vor den Toren des
Flughafens stehen, ein Haus-verbot am Frankfurter Flughafen. Mit
ihren Strafanzeigen ist die Fraport allerdings bisher nicht sehr
erfolgreich gewesen. Zum Beispiel wurden gegen 10 von uns nach
einem Protest gegen die Charterabschiebungen der LTU im Terminal
2 Strafanzeigen ge-stellt, die dann aber wegen „fehlendem
öffentlichen Verfolgungs-interesse“ eingestellt wurden.
Im hilflosen Versuch, unsere Proteste als
notorische Unruhe-stiftung zu denunzieren, behauptet die Fraport
AG, dass es uns gar nicht um Menschenrechtsverletzungen ginge.
Sie behauptet wider besseres Wissen, unser Protest habe sich noch
nie gegen die auf dem Gelände befindlichen Einrichtungen
des Bundesamts oder des BGS gerichtet. Und überhaupt, wenn
sie unsere Proteste dulde, müsse sie auch andere Proteste
dulden, wie zum Beispiel Demonstrationen von AbschiebebefürworterInnen.
Und das könne doch sicher nicht in unserem Interesse sein.
Es sind jedoch die Hausverbote der Fraport,
die nicht in unserem Interesse liegen.
Als Aktionsbündnis haben wir dagegen Klage eingereicht. Bisher
wurde vor dem Amts- und dem Landgericht Frankfurt verhandelt und
leider bekam die Fraport von beiden Instanzen Recht.
Am 20. Januar, also in 6 Tagen, wird jetzt in einer weiteren Instanz
verhandelt, und zwar vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe.
Von vielen Organisationen und Einzelpersonen haben wir bisher
Unterstützung erfahren, denn es geht ja nicht nur um einzelne
Hausverbote, es geht um die Möglichkeit, sich der Abschiebe-maschnerie
entgegenzustellen und es geht um die Umwandlung von öffentlichem
in privaten Raum, in dem die Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit
nicht mehr gelten sollen. Der Frankfurter Flughafen ist unserer
Auffassung nach ein solcher öffentlicher Raum, egal ob als
Institution mit Mehrheitsbeteiligung der öffentlichen Hand
oder als Gesellschaft in der Hand von privaten Aktionären.
Es geht letztendlich schlicht um das Recht, an den Orten an denen
Menschenrechtsverletzungen begangen werden, auch zu protestieren.
Wir fordern von der Fraport nicht nur die
Rücknahme der Haus-verbote und aller Strafanzeigen, die aufgrund
unserer notwendigen Proteste anhängig sind, sondern auch,
dass sie sich endlich ihrer Mitverantwortung bei Abschiebungen
stellt, dass sie sich deutlich von gewaltsamen Abschiebungen distanziert
und dass sie sich für eine Schließung des Internierungslagers
auf ihrem Gelände einsetzt.
Das Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit
ist höher zu bewerten als die trügerische Ruhe um das
Abschiebe-geschäft, die sich die Fraport auf ihrem Gelände
wünscht. Wir erwarten zwar, dass sich der Bundesgerichtshof
unserer Auf-fassung anschließt, wir werden aber trotzdem
wiederkommen.
Wir werden hier am Frankfurter Flughafen protestieren, solange
es notwendig ist, auch wenn der BGH nicht unserer Meinung sein
sollte.
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