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Frankfurt, 01. Dezember 2008


Flughafen Frankfurt - Eilentscheidung zum Planfeststellungsbeschluss

Sehr geehrter Herr Dr. Zysk,
sehr geehrte Damen und Herren!

Sie wollen in Kürze Ihre Entscheidung in den Eilverfahren zum Ausbau des Frankfurter Flughafens treffen. Der Flughafenbetreiber Fraport hat angekündigt, dass er von Ihnen eine für ihn positive Entscheidung erwartet und danach sofort mit den Rodungsarbeiten beginnen werde. Damit würden vor der endgültigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren irreversible Tatsachen geschaffen. Ein in Jahrhunderten gewachsener Wald lässt sich nicht "wiederherstellen". Die schon durchgeführten vorbereitenden Arbeiten haben bereits Schäden verursacht, die die Natur erst in Jahrzehnten wieder heilen kann.

Die in unserem Bündnis zusammengeschlossenen Bürger, die unter den Fluglärmteppiche und in den Abgasfahnen des Flughafens leben, können als nicht am Verfahren Beteiligte nur appellieren, ja nur bitten, die aktuelle Situation noch einmal umfassend zu bedenken. Auch wenn es formal nur um den Streit der Fraport AG und der beiden Kläger geht, wir Bürger haben wieder die Auswirkungen Ihrer Entscheidung zu tragen. Im Sinne eines auch uns gegenüber fairen Verfahrens tragen wir vor:

Eile ist unter den derzeitigen wirtschaftlichen Bedingungen nicht geboten. Die Rezession der nationalen und globalen Wirtschaft prägt auch die Entwicklung am Frankfurter Flughafen: Wachstum hat sich ins Gegenteil verkehrt, Kapazitäten sind frei geworden, die Grundlagen der Bedarfsprognose stimmen nicht mehr. Die Gesundheitsschäden für die Bevölkerung sind neu zu bewerten.
Vollendete Tatsachen dürfen nicht vor letzter rechtlicher Klarheit geschaffen werden.

Wir haben bittere Erfahrungen mit besonderer Dringlichkeit gemacht. Die Entscheidung für den Bau der A380-Werft wurde damit begründet, die Rodung genehmigt und durchgeführt. Wenige Tage später war der von den amerikanischen Streitkräften genutzte Teil des Flughafengeländes, das für diesen Zweck hervorragend geeignet war, wie erwartet frei. Auf der gerodeten Fläche wurde dann nur eine halbe Halle gebaut. Inzwischen, so der Betreiber, habe man festgestellt, man benötige die genehmigte Größe auf Jahre hinaus nicht. Für den Zweck, der die Genehmigung und die Eile rechtfertigen sollte, wird die Halle bis heute noch nicht benutzt. Die Lufthansa hat noch keinen der bestellten A380 erhalten. Nach jüngsten Ankündigungen des Herstellers soll die erste Maschine frühestens im Herbst 2010 geliefert werden. Auch andere Linien fliegen Frankfurt mit diesen Flugzeugen noch nicht an.

Nicht nur die deutsche Wirtschaft steckt derzeit in einer tiefen Krise. Der deutsche Wirtschaftsindex war letztmals vor 15 Jahren so weit unten (ZDF, 25.11.08), der internationale Index hat seinen tiefsten Stand seit 20 Jahren erreicht (Hessischer Rundfunk, 20.11.08).
Fraport selbst hat gemeldet, dass im Oktober 2008 die Passagierzahlen um 4,9 % gesunken sind und 4 % weniger Luftfracht anfiel. Die Zahl der Flugbewegungen sank um 1,6 Prozent.

Fraport-Vorstandschef Bender sagte auf seiner Pressekonferenz am 06.11.08: "Ein kontinuierliches Verkehrswachstum, wie wir es seit Jahren gewohnt waren, sehen wir im Moment für unseren Heimatstandort Frankfurt nicht."
Er beschränkt diese negative Erwartung nicht auf die Geschäftsreisen mit dem Flugzeug, sondern sieht sie auch für die Urlaubsfliegerei. Und er beschränkt sie auch nicht zeitlich. Den Rückgang erwartet er nicht nur im laufenden Jahr, sondern mindestens auch 2009. Wirtschaftswissenschaftler meinen sogar, dass es eine Erholung frühestens nach zwei Jahren geben wird. Die Bundeskanzlerin sagt inzwischen, dass 2009 "ein Jahr mit schlechten Nachrichten" werde und hofft auf eine Erholung frühestens 2010. Mit jedem Tag wird es wahrscheinlicher, dass eine Konsolidierung oder gar ein Aufschwung noch später eintreten wird.

Auch die Arbeitsplatzzahlen, die als indirekte Begründung für den Planfeststellungsbeschluss dienen, entwickeln sich nicht so wie angenommen. Die Lufthansa beklagte in einer Mitarbeiterversammlung im November, dass ein Großteil der Flüge nur noch zu 50 % ausgelastet ist, streicht deshalb im Winterflugplan 160 Flüge und reduziert das Personal. Die Umstellung einer einzigen Verbindung auf größere Maschinen führt dazu, dass sie 200 Mitarbeiter weniger beschäftigt. Bei der LH-Tochter Cityline sollen gar 2000 Stellen wegfallen.

Das im Planfeststellungsbeschluss unterstellte lineare Wachstum (nach Gutachten "intraplan" - von anderen Fachleuten in einem Konsensus-Workshop des Rhein-Main-Institut e.V. (RMI) als höchst fragwürdig bewertet), hat unter den von Fraport und Lufthansa eingeräumten Auswirkungen der aktuellen Rezession keine den Ausbau rechtfertigende Bedeutung mehr.

Auch die der Prognose zugrunde liegenden Annahmen über die Entwicklung des Ölpreises stimmen nicht mehr. Der prognostizierte Bedarf wurde auf einer Basis von 40 Dollar errechnet. Die internationale Energieagentur, die für 2030 bisher 108 Dollar erwartet hatte, sieht den Ölpreis dann bei 200 Dollar (FAZ 13.11.08, S. 21). Auch wenn der im Sommer schon in diese Nähe gestiegene Preis Ende November 2008 wieder gesunken ist, ist das nach dem Urteil aller Branchenkenner nur vorübergehend. Die Talfahrt der Weltwirtschaft war so rasant und steil nicht erwartet worden, die Förderländer konnten ihre gerade hoch gefahrene Produktion so schnell gar nicht zurücknehmen. Kosten, die bisher keine Rolle spielten, werden jetzt bedeutsam. So die vorgesehene Einbeziehung des Luftverkehrs in den Emissionshandel, gegen den sich die Branche vehement wehrt.

Selbst eine geringe Steigerung der Aufwendungen für Bodendienstleistungen hält Lufthansa-Chef Mayrhuber für nicht verkraftbar. Die von Fraport angekündigte 2-prozentige Anhebung der Flughafengebühren bedeute, dass es seine Firma gegen die Konkurrenz dann sehr schwer habe. Dabei machen die Flughafengebühren nur 4 % des Ticketpreises aus. Ein 100-Euro-Flugschein lässt sich also kaum noch verkaufen, weil er dann 100,08 € kostet! Auch der Rückgang der frei verfügbaren Anteile privater Einkommen lässt erwarten, dass weniger Geld für Urlaubsflüge ausgegeben wird als bisher.

Die verkehrliche Bedeutung der Hubs verliert durch eine andere zu beobachtende Tendenz, die Verlagerung zu Direktflügen. Wegen der Zeitersparnis, geringerer Kosten und größerer Bequemlichkeit bevorzugen vor allem Geschäftsreisende solche Verbindungen. Der Absatz der Großflugzeuge wie A380 oder Dreamliner bleibt weit hinter den Erwartungen zurück. Die Begründung, die Hubfunktion erfordere den weiteren Ausbau in Frankfurt, wird damit fragwürdig. Fraport-Chef Bender hat bei seiner Pressekonferenz Ende November erneut eingeräumt, dass die Hubfunktion gebraucht werde, um mit Interkontinentalflügen genügend zahlungskräftige und kaufwillige Kunden in die Läden auf dem Flughafen zu bekommen.
Schließlich will Fraport 2012 ja schon 85 % des Erlöses aus dem "non aviation"-Geschäft ziehen.

Nach wie vor sind die negativen Auswirkungen auf die sonstige Wirtschaft nicht untersucht, die durch Verdrängungs-, Verlagerungs- und Abwanderungseffekte eintreten, wenn der Luftverkehr weiter zunimmt. Die Gefahren einer Monostruktur hat Herr Mayrhuber gerade wieder in seiner Kritik an der Preispolitik von Fraport dargestellt: "Wenn Lufthansa einen Schnupfen hat, kriegt Fraport eine Lungenentzündung." Wie heftig sich Monostrukturen auf eine ganze Region auswirken, erleben wir in Südhessen durch die Finanzkrise, die hochbezahlte Bankarbeitsplätze in Frankfurt kostet, und die Krise des Automarktes, die einfache Arbeitsplätze bei Opel gefährdet.

Wir erinnern auch daran, dass die Bewertungen von Gesundheitsschäden durch Fluglärm, so wie sie von den Fraport-Gutachter getroffen wurden, nicht mehr dem Stand der Wissenschaft entsprechen. Die Übersichtsarbeit von Kaltenbach, Klinke und Maschke (in: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 105, Heft 31-32, 4. August 2008, S. 548-556), die im Gegensatz zu Jansen et al. aktuelle Studien auswertet, zeigt dieses zusammengefasste Ergebnis:

Fluglärmbedingte Dauerschallpegel im Wohnumfeld außerhalb von Gebäuden von 60 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) in der Nacht sind mit einer Zunahme von arterieller Hypertonie assoziiert, die bei zunehmendem Fluglärmpegel weiter ansteigt.
Die Verordnung blutdrucksenkender Medikamente ist mit einem nächtlichen Fluglärmpegel von etwa 45 dB(A) assoziiert, die ebenfalls dosisabhängig ist. Bei einem Pegel von 55 dB(A) tagsüber fühlen sich heute 25 % der Bevölkerung hochgradig belästigt. Lärmpegel ab 50 dB(A) tagsüber (außen) sind mit relevanten Lernstörungen bei Schulkindern assoziiert.

Die Arbeit stellt auch klar, dass jedes einzelne Schallereignis wirkt und dass die unhörbare Rechengröße Dauerschallpegel nicht geeignet ist, das Schadenspotenzial zu beurteilen.
Gerade auch unter dem Aspekt des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung bitten wir zu bedenken, ob tatsächlich öffentliches Interesse den Ausbau rechtfertigt. Bei einer weiteren erheblichen Zunahme des Flugverkehrs hätte eine große Zahl von Bürgern in der Rhein-Main- Region bedeutsame Beeinträchtigungen ihrer Gesundheit hinzunehmen. Dem stünden, so sie denn überhaupt eintreten, rein wirtschaftliche Vorteile gegenüber, die fast ausschließlich der Aktiengesellschaft Fraport zu Gute kämen.

Unabweisbarer sofortiger Handlungsbedarf besteht nicht, da die derzeit verfügbaren Systeme mindestens weitere 20.000 Flugbewegungen jährlich ermöglichen, für die aber in den nächsten Jahren kein Bedarf zu erwarten ist. Wegen der großen Überkapazitäten an den europäischen Umsteigeflughäfen insgesamt ist auch ein überragendes öffentliches Interesse zur Schaffung weiterer Kapazitäten in Frankfurt nicht erkennbar, das die gewaltigen Nachteile für die Region rechtfertigen könnte.

Sehr geehrte Damen und Herren, unter den geschilderten Umständen, die nur einen Teil der radikal geänderten Bedingungen beschreiben, bitten wir um eine weise Beurteilung der Frage, ob eine vorzeitige Rodung tatsächlich im wohlverstandenen öffentlichen Interesse zu erlauben ist. Wir meinen, dass auch für Frankfurt gelten muss, was das Bundesverwaltungsgericht zu Schönefeld entschieden hat: Baubeginn erst nach dem Entscheid im Hauptsacheverfahren. Die irreversiblen Schäden wären in der dicht besiedelten und bereits hoch belasteten Rhein-Main-Region noch schwerwiegender.

Mit freundlichen Grüßen

Winfried Heuser

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