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Bürgerrechte abgeholzt
Fraport lässt den Kelsterbacher Wald roden
Seit dem 20. Januar lässt Fraport den Kelsterbacher Wald für den
Ausbau des Frankfurter Flughafens roden. Zehn Hektar Wald fallen
durchschnittlich an einem Tag. Für die Rodungsmaschinen macht es
keinen Unterschied, ob sie sich durch eine Plantage oder einen "für
das Gemeinwohl unersetzlichen" - so das hessische Forstrecht -
"Bannwald" fressen. Fünf Tage zuvor hat das Verwaltungsgericht
Kassel Eilanträge gegen die Rodung abgewiesen, am 18. Januar ergaben
die hessischen Neuwahlen eine schwarz-gelbe Mehrheit. Der
Spitzenkandidat der FDP, Jörg-Uwe Hahn, ist Mitglied im Aufsichtsrat
der Fraport und hatte vor einem Jahr eine Koalition mit der SPD
kategorisch ausgeschlossen. Damit fingen die "hessischen
Verhältnisse" an. Zwischen den Jahren hatte das Regierungspräsidium
Darmstadt entschieden, Fraport "vordringliche Arbeiten" auf rund 90
genau ausgewiesenen Hektar im Kelsterbacher Wald durch eine
"vorzeitige Besitzeinweisung" zu ermöglichen, obwohl dieser Wald
noch der Stadt Kelsterbach gehört und diese gegen den Bau einer
vierten Landebahn auf Kosten von 250 Hektar Wald klagt.
Im Dezember wurde ein Schreiben der Fraport an das
Regierungspräsidium Darmstadt bekannt, in dem das Unternehmen
nachdrücklich fordert, die beantragte Besitzeinweisung mit Wirkung
vom 12. Januar 2009 zu erteilen, um "entsprechend der Absprache mit
dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof unmittelbar ab Zustellung der
Eilbeschlüsse" mit der Rodung beginnen zu können. Aufgrund dieser
"Absprachen" erfolgte Befangenheitsanträge gegen die Kassler
Verwaltungsrichter wurden abgelehnt.
Einen Tag nach Beginn der Rodung präsentieren der Kelsterbacher
Bürgermeister, Manfred Ockel, SPD, und der Fraport-Vizechef Stefan
Schulte ein "Eckpunkte-Papier": Die Stadt verkauft ihren Wald und
weitere Flächen an Fraport und zieht ihre Klagen gegen den
Flughafenausbau zurück. Dafür verspricht Fraport der Stadt ein
"Paket mit einem Finanzvolumen von über 30 Millionen Euro". Etwas
davon ist für den Lärmschutz (den Fraport sowieso zahlen muss), ein
Bach wird renaturiert, es gibt ein paar Praktikumsplätze,
Kooperationen mit Schulen und Kindergärten, "politische
Landschaftspflege". Der Bürgermeister von Kelsterbach ist gelernter
Landschaftsgärtner und seit 1998 Geschäftsführer der gemeinnützigen
GmbH Regionalpark RheinMain, die sich höflich bei ihrem Hauptsponsor
Fraport bedankt.
Nun erfordert auch in der 14.000-Einwohner-Stadt Kelsterbach eine so
weit reichende Entscheidung wie der Verkauf mehrerer hundert Hektar
Grund und der Verzicht auf Prozessrechte die Zustimmung der
kommunalen VertreterInnen. Dass diese bei der nächsten
Stadtverordnetenversammlung am 9. Februar erfolgt, haben Magistrat
und Fraport fest eingeplant. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit
scheinen alle Absprachen längst getroffen, denn Fraport rodet in
Vorwegnahme der Entscheidung seit dem 20. Januar auf der gesamten
für den Ausbau begehrten Fläche statt nur auf den oben genannten
vorzeitig Besitz eingewiesenen 90 Hektar. Zwei Wochen unklarer
Besitzverhältnisse kosten beim beobachteten Rodungstempo 100 Hektar
Wald.
Fraports Wissen um die Zukunft reicht noch weiter: Erst im Juni wird
das Verwaltungsgericht Kassel das Hauptsacheverfahren über 260
Klagen von Bürgerinnen und Bürgern, Kommunen und dem
Naturschutzverband BUND gegen die Rodung und den Ausbau eröffnen.
Bis dahin hat Fraport die Fakten bereits unumkehrbar in Beton
gegossen. Das Wald existiert nicht mehr, das Gericht wird den
Tatsachen hinterher eilen müssen.
Im Wald steht das Dorf der WaldbesetzerInnen. Seit dem 20. Januar
ist es eingezäunt, auf Veranlassung der Fraport, ausgeführt von
einem privaten Sicherheitsdienst, rund um die Uhr bewacht von der
Polizei. AusbaugegnerInnen und PressevertreterInnen erhalten
reihenweise Platzverweise. Fraport droht Klagen wegen
Hausfriedensbruch an. Die Polizei gibt Daten von AusbaugegnerInnen
an die Rechtsabteilung der Fraport weiter. Nach einer hanebüchenen
Rechtsauffassung ist der Wald eine Baustelle, die Baustelle gehört
zum Flughafen, der Flughafen gehört Fraport, also hat Fraport das
Hausrecht. De facto gibt es zu diesem Zeitpunkt eine "vorläufige
Besitzeinweisung" für einen kleineren Teil des Waldes und ein
Eckpunktepapier mit einem Vertreter der Stadt als Eigentümerin des
Waldes. In ein paar Jahren werden Gerichte wahrscheinlich
feststellen, dass diese Rechtsauffassung unhaltbar ist. Das macht
aber nichts, denn heute ist sie für eine Kahlschlag-Politik
ausgesprochen nützlich.
Der Saal, in der die Stadtverordnetenversammlung über den Verkauf
des Waldes an Fraport entscheiden wird, ist unmittelbar vorher von
einer anderen Veranstaltung belegt: Fasching der Fraport-Senioren.
Monika Lege, ROBIN WOOD 30.1.2009
Monika Lege
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