Wald bei Walldorf, 01. Februar 2009
Redebeitrag, Demonstration Wald, 01.02.2009
Ich begrüße die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hier an dieser Kundgebung. Angesichts des Kahlschlags hier, vor dem wir stehen, fehlen einem eigentlich die Worte. Das Ausmaß dieses Umweltverbrechens ist ungeheuerlich.
Aber das ist kein Grund zur Resignation.
Ich freue mich über alle, die heute hier sind um gegen die Rodung in der Nähe von Walldorf zu protestieren, denn Ihr alle zeigt, dass ihr bereit seid, weiter zu kämpfen.
Und das ist auch richtig und notwendig gerade angesichts des begonnen Kahlschlags allerorten.
Unser Zorn wächst und er wird bleiben wir werden ihn produktiv nutzen.
Unsere Anwesenheit heute ist nicht nur ein Zeichen des Protestes gegen die Rodung des Waldes, sie ist auch ein Zeichen der Solidarität mit den WaldbesetzerInnen, die seit Monaten in unserer Region sind und die seit zwei Wochen in einer Art Gefängnis leben müssen und die immer mehr von der Polizei im Auftrag von Fraport schikaniert werden. Fraport und Polizei versuchen, die Leute mürbe zu machen, und durch Kontrollen die die Bevölkerung von ihrer Unterstützung abzuschrecken.
Wir danken den Waldbesetzerinnen, dass sie sich davon nicht beeindrucken lassen, sondern weiter im Kelsterbacher Wald bleiben.
Unser Respekt und unsere Unterstützung geht auch an alle diejenigen, die in den letzten Tagen mehrmals Baumaschinen besetzt haben und die die Rodungsarbeiten hier behindern sowie an die beiden Robin Wood Aktivistinnen, die gestern auf dem Rodungsgelände kurzfristig zwei Bäume besetzt hielten.
Angesichts der Dimension des geplanten Kahlschlags konzentrieren sich zwar die Kräfte auf die 240 ha Wald, die für die Landebahn fallen sollen, aber diese Kundgebung heute wurde ausdrücklich von den anderen Bürgerinitiativen, den Waldbesetzern und deren Unterstützern begrüßt. Denn es ist ein Flughafenausbau, der hier in der ganzen Region mit seinen negativen Auswirkungen spürbar wird.
Undemokratischer Sofortvollzug
Im Juni wird voraussichtlich das Hauptverfahren beim VGH in Kassel verhandelt. Fraport will bis zu diesem Zeitpunkt den Wald bereits restlos zerstört haben. Besser kann man nicht zeigen, daß man sich einen Dreck um die Argumente der Kläger schert.
Aber der eigentliche Skandal liegt in einem Rechtssystem, das so etwas wie einen Sofortvollzug überhaupt erlaubt. Regelmäßig wird dieses Instrument benutzt, um Fakten vor dem Hauptverfahren oder weiter gehenden Instanzen zu schaffen. Hier werden eindeutig die Rechte der Bürgerinnen und Bürger gegenüber den Interessen von Konzernen beschnitten.
Und ein Konzern wie Fraport nutzt das natürlich aus, um Fakten zu schaffen. Denn welches Gericht wird angesichts einer wüsten Fläche ohne Bäume sich noch von FFH-Richtlinien beeindrucken lassen? Wenn der Wald bereits weg ist, ist auch der natürliche Lärmschutz und der Schadstofffilter weg, die ökologischen Argumente, die für den Erhalt des Waldes sprechen, sind dann bereits abgeholzt.
Walldorfer Wald
Der Flughafen frisst sich rücksichtslos immer weiter in die Landschaft hinein. Auch diese 60 ha vor denen wir hier stehen, fallen für die Profite der Fraport AG.
Die 60 Ha gehören zu den Ausbaumaßnahmen im Süden, die mit den Bannwaldabholzungen für die A-380-Halle begonnen haben.
Vor drei Jahren wurde der Bau der Werft in aller Eile gegen den Widerstand der Bevölkerung durchgedrückt, angeblich, weil man sofort die Halle für die Wartung des A-380 brauche. Auch eine Vereinbarung mit der Stadt Mörfelden-Walldorf zur Schonung des Waldes war plötzlich null und nichtig.
Bis heute aber sind die bestellten A-380-Flugzeuge nicht an die Lufthansa ausgeliefert worden. Ja mehr noch: Die Wartungshalle wurde nur halb so groß wie angekündigt gebaut. 20 Hektar Wald waren da aber schon weg. Immer noch kämpft die Stadt Mörfelden-Walldorf vor Gericht darum, wenigstens eine Lärmschutzhalle gegen die geplanten Triebwerksprobeläufe zu bekommen.
Der "gute Nachbar" Fraport hat sich einmal mehr als verlogen und nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht entpuppt.
Der Wald der da jetzt gerodet wird, ist immens wichtig als Schadstofffilter und als Lärmschutz gegen den Flughafen. Zwischen Flughafen und dem nördlichen Rand von Walldorf sind es nur wenige hundert Meter.
In direkter Nachbarschaft zu dem Gelände hat der Flughafenbetreiber in den 90er Jahren durch die Rückgabe der US-Airbase ein großes Gebiet bekommen. Anstatt mit den unverhofft erhaltenen Flächen sparsam zu wirtschaften und die Wälder am Flughafen zu schonen, plant die Fraport AG auf der ehemaligen Air-Base ein drittes Terminal und holzt die umliegenden Wälder noch zusätzlich ab, statt Rücksicht auf seine Nachbarn und die Natur zu nehmen. Im übrigen wurde dieser Teil des Ausbaus inklusive des Terminals 3 noch nicht mal im Mediationsverfahren behandelt, sondern erst kurz vor der Entscheidung des Hessischen Landtags für die Variante der Nordwest-Landebahn bekannt.
Noch im Raumordnungsverfahren wurde der Ausbau um Süden des Flughafens als nicht raumverträglich angesehen. Auf Druck des Wirtschaftsministeriums wurde das zugunsten der Fraport AG geändert. Eine willfährige Regierung ließ auch mal eben das Hessische Naturschutzgesetz ändern, um den Bannwaldstatus zu kippen.
Das alles ist nicht vergessen und wir wissen, dass keinen Grund gibt, in unserer Wachsamkeit und Protesten nachzulassen. Das zukünftige Terminal 3 muß an den ÖPNV angebunden werden. Es gibt bereits einen Vorschlag vom RMV, einen Schwenk von der S-Bahn-Linie 7 zum Terminal 3 zu bauen. Auch das würde durch den Wald nördlich von Walldorf führen und ihn weiter zerstören. Unvergessen sind auch die Pläne des früheren Bürgermeisters Brehl, eine Straße zwischen Walldorf und Cargo City Süd zu bauen, mitten durch den Wald.
Und wir wissen aus Erfahrung: Selbst wenn es noch Jahre und Jahrzehnte dauern sollte, Pläne, die einmal gemacht wurden, werden nicht einfach aufgegeben, sondern verschwinden in Schubladen und werden bei passender Gelegenheit wieder hervorgezogen.
Im Mediationsverfahren wurde ernsthaft auch die Südbahn als Erweiterungsmöglichkeit angesehen. Deshalb und weil wir in Mörfelden-Walldorf massiv in beiden Stadtteilen vom Flughafenausbau beeinträchtigt werden, müssen und werden wir auch angesichts der Verwüstungen und des Kahlschlages hier weitermachen und uns gegen die negativen Auswirkungen des Flughafens wehren.
Denn die Erfahrung hat uns eins gelehrt: Fraport ist kein guter Nachbar, Fraport verhält sich wie ein Raubritter und kann sich auf eine willfährige Justiz und auf eine Landespolitik verlassen, die allein den Interessen des Konzerns dient.
Und wir haben gesehen, was passiert, wenn eine potentielle neue Landesregierung nicht über jedes Stöckchen springt, das Fraport ihr hinhält: Sie wird abgesägt, bevor sie überhaupt angefangen hat. Die rot-grüne Koalitionsvereinbarung hat nichts anderen getan, als Fraport zu bitten, vor der Rodung wenigstens das Hauptsacheverfahren im Juni abzuwarten, mehr nicht. Aber selbst das war wohl schon zuviel.
Wir glauben nicht an ein Last-Minute-Gewissen. Es ist aber sehr wohl bekannt, dass mit Jürgen Walter einer der glühendsten Ausbaubefürworter zum Sturz von Ypislanti maßgeblich beigetragen hat. Und Dagmar Metzer ist eng mit dem Energiekonzern EON verbunden.
Die Schlussfolgerung liegt nahe, dass hier unter allen Umständen eine Energie- Unwelt- und Verkehrspolitik verhindert werden sollte, die nicht gänzlich allein den Interessen der Konzerne verpflichtet ist.
Sponsoring
Fraport ist der größte Umweltvernichter in der Region und jeder weiß das!
Da hilft es auch nicht sich ein grünes Mäntelchen umzuhängen und z.B. den Regionalpark mit einem Eisenbaum zu bestücken, der dann als traurige Karikatur eines lebendigen Baumes in einer möblierten Landschaft herumsteht.
Von soviel Heuchelei wird einem schlecht.
Da hilft auch kein Kaschieren durch Umweltpädagogik, oder naturkundliche Exkursionen, die Fraport für Schulen und Kindergärten anbietet.
Aber es ist natürlich kein Zufall, dass die Fraport AG sich mit ihrem Geld auf die Kleinsten stürzt. Da ist die Chance am größten, dass Kinder sich an die nette Fraport-Biologin erinnern und darüber vergessen nachzufragen, was denn der Konzern sonst so treibt. So zieht man sich schon im Kindesalter unkritische Konsumenten heran.
Aber wer reich ist, der ist einflussreich und kann sich Leute kaufen.
Jüngstes Beispiel ist der Verrat von Kelsterbach
Wenn es nach Bürgermeister Ockel geht, zieht Kelsterbach seine Klage gegen die Flughafenerweiterung für 12 Millionen Silberlinge zurück. Statt 18 Mio. Euro, die die Kommune im Falle einer Enteignung für ihren Wald bekäme, erhält sie nun von Fraport 30 Millionen Euro. Kelsterbach lässt die AusbaugegnerInnen im Stich und steigt aus der kommunalen Solidarität aus.
Mit dem Geld sollen auch Maßnahmen für den Lärmschutz bezahlt werden. Ein gutes Geschäft für Fraport, denn diese Kosten muß der Flughafenbetreiber nicht noch zusätzlich aufbringen.
Die Verhandlungen zu diesem Vertrag haben sicher einige Wochen gedauert. Man kann also davon ausgehen, dass Bürgermeister Ockel schon lange vor dem Gerichtsurteil zu seinem Entschluß gekommen ist, mit dem entsprechenden Druck vom Hessischen Ministerpräsidenten im Hintergrund, denn Roland Koch hat diese Verhandlungen eingefädelt.
Hier wird das Prinzip des "Teilen und Herrschen" offensichtlich. Je isolierter die einzelnen Kommunen gegen den Ausbauwahn vorgehen, desto besser für Fraport und die Landesregierung.
Außerdem will Fraport Kindergärten und Schulen in Kelsterbach finanziell unterstützen. Hier schließt sich der Kreis von einer katastrophalen Bildungspolitik in Hessen und des Abbaus von Arbeitsplätzen sowie dem Ausdünnen des Öffentlichen Sektors in den letzten Jahren durch die Hessische Landesregierung. Offensichtlich sind die Kelsterbacher Schulen so marode, dass man bei Aufgaben des Staates jetzt auf die Unterstützung der von Wirtschaftsunternehmen angewiesen scheint, Hintergedanken des Unternehmens inklusive.
Es ist gestern auf der Demo oft gesagt worden: Noch ist Zeit zur Umkehr. Wir appellieren an die Stadtverordneten von Kelsterbach der Fraport AG nicht auf den Leim zu kriechen und dem Zurückziehen der Klage und dem Verkauf des Waldes nicht zu zustimmen.
Am 9. Februar ist die entscheidende Sitzung der Stadtverordnetenversammlungen. Die Sitzung ist öffentlich. Wir rufen dazu auf, alle zu der Sitzung am 9.02.09 um 20:00 Uhr ins Fritz-Treutel-Haus, dem ehemaligen Bürgerhaus, zu kommen und deutlich zu machen, dass wir gegen den Verkauf des Kelsterbacher Waldes sind.
Arbeit
Fraport bezeichnet den Flughafen als Jobmotor. Hier bei der Sicherung des Zauns sehen wir, wie die Realität aussieht.
Die Arbeitsbedingungen der von Fraport angeheuerten Security-Mitarbeiter sind ein Skandal. Sie stehen bei Regen und Kälte stundenlang an den Zäunen. Man hat ihnen 3 Monate Beschäftigung versprochen. Sie sind seit vielen Monaten und Jahren arbeitslos, bekommen z.T. Hartz IV. Wie sie selbst sagen, werden ihnen sonst die (sowieso zu geringen Mittel) gekürzt, wenn sie diesen "Bewachungsjob" nicht machen!
Dieser Vorgang zeigt, dass unsere Kritik an den Arbeitsbedingungen beim Flughafenbetreiber voll ins Schwarze trifft. Und es ist im Interesse der Herrschenden, die Menschen mit HartzIV so unter Druck zu setzen, damit sie jeden noch so beschissenen Job annehmen müssen und uns nun hier gegenüberstehen.
In einer Welt, in der alles dem Profit und dem Standort untergeordnet wird, bleiben Ökologie, Gesundheit, Natur, Lebensqualität, Klima und nicht zuletzt die Arbeitsbedingungen auch der Flughafen-Beschäftigten auf der Strecke.
Im Namen des Wettbewerbs werden am Flughafen Gehälter gedrückt und Funktionen in Tochterfirmen ausgelagert, um Kosten (sprich: Löhne) zu sparen. Die Beschäftigten der Bodenabfertigung sollen für wesentlich weniger Geld die gleiche Arbeitsleistung erbringen. Diese Lohndrückerei ist das Ergebnis der schrankenlosen Deregulierung im Luftverkehr.
Wir wissen, ein großer Teil des Fraport-Gewinns wird mittlerweile über die Vermietung von Parkplätzen, Immobilien und Flächen für den Handel erwirtschaftet. Der Flughafen gleicht einem Einkaufs- und Kongreßzentrum mit angehängten Start- und Landebahnen.
Es geht schon längst nicht mehr nur ums Fliegen. Es geht darum, einer globalen Klasse von Touristen und vor allem Entscheidungsträgern und den viel beschworenen neuen Eliten und neuen Kreativen möglichst viel Komfort zu bieten.
Was mit der regionalen Bevölkerung geschieht oder ob hier die letzten Wälder im Rhein-Main-Gebiet zu Brennholz verarbeitet werden, ist den Globalisierungs-Fanatikern egal.
Fraport stellt eine weitere Globalisierung gar als Lösung aus der Finanz- und Wirtschaftskrise dar.
Aber die Ursache der heutigen Finanz- und Wirtschaftskrise liegt gerade in der völlig ungeregelten, auf Profitmaximierung ausgerichteten Globalisierung. Wer wie Fraport und weite Teile der Politik davor die Augen verschließt und weiter auf sozial unausgewogenes und ökologisch verheerendes Wachstum setzt, setzt Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit aufs Spiel.
4 Mrd. Euro will Fraport für den Ausbau des Flughafens ausgeben. Eine gigantische Summe, die man wesentlich sinnvoller investieren könnte: in Bildung, im sozialen Bereich, im Ausbau erneuerbarer Energien, in energietechnische Gebäudesanierung, in den ÖPNV, in lebenswerte Städte, regionales Recyceling oder regionale Ernährung. Statt dessen werden Milliarden in den klimaschädlichsten aller Verkehrsträger gesteckt.
Der Flughafen ist und bleibt eine ökologische Katastrophe und einer der Hauptbelastungsfaktoren des Rhein-Main-Gebiets. Der extreme Flugverkehr trägt auch zur globalen Klimaerwärmung einen gehörigen Anteil bei. Zusammen mit anderen Projekten wie dem Bau neuer Kohlekraftwerke oder Müllverbrennungsanlagen ist die Gesamtbelastung in der Region schon heute viel zu hoch.
Wir fordern eine Gesamtbelastungsstudie. Bis zu deren Erstellung fordern wir Moratorium für alle Infrastrukturprojekte, die Belastung weiter nach oben treiben könnten.
Die Rodung des Waldes hier und in Kelsterbach ist exemplarisch für ein Wirtschaftswachstum, das uns direkt in die Klimakatastrophe führt, als habe es Debatten um Nachhaltigkeit nie gegeben. Die sozialen, gesundheitlichen und ökologischen Kosten eines Energie verschwendenden, allein auf Profit beruhendem Wirtschaftsystems sind viel zu hoch - und Fraport und die Flughafenerweiterung sind ein Teil dieses Problems.
Die Bürgerinitiativen, die WaldbesetzerInnen, die Naturschutzverbände, viele Kommen und zahlreiche UnterstützerInnen, sie alle gehören zu den gesellschaftlichen Kräften, die sich nicht dem Ausbau-Diktat von Fraport kampflos unterwerfen, sondern auch in den kommenden Auseinandersetzungen dem Flughafenbetreiber die Stirn bieten werden.
Wir wissen, dass die Fraßport den Hals nicht voll genug bekommt und ihre Expansionspläne hier nicht halt machen werden. Und so werden wir unseren Kampf nicht aufgeben, sondern auch angesichts fallender Bäume weiter machen.
Unsere Forderungen heißen immer noch:
Kein Ausbau des Frankfurter Flughafens !
Absolutes Nachtflugverbot von 22-06 Uhr!
Verringerung der Flugbewegungen und der bestehenden Belastungen durch Fluglärm, Luftverschmutzung und Bodenverbrauch !
Petra Schmidt, BI Mörfelden-Walldorf
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