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Mainz, 22. Oktober 2011

Rede von Prof. Dr. Thomas Münzel

Liebe Anwohner des Frankfurter Flughafens und Fluglärmbetroffenen:

Der Aufforderung, im Rahmen dieser Kundgebung einen kurzen Überblick über die gesundheitlichen Auswirkungen von Fluglärm, erster Linie Herzkreislauferkrankungen, zu geben, bin ich gerne gefolgt !

Ich möchte gleich vorausschicken, dass ich als Privatperson und Kardiologe und nicht als Vertreter der Universitätsmedizin zu diesem Thema Stellung nehmen werde.

Als man die neue Landebahn geplant hat, ist man noch von der Tatsache ausgegangen, dass Fluglärm zu Belästigungen führt. Die Situation hat sich in den letzten 5 Jahren doch drastisch dahingehend geändert, dass man heute weiß, dass Fluglärm auch für die Entstehung von Herzkreislauferkrankungen und Depressionen und evtl. auch Tumorerkrankungen verantwortlich ist.

Dies ist mittlerweile auch von der Politik so akzeptiert worden. Ich verweise hier insbesondere auch auf die Aussagen unseres ehemaligen Verkehrsministers Hendrik Hering der kundtat: “Dass Fluglärm krank macht ist unstrittig” und auch auf Aussagen und Publikationen von Fluglärmexperten wie Dr. Babisch vom Umweltbundesamt in Dessau, dass die Hinweise, dass Fluglärm mehr Herzkreislauferkrankungen hervorruft, nicht mehr weg zu diskutieren sind.

Insofern ist die Politik von FRAPORT, wichtige Studien wie die Greiser Studie, die nachgewiesen hat, dass Nachtfluglärm mehr Herzkreislauferkrankungen hervorruft, in Frage zu stellen, anstatt sie ernst zu nehmen, nicht nachzuvollziehen.

Welche Form von Herzkreislauferkrankungen werden durch Fluglärm hervorgerufen?

Fluglärm führt insbesondere aufgrund von der Störung der Nachtruhe zu vermehrten Ausschüttungen von Stresshormonen. Dies wiederum führt zu einem erhöhten Herzschlag, einer Blutdrucksteigerung und zu einer Aktivierung der Blutgerinnung und somit wichtigen Risikofaktoren, die für die Entstehung von Herzinfarkt und Schlaganfall verantwortlich sind. Dies konnte in den Studien des Umweltbundesamtes aus Berlin (Greiser Studien), in Bezug auf Nachtfluglärm, in Bezug auf den Flughafen Köln Bonn, eindrucksvoll belegt und auch durch neue Studien aus der Schweiz und Dänemark bestätigt werden. Studien in denen z.T. mehrere hunderttausend Probanden analysiert wurden.

Wichtig sind Äußerungen zu diesem Thema von Herrn Jochen Flasbarth, dem Chef des Umweltbundesamtes:

„Lärm ist seiner Meinung nach das mit Abstand am meisten unterschätzte Umweltthema“ !

Und in Bezug auf den Fluglärm: „In Deutschland gibt es rund alle 30 Kilometer einen Flugplatz – damit liegen wir weltweit ganz vorne. Allein 2009 gab es über zwei Millionen Starts und Landungen. Bundesweit fühlt sich fast jeder Dritte durch Fluglärm belästigt. Wir sehen mit Sorge, dass sich dieser Trend verstärken wird. Allen Prognosen nach wird sich der Flugverkehr bis 2020 etwa verdoppeln und besonders betroffen wird das Rhein-Main-Gebiet, aufgrund des Frankfurter Flughafens, auch aufgrund der Inbetriebnahme der neuen Landebahn sein.“

Er berichtet weiter: „Ein Anstieg um 10 dB (A) nachts erhöht bei Männern das Risiko für Herzkreislauferkrankungen um 50 Prozent, bei Frauen um sogar 60 Prozent. Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit einer vom Umweltbundesamt durchgeführten Arzneimittelstudie , die höhere Medikamentenverschreibungen bei nächtlichem Fluglärm ergab. Eine große Studie im Umfeld verschiedener europäischer Flughäfen (HYENA-Studie) aus dem Jahr 2008 stellte ebenfalls fluglärmbedingte Gesundheitsrisiken fest: „Personen, die verstärkt vom Nachtfluglärm betroffen sind, weisen häufig höhere Blutdruckwerte auf, als Menschen in ruhigeren Wohngebieten.“

Die zu erwartende Zunahme der dB Zahlen über Mainz und den anliegenden Gemeinden werden uns wohl in gesundheitsgefährdende Lärmbereiche bringen.

Eine neue Studie, die Anfang diesen Jahres publiziert wurde, bestärkt weiterhin unsere Befürchtungen, dass Personen, die Verkehrslärm ausgesetzt sind, auch häufiger einen Schlaganfall bekommen. Betroffen waren in dieser Studie vor allem Menschen, die 65 Jahre oder älter sind.

Diese Studie der Dänischen Krebsgesellschaft berichtet, dass Menschen, die nachts vor ihrem Schlafzimmerfenster einen mittleren Schallpegel von 55 Dezibel oder mehr hatten, ein fast doppelt so hohes Risiko hatten, wegen Bluthochdrucks in Behandlung zu sein, wie diejenigen, bei denen der Mittelungspegel unter 50 Dezibel lag.”

Weiterhin zeigen die Ergebnisse dass pro 10 Dezibel mehr Verkehrslärm, sich die Wahrscheinlichkeit für einen Schlaganfall um 14 Prozent erhöht.

Schauten die Wissenschaftler allein auf die Personen mit einem Alter über 65 Jahren, dann betrug die tatsächliche Risikoerhöhung für einen Schlaganfall pro 10 Dezibel mehr Lärm sogar 27 Prozent.

Dies war keine kleine Studie, sondern es wurden mehr als 50.000 Probanden eingeschlossen.

Nicht zu vergessen, neben den Auswirkungen auf das Herzkreislaufsystem, sind die bereits nachgewiesenen Auswirkungen auf die intellektuelle Leistungsfähigkeit unserer Kinder. Hierzu gibt es belastbare Daten vom Flughafen in Heathrow. Hier konnte nachgewiesen werden, dass eine Schädigung der Leistungsfähigkeit schon bei 50 dB beginnt. Professor Kaltenbach aus Frankfurt hat berechnet, dass durch den Bau der neuen Landebahn 350.000 Menschen mit 55 dB und mehr belastet werden, der zu einer messbaren Beeinträchtigung geistiger Fähigkeiten von Kindern führt und damit eindeutig im roten Bereich liegt.

Und man muss in diesem Zusammenhang die Flughafenbetreiber und die Politik noch einmal daran erinnern, dass im Paragraph 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland steht, dass jeder das Recht auf körperliche Unversehrtheit hat.

Was macht uns im Hinblick auf die neue Landebahn besonders sorgen?

•  Wir sprechen hier nicht von einer moderaten Steigerung der Flugbewegungen. Die Zunahme der Flugbewegungen von mehr als 250.000 pro Jahr bis 2020 bedeuten, dass wir von einer aktuell ca. 30% Beschallung bei Ostwind in Zukunft einer 100 prozentigen Beschallung, auch durch die startende Maschinen ausgeliefert sind, wie z.B. die Gemeinden in Nierstein, Nackenheim und Ober-Olm. Bei dieser Dauerbelastung hat unser Körper überhaupt keine Phasen der Erholung mehr, ein Umstand der meiner Meinung nach deutliche negative Folgen in Bezug auf die Entwicklung von Herzkreislauferkrankungen haben wird. Des weiteren leben wir schon in einem Bereich der hohe OZONWERTE und FEINSTAUBBELASTUNGEN hat, und nun kommt noch eine exzessive Steigerung des Fluglärm hinzu. Es steht zu befürchten, dass die Kombination das Herzkreislaufrisiko exponentiell steigern wird.

In der Medizin testen wir ein Medikament vorher, bevor wir es zulassen, ob es gesundheitsgefährdend ist. Beim Fluglärm scheint es umgekehrt zu sein. Hier scheint die Regel zu sein: Machen wir mal und schauen was bei den Betroffenen für gesundheitliche Nebenwirkungen entstehen.

2) Mehrere Studien haben nachgewiesen, dass insbesondere der Nachtfluglärm zu einem erhöhten Medikamentenverbrauch von herzkreislauf-erkrankten Patienten führt. So muss der Hochdruckpatient mehr blutdrucksenkende Medikamente einnehmen und der Patient mit einer koronaren Herzerkrankung mehr Medikamente, um seine vermehrt auftretenden Herzschmerzen zu behandeln. In diesem Zusammenhang ist noch einmal zu bemerken, dass Blutdrucksteigerungen, die nachts durch Fluglärm entstehen, nicht an eine Aufwachreaktion gekoppelt sein müssen, sondern, dass der Blutdruck auch dann steigt, wenn sie beim Überfliegen weiter schlafen.

Aus Mediziner Sicht ist daher eine Zahl von 17 fixen Nachtflügen absolut inakzeptabel. Hier zählt in erster Linie das Alles- oder- Nichts- Gesetz : Eine Flugbewegung kann hierbei zu einer Störungen der kompletten Nachtruhe führen und wir hoffen, dass das Bundesverwaltungsgericht der Vorentscheidung des hessischen Verwaltungsgerichtshofs folgt.

Zudem sollte die Nachtruhe für die gesetzliche Nacht von 22 Uhr bis 6 Uhr andauern.

Aufgrund dieser Umstände ist es nicht verwunderlich, dass nach Aussagen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte insbesondere Nachtflüge geeignet sind, die Europäische Charta für Menschenrechte zu verletzen.

3) Die Weltgesundheitsorganisation WHO fordert einen besonderen Schutz von Krankenhäusern, Schulen, Seniorenheimen und Kindergärten. Hier werden Grenzwerte von 35 dB in Innenräumen und 45 dB im Außenbereich verlangt.

Was geschieht in unserer Region? Die tatsächlich erreichten dB Werte werden in kurzer Zeit deutlich höher liegen und damit die von der WHO empfohlenen Richtwerte deutlich überschreiten!

Es ist weiterhin absolut nicht nachvollziehbar, dass bei der Planung der neuen Nordwest-Landebahn nicht berücksichtigt wurde, dass in deren Verlängerung die Universitätsklinik und das katholische Klinikum liegen, Leuchttürme in der Versorgung schwerstkranker Patienten aus Mainz und ganz Rheinland-Pfalz.

Die Kliniken werden aktuell durch ca. 450 Flugzeuge / Tag überflogen, das soll nach der Prognose des Flughafens bis 2020 um weitere 450 Flugbewegungen gesteigert werden. D.h. in weniger als 1 Minuten Takt werden die Kliniken von 5 Uhr morgens bis 23 Uhr abends mit Fluglärm verlärmt , ein Zustand der absolut unerträglich ist und den die Politik nicht zulassen darf .

Interessant wird es, wenn sie in Deutschland in verschieden Ämtern nachfragen, was denn die Grenzwerte für Fluglärm im Bereich von Krankhäusern sind. Da werden sie vom Umweltbundesamt zum Bundesministerium für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, dann wieder zu Firmen im Münchner Raum und wieder zurück nach Berlin an das Umweltministerium verwiesen. Zugegeben wird, dass es hier eine Gesetzeslücke gibt und in einem Ministerium hat man mir den Rat gegeben: „Herr Münzel machen wir uns nichts vor, da werden Milliarden verdient und die Lärmgrenzwerte interessiert niemand. In der Politik kann sich niemand mit Kampf gegen den Fluglärm profilieren. Machen sie ihren Einfluss aus dem Bereich der Universitätsmedizin geltend und lassen sie nach dem TICONA Vorbild die Uniklinik abreisen und an neuer Stelle wieder aufbauen. Die hierfür erforderlichen Geldsummen sind angesichts dessen, was hier verdient wird, Peanuts.“

Dieser Gedanke sollte so rasch wie möglich wieder aufgegeben werden, und wir hoffen auf die Unterstützung unserer Landeregierung, dass sie die Lärmbelästigung der Kliniken im Sinne der Patienten niedrig halten wird.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal die Forderung von Ärzten der Kliniken der Universitätsmedizin und des katholischen Klinikums kundtun, der sich mittlerweile auch die Landesärztekammer von Rheinland Pfalz angeschlossen hat:

•  Einen sofortigen Überflugsstopp über das Gelände der Kliniken in Mainz . Es kann nicht angehen, dass schwerstkranke Patienten aus ganz Rheinland Pfalz nach Mainz zur weiteren Behandlung verlegt werden und gleichzeitig die Rahmenbedingungen zur Genesung der Patienten durch eine deutliche Zunahme des Fluglärms wieder verschlechtert werden. Die Kliniken müssen unter allen Umständen vor zusätzlicher Lärmbelastung bewahrt werden.

•  Die Einführung eines kompletten Nachtflugverbotes in der gesetzlichen Nachtzeit von 22-6 Uhr und den Schutz der Tagesrandstunden. Unsere Kinder schlafen nun mal nicht von 23 Uhr bis 5 Uhr und müssen insbesondere auch vor dem gewaltigen Lärm in den Tagesrandstunden geschützt werden !

•  Eine Gesetzesinitiative für den aktiven Schallschutz und für schonende An- und Abflugverfahren, wie den kontinuierlichen Sinkflug (CDA), der unter weitgehendem Verzicht auf Triebwerksleistung – daher leise - erfolgen kann und den Steilstart unter voller Nutzung der gesamten Triebwerksleistung auf Routen mit minimaler Lärmbelastung. Mit dem Steilstart wird die verlärmte Fläche drastisch minimiert. Mit CDA wird der Lärm unter dem Anflug um ein vielfaches reduziert – außerdem wird Treibstoff gespart. CDA wird in Heathrow mit Erfolg praktiziert um die Fluglärmbelastungen für die Bevölkerung zu reduzieren. Heathrow schafft mit diesem Verfahren auf zwei Bahnen mehr als Fraport mit dreien. Heathrow macht es nur besser. Wir dürfen uns dieses Anflugverfahren mit dem Hinweis auf damit verbundene Kapazitätseinbußen nicht mehr weg diskutieren lassen.

•  Wir fordern ein neues Fluglärmschutzgesetz das den Namen Lärmschutzgesetz auch verdient und die Menschen, nicht aber den Fluglärm schützt. Es kann nicht angehen, dass mit mathematischer Akrobatik hier die Verlärmung legitimiert wird.

•  Wir fordern eine gesetzliche Verpflichtung der Luftfahrtverkehrsindustrie, alle technischen und organisatorischen Mittel zu nutzen, um die Lärmbe-lastungen auf einen gesundheitlich unbedenklichen Wert zu reduzieren. Wenn ein Flugzeug zu laut ist, dann ist es nicht mit einer Strafe getan. Der zu lauten Airline ist das Starten und Landen in Frankfurt zu verbieten.

In der Diskussion um Stuttgart 21 ging es in erster Linie um die Verschwendung von Steuergeldern. Mit der Eröffnung der neuen Landebahn und den damit verbundenen deutlichen Reduktion der Lebensqualität geht es um eine ganz andere Dimension, nämlich um die Gesundheitsgefährdung, ein Punkt der es aus meiner Sicht nach unmöglich macht, dass die DFS oder das BAF alleinig über die Gestaltung von Flugrouten entscheidet. Hier müssen zumindest die Gesundheitsministerien der betroffenen Länder mit involviert werden !

Wie können wir die gesundheitlichen Auswirkungen von Fluglärm in unserer Region erfassen?

In Mainz haben wir die Gutenberg Gesundheitsstudie initiiert, mit dem Ziel die exakten Auswirkungen von Risikofaktoren, inklusive Lärm, auf die Gesundheit der Einwohner aus Mainz, Ingelheim und Bingen exakt zu registrieren.

Die weltweit mit größte Untersuchung läuft ja bereits seit vier Jahren und wir haben bis März 2012 15.000 Probanden eingeschlossen. Wichtig ist, dass wir bei allen Probanden Blutdruck und Herzfrequenzdaten haben und die Herzinfarkt- und Schlaganfallentstehung sowie Tumorentstehungen erfassen.

Meiner Meinung nach sollte die Gutenberg-Gesundheitsstudie, nicht nur wie geplant insgesamt 10 Jahre, sondern für immer laufen, was uns eine genaue Erfassung der Konsequenzen des Lärms allgemein für unsere Gesundheit in unserem Raum auch ermöglichen würde, und wir bitten hier die Landesregierung um Unterstützung, um, wenn man so will eine lebenslängliche Unterstützung bei der Finanzierung dieser wohl einzigartigen Studie zu ermöglichen.

Meiner Meinung nach darf die neue Landebahn nur verbunden mit strengen gesundheitspolitischen Auflagen in Betrieb genommen werden und im Falle des Nachweises einer vermehrten Entstehung von Erkrankungen muss die Politik sofort reagieren und die Zahl der Flugbewegungen und die Lärmbelastung reduzieren und, natürlich den geplanten weiteren Ausbau unterbinden.

Ich möchte mit einem Zitat des berühmten Arztes und Mikrobiologen Robert Koch schließen, dessen wissenschaftliches Lebenswerk 1905 mit dem Nobelpreis bedacht wurde, und der schon 1910 prophezeite:

„Eines Tages wird der Mensch den Lärm ebenso unerbittlich bekämpfen müssen, wie die Cholera und die Pest. “

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