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13. August 2012 Frankfurter Flughafen, Terminal 1

Neunundzwanzigste Montagsdemonstration im Terminal

Rede von Julia Kümmel

Erst mal vielen Dank für die Einladung, hier auf eurer montäglichen Flughafendemo zu sprechen.

Ich heiße Julia Kümmel und bin Mitglied des Aktionsbündnisses gegen Abschiebungen Rhein-Main, einem Zusammenschluss von antirassistischen Initiativen aus dem Rhein-Main Gebiet. Seit den 90er Jahren protestieren und demonstrieren wir schon hier am Frankfurter Flughafen und es ist für mich sehr beeindruckend, Teil einer so großen Demonstration zu sein. Annähernd so viele waren wir nur 2001 beim antirassistischen Grenzcamp und da standen wir draußen vor der Tür.

Dass eure Montagsdemonstrationen seit Inbetriebnahme der neuen Landebahn hier im Terminal des Frankfurter Flughafens stattfinden können, sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Man demonstriert nun mal an dem Ort, an dem Anlass zu Protest besteht. Für euch ist der Frankfurter Flughafen der Zerstörer eurer Lebensqualität, für uns ist er „Abschiebeflughafen Nummer eins“.

2010 wurden knapp die Hälfte aller Abschiebungen von hier aus durchgeführt, in trockenen Zahlen waren das 3098 Menschen. Konkret heißt das, ungefähr 10 Menschen werden jeden Tag – also auch heute, vielleicht gerade in diesem Moment – in Länder abgeschoben, aus denen sie aus guten Gründen geflohen sind.

Neben unseren Protesten gegen das sogenannte Flughafenverfahren, ein Asylverfahren, das sich durch seine Schnelligkeit und Rechtlosigkeit in ganz Europa einen Namen gemacht hat, gegen die unsägliche Internierung von Flüchtlingen hier auf dem Gelände des Frankfurter Flughafens und gegen die profitable Beteiligung von Fluggesellschaften am schmutzigen Geschäft der Abschiebungen, unternehmen wir auch immer wieder Versuche, Abschiebungen in letzter Sekunde zu verhindern, versuchen also, mit den Piloten oder der Crew von Abschiebefliegern in Kontakt zu treten und sie von einer bevorstehenden Abschiebung zu informieren. Oder Mitreisende über den Vorgang aufzuklären und sie zur Einmischung zu bewegen. Denn in Passagiermaschinen existiert diese Möglichkeit der Einmischung noch.

Allerdings gibt es seit einigen Jahren sogenannte Charterabschiebungen, bei denen unter Ausschluss jeglicher Öffentlichkeit ganze Gruppen von Flüchtlingen abgeschoben werden. Seit einigen Monaten werden insbesondere Roma nach Serbien und in den Kosovo mit diesen „Chartern der Schande“ abgeschoben.

Die Betreibergesellschaft des Flughafens hatte unsere Proteste schon damals nicht gern gesehen, stellte bei Anmeldungen immer dreistere Forderungen und machte immer unerfüllbarere Auflagen. Die Fraport hat es in den vergangenen Jahren auch einige Male geschafft, den Flughafen aus Angst vor unseren Demonstrationen komplett abzuriegeln und hat damit eine sehr erfolgreiche Selbstblockade betrieben. Ab etwa 2003 hatte sie sich dann darauf verlegt, unseren Protest mittels Hausverboten zu bekämpfen.

Vor mittlerweile fast 10 Jahren habe ich damals am Schalter der Lufthansa mit ein paar anderen gegen eine Abschiebung protestiert und Flugblätter an Passagiere verteilt. Die Fraport schmiss uns raus und ich hatte am anderen Tag eine Hausverbotsverfügung im Briefkasten.

Die Fraport berief sich auf ihr Hausrecht und behauptete, dass das Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit im Terminal nicht gälte, ich dürfe zwar am Flughafen noch Kaffee trinken oder in andere Länder fliegen, aber meine Meinung sagen oder gar protestieren dürfe ich auf ihrem „Marktplatz mit Landebahn“ bei Strafandrohung nicht mehr.

So bin ich denn im Namen des Aktionsbündnisses gegen Abschiebungen und stellvertretend für viele andere den langen Gang durch die gerichtlichen Instanzen gegangen.

Sich im Recht zu fühlen, ist eine Sache. Recht zu bekommen, eine andere.

Und so befanden zunächst das Amtsgericht Frankfurt, das Landesgericht und später auch der Bundesgerichtshof in Karlsruhe, das Hausverbot für zulässig und erklärten, dass die Betreibergesellschaft keiner unmittelbaren Grundrechtsbindung unterliege und sich auf ihr Hausrecht berufen könne. Sie müsse Flugblattverteilungen oder Demonstrationen nicht dulden.

8 Jahre nach Erteilen des Hausverbots wurde schließlich meine Verfassungsklage vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe öffentlich verhandelt.

Die Vertreter der Fraport und ihre Sicherheitschefs haben mit harten Bandagen gekämpft. Sie behaupteten, sie hätten noch nie Demonstrationen im Terminal erlaubt, sie beschworen den internationalen Terrorismus und dass sich Bombenattentäter unter Demonstranten mischen könnten. Sie behaupteten auch, dass schon ein einzelner Demonstrant eine unkontrollierbare Situation hervorrufen könne und Flugblattverteilen eine unzumutbare Belästigung der Passagiere sei, die ja dadurch ihren Flug verpassen könnten.

Überhaupt ginge es ihnen nur um den reibungslosen Ablauf der Passagierabfertigung. Keine Rede mehr von der „Erlebniswelt Flughafen“, von der „City in der City“, vom „Marktplatz mit Landebahn“, mit dem die Fraport sonst so gerne für ihren Flughafen wirbt.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts war schließlich eine Ohrfeige für die Betreibergesellschaft Fraport und für alle RichterInnen der vorangegangenen Instanzen. Und eine Unterrichtsstunde in angewandter Demokratie:

In unerwarteter Klarheit und mit selten schönen Sätzen befand der erste Senat das Hausverbot für unrechtmäßig und die Grundrechtsbindung der Fraport als Betreibergesellschaft des Frankfurter Flughafens für gegeben.

Mein Lieblingszitat ist:

Das Verbot des Verteilens von Flugblättern kann nicht auf den Wunsch gestützt werden, eine „Wohlfühlatmosphäre“ in einer reinen Welt des Konsums zu schaffen, die von politischen Diskussionen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen frei bleibt. Ein vom Elend der Welt unbeschwertes Gemüt des Bürgers ist kein Belang, zu dessen Schutz der Staat Grundrechtspositionen einschränken darf .

Was ursprünglich der Wunsch gewesen war, mein legitimes politisches Anliegen weiter verfolgen zu können, was Zorn über das Hausverbot gewesen war, wurde zum Kampf für eine Grundsatzentscheidung, mit dem sich viele solidarisierten, die die Privatisierung öffentlicher Räume und die damit einhergehende Außerkraftsetzung von Grundrechten nicht hinnehmen wollten.

Das, was wir als unser selbstverständliches Recht angesehen haben, nämlich an dem Ort, an dem Menschenrechtsverletzungen geschehen, auch zu protestieren und die große Öffentlichkeit dieses Tores zur Welt für unsere Anliegen zu nutzen, wurde in höchstrichterlicher Instanz anerkannt.

Wie wichtig diese Grundsatzentscheidung ist, zeigen nicht nur eure seit Monaten andauernden sehr beeindruckenden Demonstrationen hier im Terminal, auch unser Bündnis hat in letzter Zeit immer wieder Erfolge mit Interventionen bei Abschiebungen gehabt. Gerade erst letzte Woche ist es gelungen, die Abschiebung eines schwer herzkranken Flüchtlings aus Vietnam zu verhindern.

So wünsche ich euch und uns noch weiterhin viel Erfolg bei unseren Kämpfen.

Vielen Dank

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Bündnis der Bürgerinitiativen
Kein Flughafenausbau - Für ein Nachtflugverbot von 22 - 06 Uhr