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02. September 2013, Frankfurter Flughafen, Terminal 1

Siebzigste Montagsdemonstration im Terminal

Rede von Matthias von Herrmann, Parkschützer (Stuttgart)

Das Stuttgart 21-Prinzip

Bei uns in Stuttgart ist über Ihre Bürgerbewegung bekannt, dass auch Sie eine Pseudo-Schlichtung mitgemacht haben und dass das versprochene Nachtflug-Verbot danach erst nicht umgesetzt wurde. Wir wurden von Ihnen vor Herrn Wörner gewarnt, der auch in Stuttgart antreten sollte. Soweit kam es nicht, danke Frankfurt für diese Hinweise damals.

Über die Probleme rund um den Frankfurter Flughafen wissen Sie aber besser Bescheid als ich. Daher möchte ich über das Stuttgart 21-Prinzip sprechen. Sie werden bei meinen Worten sicher viele Parallelen zwischen Stuttgart 21, dem Berliner Flughafen, der Hamburger Elbphilharmonie und dem Flughafen hier in Frankfurt entdecken. Viele politische Parallelen. Es um das Prinzip, nach dem politische Entscheidungen herbeigeführt und durchgesetzt werden, die nicht dem Willen des Volkes und den Interessen der Allgemeinheit entsprechen. Wir nennen dies das Stuttgart 21-Prinzip.

Wenn Politiker nach diesem S21-Prinzip handeln, lassen sie zu, dass mächtige, im Hintergrund agierende Interessengruppen wie Tunnelbohrer und Fluggesellschaften vorhandene demokratische Strukturen missbrauchen.

 

Die Choreografie folgt immer wieder dem gleichen Muster:

•  Formale Entscheidung herbeiführen

•  Kritiker diskreditieren, einschüchtern und kriminalisieren

•  Fakten ignorieren bis hin zur Realitätsverweigerung und die Unumkehrbarkeit beschwören

•  als roter Faden durch den ganzen Prozess: es geht nie um die Vertretung öffentlicher Interessen oder um die Lösung realer Probleme

 

•  Formale Entscheidung herbeiführen

Die formal notwendigen Entscheidungen demokratischer Gremien werden unter Angabe falscher Daten, Vorspiegelung falscher Tatsachen und durch Manipulation erschlichen. Kosten werden schöngerechnet, Risiken, Probleme und Nachteile verschwiegen oder verharmlost.

Am Beispiel Stuttgart 21 veranschauliche ich Ihnen dies:

•  Alle Abstimmungen über S21 (bis hin zur Volksabstimmung) fanden unter der Prämisse enorm geschönter Kosten statt – zunächst wurde das Projekt sogar mit dem Argument beschlossen, es würden überhaupt keine Kosten auf die Allgemeinheit zukommen, der neue Bahnhof könne vollständig aus den Erlösen der Grundstücksverkäufe finanziert werden. Inzwischen bekannte Unterlagen belegen eindeutig, dass die Betreiber des Projekts jeweils zum Zeitpunkt der Abstimmung wussten, dass die wahren Kosten weit über den öffentlich bekannt gegebenen Zahlen liegen. Veröffentlicht wurden offensichtliche, unabwendbare 'Kostensteigerungen' aber jeweils erst kurz nach einer parlamentarischen Entscheidung bzw. kurz nach der Volksabstimmung.

•  Bis heute behauptet die Bahn, der geplante Tunnelbahnhof wäre leistungsfähiger als der bestehende Kopfbahnhof. Zum Teil wurde gar mit einer Verdoppelung der Leistung geworben – im Gegensatz dazu geht aus den eigentlichen Planungsunterlagen und den eingereichten Planfeststellungsunterlagen eindeutig hervor, dass der Tunnelbahnhof von Anfang an für weniger Züge ausgelegt wurde, als heute im Kopfbahnhof fahren.

•  Bei Ihnen in Frankfurt geht es nicht um Zugzahlen, sondern um Fluglärm. Aber die Methoden sind die gleichen.

Die demokratischen Gremien verkommen zur Farce, zum Schmierentheater in einer hilf- und machtlosen Scheinrealität: Es werden Entscheidungen getroffen, die mit der Realität nichts zu tun haben. Die tatsächliche Sachlage wird vor der Allgemeinheit und ihren gewählten Vertretern verborgen gehalten. Die dargebotene Scheinrealität wird durch die demokratischen Gremien bzw. die gewählten Volksvertreter aber auch nicht hinterfragt.

 

•  Kritiker diskreditieren, einschüchtern und kriminalisieren

All diejenigen, die kritische Fragen stellen, die darauf hinweisen, dass die präsentierten Zahlen unplausibel sind, dass das hochgelobte 'Zukunftsprojekt' unnötig ist und der Allgemeinheit keinen Nutzen bringt bzw. sogar schadet, all diese Kritiker werden systematisch eingeschüchtert und diskreditiert, bis hin zur Kriminalisierung:

•  Zukunftsverweigerer, Wutbürger, wohlstandsverwöhnt, weltfremd werden wir geschimpft.

•  Anzeigen und Prozesse mit zum Teil aberwitzigen Anklage werden mit großem Eifer angestrengt; besonders absurde Prozesse werden dann eingestellt (es gibt also noch nicht einmal einen Freispruch!), aber die Schlagzeile 'Kritiker vor Gericht' ist erst einmal in der Welt.

•  Und auch mit Polizeigewalt, Hausdurchsuchungen und Drohung mit Schadensersatzansprüchen sehen wir uns konfrontiert, wenn wir protestieren.

 

•  Fakten ignorieren bis hin zur Realitätsverweigerung und die Unumkehrbarkeit beschwören

Es gibt Dinge, die gibt es nur im Werbeprospekt. Die Regeln der Physik hingegen gelten im wahren Leben.

Egal wie offensichtlich, egal wieviele Fachleute Schritt für Schritt vorrechnen, dass der Werbeprospekt nicht recht hat, Politiker ignorieren diese Realität konsequent. Sie leben in einer Welt ohne Verantwortung und Konsequenzen.

•  Bereits 2008 hat der Bundesrechnungshof vorgerechnet, dass S21 mindestens 5,6 Mrd. € kosten wird – trotzdem tun Bahn und unser Finanzminister Nils Schmid ebenso wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann bis heute so, als würden die eingeplanten 4,5 Mrd. € ausreichen, um den Tunnelbahnhof zu bauen. Vor der Volksabstimmung haben alle Politiker dies immer wieder versichert – obwohl der Bundesrechnungshof längst das Gegenteil nachgewiesen hatte. Und selbst jetzt, nachdem auch die Bahn eingeräumt hat, dass wesentlich mehr Geld notwendig ist, wird die Finanzierungslücke von allen Beteiligten ignoriert.

•  Selbst die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg hat – im Auftrag des Landesverkehrsministeriums – nachgerechnet, dass der bestehende Stuttgarter Bahnhof leistungsfähiger ist als der geplante Tunnelbahnhof. Das von den Grünen geführte Verkehrsministerium hat diese Tatsache in einer Presseerklärung bestätigt – und zieht dennoch keinerlei Konsequenzen!

 

•  Keine Vertretung öffentlicher Interessen, keine Ziele, keine Lösung realer Probleme

Durch den ganzen Prozess zieht sich eine sorgfältig inszenierte und gepflegte Alternativlosigkeit: Die Interessen der Allgemeinheit werden an keiner Stelle diskutiert oder vertreten, sie sind nicht Gegenstand der Diskussion; es findet keine Meinungsbildung statt, welche Ziele erreicht werden sollen oder welche Probleme (mit welcher Dringlichkeit) zu lösen sind.

Da vollkommen unklar ist, welche Ziele mit einem Projekt erreicht werden sollen, kann es auch keine Alternativen geben. 'Welches Projekt oder welcher Weg führt uns am besten und effizientesten zum angestrebten Ziel?' Diese Frage wird von der Politik partout nicht gestellt – sobald diese Frage nämlich explizit im Raum stünde, wäre entweder klar, dass die Mehrheit der Bürger keinerlei Interesse hat, das Ziel zu erreichen, dadurch keinen Vorteil erlangt, oder dass es wesentlich günstigere Wege zum Ziel gibt.

Von solcher Politik nach dem Stuttgart 21-Prinzip haben wir die Nase voll, in Stuttgart und hier in Frankfurt. Wenn die Politiker nicht im Sinne der Bürger handeln, müssen wir Bürger den politischen Preis für solches Handeln so weit wie möglich in die Höhe treiben. Wer nach dem Prinzip Stuttgart 21 Entscheidungen durchdrückt, muss den politisch Preis zahlen. Dafür stehen jetzt Wahlen an, bei Ihnen sogar auch eine Landtagswahl.

Verlassen Sie sich nicht auf Versprechen der jetzigen Opposition, die nur gerne an die Macht kommen will. Nehmen Sie die Politiker jetzt, vor der Wahl, in die Pflicht. Wer gewählt werden will, muss vor der Wahl für das Wohl der Bürger handeln. Wer nicht handelt, der verdient auch keine Stimme und muss den politischen Preis für seine Untätigkeit zahlen.

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Bündnis der Bürgerinitiativen
Kein Flughafenausbau - Für ein Nachtflugverbot von 22 - 06 Uhr