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05. Mai 2014, Frankfurter Flughafen, Terminal 1

Achtundneunzigste Montagsdemonstration

Dr. Paul Nilges (Mainz)

Liebe Freunde, Menschen, Mitkämpferinnen und Mitkämpfer.

Zum ersten Mal war ich Ende 2011 hier am Flughafen bei dem Flashmob, den Dietrich Elsner organisierte. Danach bin ich eher mutlos nach Hause gefahren: Wir waren nur knapp 100 Menschen, die sich in dieser riesigen Halle verloren und wir waren noch sehr leise. Beides hat sich gründlich geändert: J eden Montag 18 Uhr bringen wir den Lärm retour , und nicht nur der ist wirklich sehr beeindruckend, ebenso die Konstanz, mit der wir inzwischen die Halle füllen.

Was haben wir erreicht?

Es wird viel über das „System“ diskutiert. Es sind aber auch einzelne Personen, die die Verantwortung tragen – und die zur Verantwortung gezogen werden müssen. Das System hat sich noch nicht groß geändert, die Bilfinger & Berger Landebahn ist noch nicht weg. Aber es hat sich einiges bewegt. Von bestimmten Personen gibt es Interessantes zu hören.

Herr Schulte von Fraport spricht plötzlich nicht mehr von wirtschaftlichen Sachzwängen für Terminal 3, sondern davon, dass ein schönes großes Terminal sozusagen der repräsentative Eingang für Hessen sein soll. Der Mann wird immer skurriler: Jetzt will er sich noch eine Art Triumphbogen bauen lassen….

Herr Boddenberg, der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion in Wiesbaden und einer der Scharfmacher für Fraport, stellte kürzlich fest: „Man kann einen Flughafenausbau nicht einfach anordnen“. Bravo, auch schon in der Demokratie angekommen? Den Ausbau anordnen, das klappt wohl nicht mehr.

Seit 3 Jahren bekomme ich täglich zwischen 5 und 20 Nachrichten zum Stichwort Fluglärm über GoogleNews. Waren anfangs noch Untergangsszenarios irgendwelcher Wirtschaftsweisen die Regel, finden sich heute nur noch Nachrichten über immer mehr Proteste an immer mehr Orten, von denen ich z.T. noch nie gehört habe.

Es ist unübersehbar und nicht mehr wegzudiskutieren, wie das Thema Lärm plötzlich an Bedeutung gewinnt und das Thema Wirtschaftswachstum zurückdrängt.

Es tut sich etwas in den Köpfen, Einstellungen ändern sich. Das dauert zwar, denn Einstellungen ändern sich vor allem durch eigene Erfahrungen. So ist es nur und vor allem eine Frage der Zeit, bis wir alle Vernunft annehmen.

Ich habe es an mir selbst beobachtet. Ich arbeite als Leitender Psychologe im Schmerzzentrum Mainz. Bis 2011 bin ich immer wieder mal aus beruflichen Anlässen nach Berlin, Hamburg oder Dresden geflogen. Umgekehrt flogen auch meine Kollegen zu Treffen regelmäßig nach Frankfurt, weil es scheinbar schneller ging. „Scheinbar“ – das ist mir selbst erst mit der Absenkung der Flughöhen und Öffnung der Landebahn bewusst geworden. Der Frankfurter Hauptbahnhof ist aus ganz Deutschland gut erreichbar und die Konferenzräume dort sind billiger.

Zugfahrten dauern nicht wirklich länger und sind zudem bequemer. An mir verdient Lufthansa seit 2011 keinen Cent mehr.

Unsere Klinik wird wie die anderen Mainzer Kliniken bei Ostwind in 800 bis 1000 Meter überflogen. Entspannungsverfahren sind bei dieser Wetterlage ziemlich makaber.

Typisch ist der Kommentar eines Patienten aus Rheinhessen. Anfliegende Maschinen sind an seinem Wohnort Wörrstadt höher und seltener. Nach seinem ersten Ostwindtag bei uns meinte er: „Ich dachte die ganze Zeit, die spinnen die Mainzer, wir haben doch auch Fluglärm in Wörrstadt. Aber das hier ist ja ganz anders, die Mainzer spinnen nicht, die spinnen da in Frankfurt mit ihrem Flughafen.“

Das Entsetzen der Patienten ist groß: „Da kommt ja jede Minute einer, das hört ja gar nicht auf, das ist ja nie mehr still“. Dass die Klinik mehr gegen Fluglärm tun soll, schreiben nun viele auf die Rückmeldebögen.

Fluglärm kann nur beurteilen, wer ihn mit eigenen Ohren erlebt. Unsere Patienten kommen aus dem ganzen Bundesgebiet zu uns. Sie sind deshalb nicht nur Opfer, sondern im gewissen Sinne Botschafter, die zu Hause aus eigener Erfahrung über den Irrsinn von Fraport berichten können.

Was Fluglärm so widerlich macht, wissen wir aus der Forschung sehr genau: Hohe Pfeiftöne, an und abschwellende Frequenzen und Lautstärken werden als sehr unangenehm erlebt. Häufigkeit und Dauer von Lärmereignissen haben ebenfalls einen enormen Einfluss: Alle 2-3 Stunden ein Rettungshubschrauber ist für fast alle von uns kein Problem. Auch stündliche Lärmereignisse würden kaum für eine Protestbewegung wie die unsere reichen.

Je häufiger Lärm auftritt, desto stärker ist die Belastung, auch bei niedrigen Lautstärken. Herrn Schulte wünsche ich von Herzen Nachbarn, die im Garten nebenan möglichst 18 Stunden am Tag Tischtennis spielen. Ist nicht laut, kann einen aber auch fertig machen.

Aber wenn es um Geld geht, pfeifen solche Leute auf Ruhezeiten und sinnvolle Grenzwerte: 6 Stunden Schlaf, wie verrückt muss man sein, um ernsthaft zu behaupten, das sei ausreichend. Und wie verrückt muss man sein, 18 Stunden Dauerlärm für zumutbar zu halten…..

Ob Menschen Flughäfen ablehnen oder wichtig finden, hängt schlicht und vor allem von der durchschnittlichen Lärmbelastung ab: Gute Untersuchungen beweisen, daß die Zustimmung zu Flughäfen umso größer wird je geringer der Lärm ist. Das ist nicht weiter verwunderlich. In Bad Homburg und Nordhessen finden sich vermutlich die meisten Fraportfans. Aber je lauter es wird, desto stärker wird die Ablehnung.

Menschen lehnen den verursachenden Flughafen völlig ab, die einem Dauerschall ab 55dBA ausgesetzt werden. Und das ist bei fast allen Orten um den Flughafen mittlerweile der Fall.

Noch sind die unmittelbar Leidtragenden ein kleinerer Teil der Bevölkerung. Auf diesen Effekt setzen Politiker und Geldleute: Die „Zustimmung“ zum Frankfurter Flughafen wird als Durchschnittswert der Wähler aus Nordhessen und den direkt Betroffenen berechnet. Das ist mathematischer Unsinn und ein dummer statistischer Trick.

Herr Siegloch, das eingekaufte Sprachrohr der Luftfahrtindustrie, spricht von „nur“ 6% wirklich Betroffenen. Sollen 80 Millionen Bundesbürger darüber abstimmen, welche 5 Millionen Menschen zukünftig in Einflugschneisen leben müssen - oder neben Müllkippen, oder Güterbahnhöfen?

Ich habe mich von Beginn an sehr für die wissenschaftliche Seite des Problems interessiert und war überrascht, weil ich kaum ein Forschungsgebiet kenne, bei dem die Ergebnisse so eindeutig sind wie in der Fluglärmforschung. Dauerhafte Schädigung der Sprachentwicklung bei Kindern, bei allen Altersgruppen starker Anstieg der Einnahme von Schlaf- und Beruhigungsmitteln, Zunahme von Bluthochdruck, Schlaganfällen, Herzinfarkten, Depressionen und Störungen bei Konzentration, Gedächtnis und Lernen.

Trotz enormer Geldmittel der Luftfahrtindustrie finden sich keine Studien, die nachweisen, dass Krach harmlos sei. Und man wird diesen Nachweis auch in Zukunft nicht erbringen können. Denn dass Lärm als Bedrohung empfunden wird, ist keine Kopfsache, sondern biologisch programmiert. Die Angst vor Lärm ist angeboren und nur wenig veränderbar. Gewöhnung an Lärm ist ein Trugschluss, der in vielen Fällen mit Krankheit bezahlt wird.

Zum Thema Rauchen wurden zahlreiche Auftragsstudien mit gefälschten Zahlen veröffentlicht. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis die echten Erkenntnisse zu Gesetzen wurden. Schneller geht es im Moment bei Studien zum Thema Schmerz und Medikamente. Hier wurde teilweise so dreist gelogen und wurden ungünstige Ergebnisse verheimlicht, dass die Fachgesellschaften inzwischen zunehmend auf Distanz zur Industrie gehen. Ebenso werden Politiker, Manager und vor allem Juristen die Ergebnisse der Lärmforschung nicht weiter ignorieren können. Sie werden Studien ernst nehmen müssen, bei denen für die nächsten 10 Jahre mehr als 3000 zusätzliche Tote durch den Flughafen vorhergesagt werden!

Die phantasiereichen Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung des Flughafens, zu Fluggastzahlen und zum Stichwort Jobmotor werden jährlich als harte Fakten getarnt abgeliefert. Mit der Realität verglichen kann man nur feststellen: Dreist gelogen.

Immer noch wird mit skrupellosen Tricks versucht, Lärmbelastung zu verharmlosen. Die Argumentation mit Lärmmittelwerten ist eine Beleidigung für den gesunden Menschenverstand. Mit gleichem Recht könnte man über jemanden sagen, der mit einem Bein auf einer Herdplatte und mit dem anderen in der Tiefkühltruhe steht: Dem geht's im Durchschnitt doch gut.

Herr Schulte wurde gefragt, wie es ihm denn gefallen würde, jeden Tag eine Ohrfeige zu bekommen. Gemittelt über 24 Stunden würde das weniger als einen freundlichen Klapps bedeuten. Er wusste darauf keine Antwort. Stattdessen deklarieren Leute wie er und Koch eine Stadt wie Flörsheim mit 20 000 Menschen, ja eine gesamte Region zum „Sonderopfer“ im Globalisierungswettkampf. Das ist eiskalter Zynismus und in gewisser Weise moralische Verkommenheit.

Was hilft gegen Skrupellosigkeit, was gegen Dummheit und Ignoranz?

Alleine hat man kaum Chancen. Gefährlich wird's für Politiker und Manager nur, wenn sich die Betroffenen zusammentun. Wir sind auf einem guten Weg. Mediziner, Wissenschaftler, viele kluge Menschen sind alarmiert und auf unserer Seite.

Entscheidend ist bei alledem jetzt und vor allem unsere Ausdauer. Unsere große Chance ist es, noch beharrlicher zu sein und unser Vorteil ist, dass wir immer mehr werden, nicht unbedingt im Terminal aber als gesellschaftliche Bewegung. Wir sind gut vernetzt, immer mehr Menschen haben den Unsinn längst durchschaut und immer weniger Menschen lassen sich durch Wachstumsphrasen bluffen.

Denn Wachstum ist nur phasenweise sinnvoll und kein Wert an sich. Auf einem Plakat hier im Terminal war der wunderschöne Satz des Kabarettisten Werner Schneyder zu lesen: Grenzenloses Wachstum, so blöd ist kein Baum.

Wachstum ohne Rücksicht auf umliegende Strukturen nennt man in der Medizin Krebs, und der führt sehr häufig zum Tod! Gegen Fraport helfen leider weder Medikamente noch Bestrahlungen. Der Frankfurter Flughafen ist längst kein Herzmuskel, keine Lebensader und kein Jobmotor mehr. Er ist zum monströsen Tumor angewachsen. Er bedroht nicht nur unsere Lebensqualität sondern unsere Gesundheit und unser Leben. Gemeinsam werden wir dafür sorgen, dass es der 1. Tumor sein wird, der durch Demonstrationen wieder auf eine erträgliche Größe schrumpft.


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