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21. Dezember 2015, Frankfurter Flughafen, Terminal 1

Einhundertsechzigste Montagsdemonstration

Pfarrerin Silke Alves-Christe

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter!

Wir sind weniger geworden, die Reihen haben sich gelichtet.

Wenn wir uns so umschauen unter uns, dann fehlen etliche, die doch immer dabei waren.

Viele von uns können einfach nicht mehr. Diese ständige Beeinträchtigung durch die quälenden Überflüge nimmt ihnen die Kraft, die täglichen Herausforderungen ihres Alltags zu bewältigen. Da bleibt irgendwann keine Kraft mehr übrig, sich noch weiter zu engagieren und nun schon im 5. Jahr Montag für Montag ins Terminal zu kommen und zu demonstrieren.

Niemand soll sich schämen, wenn er oder sie einfach nicht mehr kann.

Nein, wir brauchen uns unserer Schwäche nicht zu schämen.

Niemand muß ein schlechtes Gewissen haben, wenn er oder sie nun öfter mal nicht dabei sein konnte und dadurch irgendwie den Anschluß verloren hat.

Vielleicht werfen Sie Ihren Nachbarn oder Ihren Freunden, die länger nicht mehr montags dabei waren, zu Weihnachten einen lieben Gruß ein, oder schicken Sie Ihnen eine Email, dass Sie Verständnis haben, wenn die Familie, die Arbeit, wenn andere Verpflichtungen nun auch einmal Vorrang haben müssen, dass wir uns aber freuen würden, wenn Sie, so wie ihre Kräfte es zulassen, wieder an einer Montagsdemonstration teilnehmen.

Nein, niemand muß sich schämen, weil er oder sie den großen Elan nicht über Jahre auf dem gleichen hohen Niveau durchhalten kann.

Schämen sollten sich die, die uns schwach und krank machen, die uns mit ihrer Rücksichts-losigkeit, mit ständigen Überflügen bedrücken - und mit ihrer Ignoranz.

Schämen sollen sich die, die Hilfe versprochen haben und ihre Versprechen gebrochen haben. Schämen sollen sich die, denen unsere Belastung völlig egal ist, solange bei ihnen die Kasse stimmt.

Schämen sollten sich die, die insgeheim (oder auch gar nicht so geheim) darauf warten, dass wir nicht mehr können.

Eines weiß ich ganz sicher: sie werden vergeblich warten.

Ich bin sicher, dass die meisten von Ihnen, die Sie heute hier sind, den nächsten Satz, den ich für mich sage, auch so für sich sagen können:

Der Satz lautet: Selbst wenn niemand mehr kann, selbst wenn niemand mehr die Kraft hat, hierherzukommen, werde ich dennoch Montag für Montag hier auftauchen und meinem Protest gegen diese unmenschliche Qual weiter Ausdruck verleihen.


Gestern im Gottesdienst am 4. Advent haben wir in den Kirchen einen beeindruckenden Bibeltext gelesen. Das Gebet der schwangeren Maria, das wir Magnificat nennen.

Maria fühlt sich als Spielball der Mächtigen: Wegen einer Volkszählung zwecks Steuer-schätzung muß sie hochschwanger eine überaus beschwerliche Reise unternehmen.

In ihrer völlig unbedeutenden, ja ganz und gar ohnmächtigen Position ist Maria beeindruckt, ja überwältigt von dem Wissen, dass Gott ausgerechnet sie, die sie sich so schwach und klein fühlt, zu so Großem auserwählt hat. Die Worte, die Maria betet, sind nicht bei allen beliebt, denn sie sprechen von der Umkehr aller Verhältnisse durch Gott. Maria betet so:

Meine Seele erhebt den Herrn,

und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes;

denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. …

Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten

und zerstreut, die hochmütig sind in ihres Herzens Sinn.

Er stößt die Gewaltigen vom Thron

und erhebt die Niedrigen.

Die Hungrigen füllt er mit Gütern

und lässt die Reichen leer ausgehen.

So weit die Worte von Marias Gebet. Sie stehen geschrieben im ersten Kapitel des Lukasevangeliums gleich vor der Weihnachtsgeschichte.


Wir Montagsdemonstranten scheinen vergeblich auf die Umkehr der Verhältnisse zu warten, wie Maria sie in ihrem Gebet beschreibt.

Aber was haben denn die Starken, die, die wirtschaftlich und politisch das Sagen haben, wirklich Starkes zustande gebracht?

Was ist denn das für eine Stärke: die Stärke, geschützten Bannwald zu vernichten.

Ich würde mich ja so schämen für diese Stärke.

Was ist denn das für eine Stärke: die Stärke, das Weltklima nachhaltig zu verschlechtern und die Hoffnung der jetzt schon darunter leidenden Menschen zunichte zu machen.

Ich würde mich so dafür schämen, einer der Hauptverursacher der Klimaerwärmung zu sein und darin unbeirrt fortzufahren.

Was ist denn das für eine Stärke: Die Stärke, Kinder aus dem Schlaf zu reißen und sie dann auch noch im Lesenlernen zu behindern. Ich würde mich ja so schämen, Kindern so etwas anzutun.

Was ist denn das für eine Stärke: In Kauf zu nehmen, dass Menschen an Depressionen erkranken. Ich würde mich ja so schämen, daran schuld zu sein, dass Menschen an einer so quälenden Krankheit leiden.

Ich weiß nicht, ob Sie meine Einschätzung teilen, aber ich glaube, dass es unter den Mächtigen, die für den Flughafenausbau verantwortlich sind, durchaus einige gibt, die erkannt haben, dass sie mit dem Bau der Nordwestlandebahn eine Fehlentscheidung getroffen haben und sich nun schämen, diesen Fehler zuzugeben. Dabei wäre genau das eine beeindruckende Stärke: einen Fehler zuzugeben und zu korrigieren.

Auf diese Stärke warten wir bei den Mächtigen und Starken offenbar vergeblich.

Unter uns hier, die wir vielleicht schwächer werden und die wir uns oft sehr schwach und klein vorkommen, beobachte ich eine beeindruckende Stärke.

Denn es kommt nicht auf die Zahl an, sondern auf die Wahrheit, die wir vertreten, für die wir einstehen.

Wir haben etwas aufgedeckt, was falsch läuft in unserer Gesellschaft.

Wir stehen Montag für Montag dafür ein, dass die Gesundheit und die Freiheit von Menschen nicht dem Profit geopfert werden dürfen.

Wir stehen Montag für Montag dafür ein, dass die Zukunft - von Familien, von Städten und Dörfern, von Natur, von Erholungsgebieten und vielem mehr nicht weiter zerstört werden darf.

Wir haben eine gesellschaftliche Diskussion in Gang gesetzt. Wir haben das Thema Lärmbelastung auf die Tagesordnung gesetzt, und wenn es auch immer wieder vertagt wird,

so wird es doch ein Thema bleiben in unserer Gesellschaft.

In unserer vermeintlichen Schwäche wirken wir eindrucksvoll und vorbildlich auf Initiativen in anderen Städten und anderen Ländern.

Stolz ist nicht so ganz meine Sache, aber dankbar bin ich jedem und jeder einzelnen von Ihnen für Ihre beeindruckende Kraft, für Ihre originellen Ideen, für Ihre enorme Ausdauer und Ihren Fleiß, für den Mut, sich nicht unterkriegen zu lassen.

Weihnachten ist die Botschaft, dass gerade aus dem Schwachen und Unscheinbaren eine ganz große Kraft ausgeht. In diesem Sinn wünsche ich Ihnen allen, dass Sie fröhlich und zuversichtlich Weihnachten feiern können. Und ich wünsche uns allen, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft ein Weihnachten feiern können, an dem wir das Lied ‚Stille Nacht, heilige Nacht‘ wieder aus ganzem Herzen singen können, weil die fehlgeplante Landebahn einer sinnvolleren Nutzung übergeben wurde.

Vielen Dank!

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Bündnis der Bürgerinitiativen
Kein Flughafenausbau - Für ein Nachtflugverbot von 22 - 06 Uhr