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23. Oktober 2017, Frankfurter Flughafen, Terminal 1

Zweihundertvierundzwanzigste Montagsdemonstration

Hans Schinke aus Offenbach

Guten Abend liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

zum 6. Jahrestag der Eröffnung der neuen Landebahn möchte ich mich heute mit einer einzigen Frage beschäftigen: "Welche politischen Lehren ergeben sich für uns Bürger aus dem Großprojekt Flughafen?" Was gäbe es da nicht alles zu sagen, zu diskutieren und zu bewerten, was uns bewegt, was uns empört, aber auch, was uns ratlos zurückgelassen hat? Aus Zeitgründen muss ich mich notgedrungen auf einige wenige Punkte beschränken.

1. Lehre: Das Grundgesetz ist nicht mehr auf der Höhe der Zeit.
Nach Art. 20 GG wird die Staatsgewalt vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Bei dieser Aufzählung der Organe der Machtausübung fehlt zum einen die mächtige Ministerialbürokratie, die unsichtbar hinter den Kulissen, sozusagen ‚back stage', die Fäden zieht. Es fehlen zum anderen die Verbände aus Wirtschaft und Verwaltung, die als Lobbyisten so mächtig auf die politische Willensbildung und die Ausübung der Staatsgewalt einwirken, dass manche bereits von ‚Verbändedemokratie' sprechen. Und es fehlen nicht zuletzt die großen Aktiengesellschaften, Konzerne und Finanzinstitute, die allein aufgrund ihrer schieren Größe politische Macht besitzen oder Druck auf die Politik ausüben, indem sie – wie Fraportchef Schulte bei einem Pressetermin am 16. Mai 2014 - behaupten: "Der Flughafen ist damit systemrelevant für den Wirtschaftsstandort Deutschland." Keiner, keiner hat diese Arroganz und Selbstüberheblichkeit schärfer und treffender kritisiert als Dr. Wolfgang Kappus, der in unserer Stadt immer noch hoch angesehene Ex-Präsidenten der IHK Offenbach, in seiner weitsichtigen Rede vom 12. August 2001: "Die Fraport AG ist im Gegensatz zu dem Eindruck, den sie erwecken will, kein Mäzen und kein Wohltäter der Region, der wie eine gute Fee Arbeitsplätze und Verkehrskomfort stiftet. Die Fraport AG ist ein mächtiges Wirtschaftsunternehmen, das sich mit Hilfe seiner monopolistischen Marktposition und seiner speziellen Eigentumsverhältnisse über das Interesse der Allgemeinheit oder zumindest beachtlicher Minderheiten hinwegsetzen möchte und zwar aus egoistischen und individualwirtschaftlichen Gründen. Die Bevorzugung des Giganten Fraport gegenüber anderen Wirtschaftsunternehmen ärgert mich als Mittelständler ganz besonders. Ich habe mich immer als Repräsentant mittelständischer Unternehmen verstanden, die den größten Teil der Arbeitsplätze in dieser Region schaffen. Diese Situation ist ungerecht. Die Bevorzugung der Großen ist ungerecht und skandalös und einfach nur durch die unheilige Allianz von wirtschaftlicher Macht und politischem Opportunismus zu erklären!!!"
Besser kann man es eigentlich nicht sagen.

2. Lehre: Die Politik ist mit dem Großprojekt Flughafen überfordert.
Als politischer Steigbügelhalter hat die Hessische Landesregierung zunächst unter Roland Koch, danach mit Volker Bouffier an der Spitze und der FDP an der Seite den Ausbau des Frankfurter Flughafens massiv unterstützt. Weil sie jedoch keine eigene Kompetenz aufgebaut hat, war und ist die Hessische Landesregierung bei der Steuerung und Kontrolle dieses Großprojekts der Fraport AG völlig ausgeliefert und hat damit als größter Anteilseigner kläglich versagt!!! Hier einige Beispiele für die Überforderung und das Versagen der Politik:

1. Der hessische Wirtschaftsminister Dieter Posch, FDP, selbst gab nach Eröffnung der neuen Landebahn am 21. Oktober 2012 seine Ahnungslosigkeit und Fehleinschätzung mit den Worten zu Protokoll: "Die Höhe der zusätzlichen Lärmbelastung, aber auch die Reaktionen der Bürger haben uns in dieser Intensität überrascht." Das Gleiche gilt für die Hessische Landesregierung, die am 29. Februar 2012 mit heißer Nadel die "Allianz für Lärmschutz 2012" mit einem Bündel aus 19 aktiven und passiven Schallschutzmaßnahmen strickt, weil sie völlig verkannt hatte, dass mit der neuen Landbahn in der Region zusätzlich Hunderttausende neu durch Fluglärm belastet würden.

2. Für das Großvorhaben Flughafen hat die Politik weder ein wirksames Projektcontrolling noch eine echte Erfolgskontrolle auf die Beine gestellt. Nach dem medienwirksamen Spatenstich hat die Politik ganz offenkundig kein gesteigertes Interesse mehr daran, ob die zur Ausbauentscheidung führenden Gründe noch gelten und ob die vormals verkündeten Ziele auch tatsächlich erreicht werden. Das erst ermöglicht den Politikern beim weiteren Fortgang des Projekts überraschende Kehrtwendungen nach dem Motto: "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?".

3. Nach dem Deutschen Corporate Governance-Kodex stimmt der Vorstand die strategische Ausrichtung des Unternehmens mit dem Aufsichtsrat ab. Weil aber die Hessische Landesregierung mit Ministerpräsident Volker Bouffier an der Spitze zur strategischen Ausrichtung des Unternehmens keinerlei eigene Vorstellungen entwickelt, ist sie dem Fraport-Vorstand auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Der Herr macht sich hier zum Knecht. Das ist ein eklatantes und blamables Versagen des größten Einzeleigentümers und ein völlig verantwortungsloser Umgang mit öffentlichem Eigentum!!!

3. Lehre: Auch die Justiz ist mit Großprojekten häufig überfordert.
Eine besondere Rolle bei Großprojekten spielen die Gerichte. Auch für die Gerichte ist die Informationsflut ein Problem. Komplexe Vorhaben wie Flughafenausbauten stellen Richter vor enorme Schwierigkeiten. Auffällig bei solchen Großprojekten ist, dass die Richter in den meisten Fällen kein Interesse an einer Aufklärung der Sachlage und an einer Vertiefung in die Fakten haben.
Das oberste Verwaltungsgericht Hessen, der VGH in Kassel, hat sich bei seinen Entscheidungen im Flughafenausbau eine Fülle von Fachgutachten vorlegen lassen, deren Durchdringung praktisch keinem Laien möglich ist, hat aber in keinem einzigen Fall die Möglichkeit genutzt, Unterstützung von gerichtsbestellten Obergutachtern zu erhalten. Man fragt sich: Haben die Richter die vielen Gutachten ganz alleine durchgearbeitet und am Ende auch verstanden?
Die Gerichte negieren die Pflicht zur Beschaffung und Analyse von Fakten. Ja, man kann sagen, die Richter versuchen gar nicht erst, sich in die schwierige Materie einzuarbeiten und sich ein konkretes Bild von den Fakten zu machen. Wie aber handeln sie dann? Auf welcher Grundlage sprechen sie ihre Urteile? Als Methode der Richter schält sich heraus, dass sie nach Spielräumen suchen, die sie durch "eigenes Ermessen" ausfüllen dürfen. Ein weiterer Spielraum ergibt sich dadurch, dass nirgends festgelegt ist, wie tief durchdacht dieses "eigene Ermessen" eigentlich sein muss. Dafür gibt es keine festen Regeln. Reicht die Anwendung des gesunden, aber laienhaften Menschenverstandes aus? Oder muss sich der Richter in die Fakten und Methoden der Spezialisten einarbeiten? Da dies nicht geklärt ist, nutzen die Richter häufig ihren Spielraum, um im Sinne der politischen Vorgaben ihrer jeweiligen Landesregierungen zu entscheiden. Auch Richter sind nur Menschen und wollen eines Tages befördert werden.

4. Lehre: Nicht zuletzt sind die Bürger bei Großprojekten überfordert.
Die Feststellung von Prof. Thießen, dass die Bürger bei Großprojekten erst dann und damit meist zu spät reagierten, wenn sie persönlich betroffen sind, ist sicherlich richtig. Wer kann sich aber auch schon konkret vorstellen, was Fluglärm für ihn persönlich bedeutet, solange er keinen hat?
Die Bürger bleiben aber nicht nur stumm, weil sie zu spät reagieren. Die Bürger verstummen resignativ auch deshalb, weil sie in den Anhörungen zu Planfeststellungsverfahren und bei Gericht einer fachlich hochgerüsteten, gut vernetzten und bestens organisierten Phalanx von Experten, Rechtsanwälten und Gutachtern ohnmächtig gegenüber stehen!!!
Wegen dieser Waffenungleichheit sind die Bürger zudem zu Recht zornig und empört, wenn der Staat seine Bürger bei komplexen Infrastrukturprojekten im Regen stehen lässt, dann aber später behauptet, das ganze Verfahren sei fair und rechtsstaatlich abgelaufen und somit demokratisch legitimiert!!!
Und: Die Bürger resignieren nicht zuletzt auch deshalb weil sie nicht verstehen, dass ein Planfeststellungsbeschluss selbst dann noch rechtskräftig bleibt, wenn sich die ihm zugrunde liegenden Prognosen im Nachhinein als falsch herausstellen!!!

Sie sehen, es gäbe beim Thema Großprojekte und Bürgerbeteiligung viel zu ändern. Ich persönlich stelle hierzu heute Abend vier konkrete Forderungen an den Gesetzgeber:

1. Wir brauchen endlich ein Bürgerbeteiligungsgesetz
Rechtsfähige Dachverbände, in denen sich die Bürger mit ihren Initiativen organisiert haben, müssen gegenüber dem Staat einen Rechtsanspruch erhalten, dass sie bei Großprojekten und Planfeststellungsverfahren durch einschlägig qualifizierte Anwälte und Sachverständige beraten und bei nachfolgend sich ergebenden Rechtstreitigkeiten vor Gericht vertreten werden. Die Kosten hierfür trägt der Staat. Erst dann wird bei Infrastrukturprojekten nicht nur in der Theorie, sondern endlich auch in der Praxis Waffengleichheit hergestellt. Nähere Einzelheiten sind durch ein Bürgerbeteiligungsgesetz auf Bundesebene zu regeln, nachdem die letzte Initiative der SPD-Bundestagsfraktion im März 2013 mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt wurde.

2. Bei Großprojekten brauchen wir ein systematisches Projektcontrolling.
Die Überforderung von Staat, Gerichten und Bürgern bei Großprojekten, aber vor allem die verbleibenden Restrisiken schreien geradezu nach einem gesetzlich vorgeschriebenen, neutralen, systematischen, zeitnahen und transparenten Projektcontrolling. Hierzu gehört eine regelmäßige, öffentliche und vor allem unabhängige Berichterstattung über den Fortgang des Projekts, über Soll-Ist-Abweichungen sowie über Fehleinschätzungen bei wirtschaftlichen, gesundheitlichen oder ökologischen Risiken und Prognosen. Gerade wer sich im Nebel bewegt, muss zwischendurch regelmäßig und systematisch überprüfen, ob er sich noch auf sicherem Grund befindet. Dass die Politik Großprojekte mit gravierenden gesellschaftlichen Auswirkungen zunächst aufs Gleis schiebt und später die Bürger mit den Folgen im Regen stehen lässt, das widerspricht nach meiner Überzeugung demokratischen Grundprinzipien zutiefst!!!

3. Planfeststellungsbeschlüsse müssen korrigierbar sein
Auf der einen Seite hat der Investor oder der Vorhabensträger ein berechtigtes Interesse an einem rechtssicheren Planfeststellungsbeschluss. Schließlich trägt er ein erhebliches wirtschaftliches Risiko, falls z. B. die Prognosen über die Entwicklung des Luftverkehrs, des Passagieraufkommens oder der Flugbewegungszahlen nicht eintreffen. Auf der anderen Seite ist den Bürgern nicht zu vermitteln, dass ein Planfeststellungsbeschluss in Stein gemeißelt bleibt selbst dann, wenn sich z. B. die Beschäftigtenzahlen, das Wirbelschleppenrisiko oder die Lärmbelastung gravierend anders entwickeln als prognostiziert. Wenn z. B. die Hessische Landesregierung am 29. Februar 2012 zur Erkenntnis gelangt, dass es bei damals 490 000 Flugbewegungen bereits zu laut in der Region rund um den Flughafen ist und es folglich leiser werden müsse, dann muss sie konsequenterweise durch eine Änderung oder Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses auch dafür sorgen, dass der weitere Ausbau - durch welche Maßnahmen auch immer - belastungsneutral erfolgt.!!! Planfeststellungsbeschlüsse bei Großprojekten zeichnen sich ja gerade dadurch aus, dass ihre Ergebnisse und Auswirkungen risikobehaftet sind. Genau deshalb müssen sie auch korrigierbar sein. Der Gesetzgeber ist gefordert, hier die nötigen gesetzlichen Grundlagen zu schaffen.

4. Investoren oder Vorhabensträger müssen in Zukunft für falsche Zusagen haften
Im März 2011 hatte Fraportchef Schulte öffentlich zugesagt, dass dank der dann vorhandenen Kapazität im Jahre 2015 95.000 Beschäftigte am Flughafen arbeiten werden, also nicht nur bei Fraport, sondern alles zusammen gezählt, was im, am und um den Flughafen herum Beine hat. Derartige Jobzusagen müssen zukünftig vertraglich fixiert werden. Wenn es später aber nicht 95.000 Jobs werden, sondern nur 80.000, dann haftet die Fraport AG künftig für derartige Vertragsverletzung und ist zu Schadenersatz verpflichtet. Schließlich entgehen dem Staat für die nicht geschaffenen 15.000 Jobs Jahr für Jahr Einkommensteuern und Sozialversicherungsbeiträge in Millionenhöhe, dem Staat, der ja die Kosten für ausbaubezogene Infrastrukturmaßnahmen trägt. Näheres regelt auch hier das Gesetz. Wenn bei Vertragsverletzungen Regress drohte, dann würde sich die Fraport AG mit Ankündigungen in Zukunft ganz stark zurückhalten und nicht versuchen, Öffentlichkeit und Politik mit unverbindlichen Versprechungen und fallwindartigen Prognosen ständig unter Druck zu setzen!!!

Schließen möchte ich mit einem Zitat unseres langjährigen Mitstreiters Ferdi Breidenbach:

"Das Recht ist also kein Partner der Bürger. Ihre eigentliche Macht ist nur noch der politische Protest. Dieser Protest ist aber auch nur dann wirksam, wenn seine Stärke politischen Parteien oder amtierenden Regierungen Nachteile, sprich Stimmenverluste, verschafft. Proteste, die diese Kraft nicht haben, werden von der Politik ignoriert."

Das ist und bleibt unser Auftrag.


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