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29. Januar 2017, Frankfurter Flughafen, Terminal 1

Zweihundertfünfunddreißigste Montagsdemonstration

Hans Schinke (Offenbach)

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

ich spreche heute Abend zum "Airport Kassel – ein Flughafen auf dem Prüfstand". In ihrem Koalitionsvertrag hatte Schwarz-Grün vereinbart, den Flughafen 2017 auf den Prüfstand zu stellen. Die Ergebnisse dieser Evaluierung wurden am 21. Dezember fristgemäß vorgestellt, gingen allerdings im allgemeinen Weihnachtstrubel – mit Absicht? – völlig unter. Jetzt aber zunächst einmal die Fakten, die zwischen den verschiedenen Parteien im Prinzip unstrittig sind. Heftig umstritten sind allerdings die Schlussfolgerungen.

1. Airport Kassel – der Faktencheck
Im April 2013 wird der Flughafen Kassel-Calden eröffnet. Durch den Umbau ist er vom einfachen Verkehrslandeplatz zum Regionalflughafen aufgestiegen. Ab 2015 heißt er Kassel Airport.
Mitglieder im Aufsichtsrat der Flughafen GmbH Kassel sind u. a. ein Landrat, ein Oberbürgermeister, ein Bürgermeister, ein Staatsekretär. Vorsitzender des Aufsichtsrats ist der Hessische Finanzminister Dr. Thomas Schäfer. Das konnte ja nicht gut gehen.

An der Betreibergesellschaft halten das Land 68%, Stadt und Landkreis Kassel je 13% und die Gemeinde Calden 6%. Private Anteilseigner, die dann auch das Risiko mit zu tragen hätten, gibt es interessanterweise nicht.
Ende Mai 2016 geht das federführende Hessische Finanzministerium von 282 Mio. Euro Endausbaukosten aus. Der ursprüngliche Ansatz lag bei 151 Mio. Euro.

In Privatunternehmen dienen Investitionen in der Regel in erster Linie der Effizienzsteigerung und der Ergebnisverbesserung. Beim Kassel Airport ist das genaue Gegenteil der Fall. Nach meiner Berechnung addieren sich die Verluste zum Stand 31.12.2017 auf inzwischen rund 33 Mio. Euro. Die Verluste sind von den Gesellschaftern entsprechend ihren Anteilen zu übernehmen.
Zu diesen aufgelaufenen Verlusten von 33 Mio. Euro kommen noch einmal ca. 19 Mio. Euro für hoheitliche Aufgaben am Flughafen hinzu. Sie werden überwiegend vom Land Hessen getragen.

Addiert man jetzt die Baukosten von 282 Mio. Euro, die aufgelaufenen Defizite von 33 Mio. Euro und die Kosten für hoheitliche Aufgaben zusammen, dann ergibt sich ein Betrag von 334 Mio. Euro, den Kassel Airport bislang gekostet hat.

Passagiere in 2015: 65.000 gegenüber 561.000, die die Münchener Intraplan Consult GmbH im Jahre 2005 für das Jahr 2015 prognostiziert hatte. Die Fehlprognosen von Intraplan Consult beim Flughafen Frankfurt sind ja hinlänglich bekannt.
Flugbewegungen in 2016: 25.500. Prognostiziert sind für 2020 44.100. In fünf Jahren müssten die Flugbewegungen also noch einmal um 72% zulegen.

Ich verlasse jetzt den Bereich der Fakten und komme zum Evaluationsbericht.

2. Der Evaluationsbericht Dezember 2017
Im schwarz-grünen Koalitionsvertrag wurde vereinbart, dass im Jahr 2017 die Entwicklung des Flughafens seit seiner Inbetriebnahme umfassend auf den Prüfstand gestellt wird. Dabei sollte nicht nur die Erreichung der vorgenannten Ziele zur Reduzierung des Defizits, sondern die dann absehbare Entwicklungsperspektive des Flughafens kritisch überprüft werden. Sollte diese Evaluierung nicht zu einem positiven Ergebnis kommen, wird ausdrücklich keine mögliche Maßnahme ausgeschlossen.

Der Hessische Finanzminister Dr. Thomas Schäfer ist gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafen GmbH Kassel. Der Herr Minister hat den Flughafen immer für ein grundsolides und hervorragend administriertes Projekt gehalten, das am Ende auch dauerhaft wirtschaftlich betrieben werden kann? Konnte da die Überprüfung jemals ergebnisoffen sein? Völlig undenkbar, denn kein Frosch legt seinen eigenen Sumpf trocken!!!

Zu welchen Ergebnissen kam folglich die Evaluierung? Bitte beachten Sie, dass ich hier nur wiedergebe, was die beiden zuständigen Minister Schäfer und Al-Wazir zu dem Bericht der beauftragten externen Experten gesagt haben.

1. "Über die Grundsatzentscheidung für den Flughafenausbau und die damit verbundenen Kosten waren und bleiben die Koalitionspartner unterschiedlicher Auffassung."

2. "Die Sparvorgaben des Koalitionsvertrags haben dazu geführt, dass die jährlich vom Land zu tragenden Kosten für den Flughafen in den vergangenen Jahren deutlich gesenkt werden konnten." (Vergleichsjahr 2014!).

3. "Die Sicht ausschließlich auf das Defizit des Flughafens ist nicht sachgerecht. Kassel Airport ist ein Infrastrukturangebot an die Region. Er sichert und schafft Arbeitsplätze und sorgt für Steuereinnahmen in beträchtlicher Höhe." "Für das Land rechnet sich der Flughafen jedoch. Die Steuereinnahmen übersteigen die Ausgaben des Landes für den Flughafen, sagt uns ein Gutachter", so Finanzminister Schäfer (s. Anlage).

4. "Mit Schauinsland und Sundair hat der Flughafen bereits wichtige Partner für Wachstum gefunden." (Incentives?)

5. "Eine Rückstufung auf den Stand vor dem Ausbau würde die Kosten des Betriebs für das Land zwar kurzfristig senken, den Flughafen in seiner Entwicklung aber nicht mehr zukunftsfähig machen, Arbeitsplätze kosten und erhebliche Risiken und auch nennenswerte Einmalkosten für das Land mit sich bringen."

6. Und jetzt kommt's: "Das jetzt erreichte Niveau an Flugbewegungen und Passagieren muss mindestens gehalten werden. Eine Steigerung (sic!) der Belastung der hessischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler soll es langfristig nicht geben."!!!!

Ergebnis unter dem Strich: Airport Kassel bliebt Regionalflughafen und wird nicht wieder zum einfachen Verkehrslandeplatz heruntergestuft. Da sind die Franzosen klüger. Der seit 45 Jahren heftig umstrittene Regionalflughafen in Notre-Dame-des-Landes wird nicht gebaut. Chapeau!!!

In der Debatte am 14. Dezember im Hessischen Landtag werfen SPD und FDP, die schon immer für den Ausbau waren, Verkehrsminister Al-Wazir unisono vor, er habe sich nicht nur nicht entschieden genug für den Flughafen eingesetzt, sondern mit dem Damoklesschwert von der Evaluierung seine Entwicklung sogar noch massiv behindert und potentielle Investoren abgeschreckt.

Auffällig hingegen der Seitenwechsel bei Bündnis90/Die Grünen. Im Regierungsprogramm 2014 – 2019 zum Kassel Airport hieß es noch: "Mit uns wird es keine dauerhafte Defizitfinanzierung durch das Land geben; wir wollen nicht noch mehr Steuergeld hierfür aus dem Fenster werfen."
Und was sagt jetzt Verkehrsminister Al-Wazir? "Ich habe den Ausbau des Flughafens nicht gewollt und halte die Entscheidung bis heute für falsch. …. Durch unsere strengen Einsparvorgaben ist es gelungen, die jährlichen Betriebskosten deutlich zu senken, so dass eine Rückstufung zum Verkehrslandeplatz nur noch vergleichsweise geringe zusätzliche Einsparungen für den Landeshaushalt bringen würde. Unterm Strich halten wir daher den Weiterbetrieb als Flughafen für vertretbar." Das ist Dialektik vom Feinsten. "Ich bin jetzt dafür, weil ich immer schon dagegen war." Das muss man erst mal nachmachen!!!

Das Drama geht also weiter. Weil man schon nun mal so viel Geld verpulvert hat, muss der todkranke Patient auf Teufel komm raus für unabsehbare Zeit weiterhin durch Steuerspritzen künstlich am Leben gehalten werden, Gelder, die für zukunftsorientierte Bildungs-, Forschungs- und wirklich nachhaltige Infrastrukturinvestitionen an anderer Stelle fehlen.

An keiner einzigen Stelle, an keiner einzigen Stelle konnte der Evaluierungsbericht aufzeigen, warum, wo und vor allen Dingen wann es für den Flughafen einen echten Bedarf und damit eine tragfähige wirtschaftliche Perspektive gibt. Es gilt daher weiterhin die Einschätzung von Condor-Chef Ralf Teckentrup vom 05. März 2013: "Calden halte ich für eine komplette Fehlinvestition. Ich kenne keinen deutschen Regionalflughafen, der eine prosperierende Zukunftsperspektive hat. Warum sollte das in Kassel anders sein?"
3. Das Märchen von den Brüdern Grimm
Damit Sie den Evaluationsbericht besser verstehen, erzähle ich Ihnen jetzt zum Abschluss ein kleines Märchen.

Einst lebten in Kassel zwei berühmte Männer, die sich um die deutsche Sprache und um die Sammlung alter Märchen große Verdienste erworben hatten, die Brüder Jakob und Wilhelm Grimm. Eines Tages erkrankte der eine von ihnen, Jakob, schwer, und weil niemand so recht wusste, warum er immer schwächer und hinfällig wurde, brachte man ihn ins Kassler Klinikum. Nach zahlreichen eingehenden Untersuchungen und Konsultationen durch die besten Ärzte der damaligen Zeit stellte man fest, dass er an einer höchst seltenen und hoch gefährlichen Blutkrankheit litt, für die es damals noch keine Medikamente gab. Die Lage war eigentlich aussichtslos. Dennoch entschied der Chefarzt der Klinik, ein CDU-Mann, den prominenten Patienten aufzunehmen. Er dachte dabei an den Ruf der Klinik, die über die Landesgrenzen hinaus berühmt werden würde, gelänge es, das Leben des Patienten zu retten. Natürlich dachte er auch an sich selbst und an seine Karriere. Sofort ließ er eines der größten Krankenzimmer von acht Patienten räumen, stellte ein Team der besten Ärzte und Pfleger zusammen, die sich fortan rund um die Uhr um Jakob Grimm kümmern sollten, und er rief die Kasseler Bürger zu Blutspenden auf.

Auch sein Oberarzt, ein SPD-Mann, stimmte der Aufnahme zu. Solange der prominente Patient in der Klinik war, würden ja die Arbeitsplätze des extra abgestellten Personals sicher sein.

Nur der grüne Assistenzarzt war von Anfang gegen die Aufnahme und hatte sie als reine Geldverschwendung bezeichnet. Er war gerade auf dem Gebiet des Blutkrebses promoviert worden und wusste daher sehr genau, dass Bluttransfusionen das Leben von Patienten nur künstlich verlängern, sie jedoch nicht heilen würden. Nur fragte ihn damals niemand.

Zwei Jahre später wurde dieser grüne Assistenzarzt zum stellvertretenden Chefarzt ernannt. Darauf hin verlangte er eine deutliche Reduzierung der Pflegekosten und vor allem in drei Jahren eine ergebnisoffene Überprüfung durch ein unabhängiges externes Ärzteteam. Und so kam es denn auch. Die Überprüfung ergab, dass Kosten reduziert worden waren durch die Verlegung des Patienten in ein kleineres Zimmer, durch Verkleinerung des Ärzte- und Pflegeteams sowie durch kostengünstigere Beschaffung von Medikamenten und Verbandsmaterial. Auch habe sich der Zustand des Patienten leicht gebessert, so dass Hoffnung bestehe. Über die Aussichten auf eine erfolgreiche Therapie des todkranken Patienten sagte der Prüfbericht allerdings nichts.

Wie nicht anders zu erwarten, war der CDU-Chefarzt der Klinik unverdrossen für die Weiterführung der eigentlich doch nur lebenserhaltenden Maßnahmen. Erstens habe man jetzt bereits Unsummen für die Pflege ausgegeben. Dazu gehörten auch die inzwischen verpflichtenden Blutspenden der Bürger, nachdem mit den Jahren ihre Bereitschaft zu freiwilligen Spenden drastisch gesunken war. Zweitens wäre der Ruf der Klinik nachhaltig ruiniert, wenn man den prominenten Patienten nach so langer Zeit jetzt einfach sterben ließe. Drittens dachte er natürlich an seinen eigenen Ruf. Und letztendlich könne niemand definitiv ausschließen, dass in den nächsten Jahren nicht doch noch ein lebensrettendes Medikament gegen Blutkrebs auf den Markt käme.

Auch der SPD-Oberarzt war natürlich für die Verlängerung, wusste er doch die Arbeitsplätze der Ärzte und des Pflegepersonals gesichert, solange der prominente Patient künstlich am Leben gehalten wurde.

Und der stellvertretende grüne Chefarzt, was war mit dem? Der hob die von ihm angestoßenen Kosteneinsparungen hervor und gab - dialektisch übrigens äußerst geschickt -, Folgendes zu Protokoll "Ich bin für die lebensverlängernden Maßnahmen, weil ich von Anfang an dagegen war". Und so endet nun das Märchen, wie alle Märchen stets enden: Wenn Jakob Grimm nicht gestorben ist, so lebt er wohl noch heute.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

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