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28. Januar 2019, Flughafen, Terminal 1

Zweihundertzweiundsiebzigste Montagsdemonstration
Verspätungsflüge 2018 - Wenn die Ausnahme zur Regel oder die Nacht zum Tage wird

Hans Schinke

Guten Abend liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, "Deutschlands größter Flughafen lief zuletzt auf Hochtouren. Nie gab es mehr Passagiere in Frankfurt als 2018, und nie war der Zuwachs größer.", meldet die OFFENBACH POST am 15. Januar 2019. 69,5 Mio. Passagiere wurden abgefertigt. Die Zahl der Flugbewegungen stieg auf 512.115 Starts und Landungen. Dass die Fraport AG damit das Prognoseziel für 2015 von 628.000 um sage und schreibe 115.885 Flugbewegungen krachend verfehlt, davon redet allerdings heute niemand mehr!!!

Neben den Passagierzahlen und der Zahl der Flugbewegungen fehlt mir aber eine dritte Rekordzahl in der OFFENBACH POST. Anfang Januar hat das Hessische Verkehrsministerium einen Spitzenwert von 1.613 Verspätungsflügen in der Mediationsnacht gemeldet, 1.098 Landungen und 515 Starts nach 23 Uhr. 1.613-mal wurden die Anwohner des Flughafens am Einschlafen gehindert. 1.613-mal wurden die Menschen in der Region, darunter Alte, Kranke und Kinder, brutal aus dem Schlaf gerissen und in ihrer Nachtruhe gestört. Und 1.613-mal wurden die Menschen, wie wir auch aus den Lärmwirkungsstudien von Prof. Münzel wissen, in ihrer Gesundheit signifikant geschädigt!!!

1.613-mal wurde im Jahre 2018 zudem die Fraport-Erzählung vom härtesten Nachtflugverbot weltweit als reines Märchen entlarvt.

"Die Fraport AG nimmt die berechtigten Lärmschutzinteressen der Bevölkerung im Umfeld des Flughafens Frankfurt Main sehr ernst. Neben ihrem Engagement in den zuvor genannten Bündnissen sieht sie sich als in der Region verwurzeltes Unternehmen und öffentliche Einrichtung der Daseinsvorsorge in der Verantwortung, sich nachhaltig für einen angemessenen Lärmschutz und eine gute Nachbarschaft einzusetzen und hierbei - auch international - eine Vorreiterrolle einzunehmen."

1.613-mal war 2018 dieses Selbstbild der Fraport AG vom 03. November 2017 schlichtweg verlogen. Spitzenreiter bei den Verspätungslandungen nach 23:00 Uhr war im vergangenen Jahr – Wie sollte es auch anders sein? – Ryanair mit einem Anteil von 31 Prozent. Ausgerechnet dieser skrupellose Outlaw-Carrier, den die Fraport AG unter dem Beifall von Ministerpräsident Bouffier mit ihrem Incentiveprogramm überhaupt erst nach Frankfurt gelockt hat und der sich mit seinen systematisch auf Kante genähten Umläufen immer wieder unlautere Wettbewerbsvorteile gegenüber seinen Konkurrenten zu verschaffen versucht. Ausgerechnet der!!!! Wie sehen nun aber die Betriebsbeschränkungen am Flughafen tatsächlich aus?
Zunächst einmal darf grundsätzlich auf dem gesamten Start- und Landebahnsystem des Flughafens in der Zeit zwischen 22:00 und 06:00 Uhr weder gestartet noch gelandet werden. Wir Laien verstehen unter "grundsätzlich" normalerweise den Tatbestand "ausnahmslos". Für die Juristen bedeutet "grundsätzlich" aber etwas ganz anderes, nämlich nur den Tatbestand "in der Regel". Also darf "in der Regel" auf dem gesamten Start- und Landebahnsystem des Flughafens in der Zeit zwischen 22:00 und 06:00 Uhr weder gestartet noch gelandet werden.

Aber wo es Regeln gibt, da gibt es auch Ausnahmen. Wie sehen die jetzt aus?

1. In den Nachtrandstunden von 22:00 bis 23:00 Uhr und von 05:00 bis 06:00 Uhr dürfen durchschnittlich 133 nächtliche Flugbewegungen geplant, aber - bezogen auf das Kalenderjahr - nicht überschritten werden.

2. Verspätet ankommende Maschinen, deren Landung nach den durch den Flughafenkoordinator vergebenen Slots zwischen 22:00 und 23:00 Uhr geplant ist, dürfen bis 00:00 Uhr landen, sofern sich die Verspätung nicht schon aus der Flugplangestaltung ergibt. Einer gesonderten Landegenehmigung bedürfen sie nicht. Diese Regelung führt dazu, dass Fluggesellschaften Landungen bis Punkt 23 Uhr planen und sich dann darauf herausreden, Verspätungen seien unplanmäßig und nicht von ihnen selbst verschuldet. Und genau hier liegt auch das Problem des Verkehrsministeriums und jetzt des RP Darmstadt, nämlich den Nachweis zu führen, dass die Fluggesellschaften es systematisch und vorsätzlich auf Verspätungen haben ankommen lassen.

3. Für den Fall, dass die täglichen Verspätungslandungen die Zahl 7,5 im Jahresdurchschnitt überschreiten, behält sich die Behörde nachträgliche Änderungen vor. Auf diese Zahl von 7,5, die zum Missbrauch geradezu einlädt, komme ich noch.

4. Verspätete Starts zwischen 23:00 und 00:00 Uhr dürfen im Einzelfall durch die örtliche Luftaufsichtsstelle dann genehmigt werden, wenn die Verspätung auf Gründen beruht, die außerhalb des Einflussbereichs des jeweiligen Luftverkehrsunternehmens liegen.

Ein Nachtflugverbot wie wir es als Laien verstehen gibt es also eigentlich nur zwischen 00:00 und 05:00 Uhr. Zwischen 23:00 und 00:00 Uhr darf durchaus verspätet gelandet und auch verspätet gestartet werden, wenn es dafür Gründe gibt. Das ist das für uns Anwohner ernüchternde Fazit.
Kaum waren die Rekordzahlen bei den Verspätungsflügen 2018 bekannt geworden, erteilte die Fraport AG nach Medienberichten der Forderung nach einer deutlichen Erhöhung der lärmabhängigen Landeentgelte bereits eine klare Abfuhr.

Ein Airbus A320 zahlt in der Kategorie 5 bei der Landung generell ein Lärmentgelt von 201,03 Euro und zusätzlich bei der Landung zwischen 23:00 und 00:00 Uhr einen Aufschlag von 200%. Das sind gerade mal 402,06 Euro oder bei 150 Fluggästen pro Kopf 2,68 Euro. Für ein Schnäppchen von gerade mal 402,06 Euro darf man ganz legal Anwohner des Flughafens am Einschlafen hindern, ganz legal Menschen in der Region brutal aus dem Schlaf reißen, ganz legal Menschen in ihrer Nachtruhe stören und ganz legal Menschen in ihrer Gesundheit signifikant schädigen.

Pfui Teufel!!! Deshalb wird jetzt zu Recht gefordert, den Aufschlag zu verfünffachen und auf mindestens 1.000% anzuheben, um eine echte Steuerungswirkung zu erzielen und die systematischen Ruhestörer zur Vernunft zu bringen. Das wären statt 402,06 Euro schon mal 2.010,30 Euro oder pro Fluggast immerhin 14,74 Euro. Dann müsste Ryanair mit seinen Boeing 737-800 bei einem Anteil von 31% an den Verspätungslandungen 2018 nicht 84.415 Euro Aufschlag zahlen, sondern 422.067 Euro. Und Geld ist nun mal die einzige Sprache, die Ryanairchef Michael O'Leary wirklich versteht.

So, und jetzt komme ich noch einmal auf die Zahl von 7,5 zu sprechen. Nach dem Planfeststellungsbeschluss sind Landungen bis 24 Uhr zulässig, sofern sich die Verspätungen nicht bereits aus der Flugplangestaltung ergeben. Aber erst bei mehr als 7,5 Verspätungslandungen pro Nacht im Durchschnitt des Kalenderjahres kann die Behörde einschreiten und die bestehende Nachtflugregelung anpassen. Diese Bestimmung öffnet dem Missbrauch für Verspätungslandungen geradezu Tür und Tor. In keinem der eingeleiteten 163 Bußgeldverfahren ist nach meinem Kenntnisstand bislang der Nachweis gelungen, dass die Verspätungen aus der Flugplangestaltung resultieren.
Deshalb ist es geradezu zynisch, wenn der Fraport-Bereichsvorstand Aviation, Pierre Dominique Prümm, in einer Mitteilung schreibt: "Von dem Wert 7,5 ist Frankfurt weit entfernt: Aktuell liegen wir mit Stand vom 24. September im Durchschnitt 2018 bei knapp 3,5 Landungen nach 23 Uhr. Vor diesem Hintergrund sehen wir keinen Anlass und auch keinen rechtlichen Spielraum für das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung (HMWEVL), den Planfeststellungsbeschluss in seinen Inhalten zu verändern oder den Vorbehalt anzuwenden."

Diese Äußerung von Herrn Prümm ist in zweifacher Hinsicht zynisch. Sie ist erstens zynisch, weil damit suggeriert wird, es sei ja noch Luft nach oben, nämlich Luft nach oben, Anwohner des Flughafens am Einschlafen zu hindern, Menschen in der Region brutal aus dem Schlaf zu reißen, in ihrer Nachtruhe zu stören und in ihrer Gesundheit signifikant zu schädigen!!! Seine Äußerung ist zweitens aber auch deshalb so zynisch, weil die Fraport AG mit ihrer Prognose vom 10. April 2007 selbst die Blaupause dafür geliefert hat, dass dieser mißbrauchsaffine Grenzwert von jahresdurchschnittlich 7,5 kalendertäglichen Verspätungslandungen überhaupt erst Eingang in den Planfeststellungsbeschluss gefunden hat!!!

Natürlich kann das Verkehrsministerium in diesem Punkt den Planfeststellungsbeschluss nicht einfach ändern. Aber die Fraport AG als Urheberin dieser Regelung könnte in Wiesbaden einen Antrag auf Änderung des PFB dahingehend stellen, dass die einschlägige Ziffer 4.1.3.3. ersatzlos gestrichen wird. Dass sie es nicht tut und sich hartnäckig weigert, das ist der eigentliche Skandal an der Geschichte!!!! Damit sich skrupellose Carrier mit auf Kante genähten Umläufen keine Wettbewerbsvorteile gegenüber seriösen Anbietern mehr verschaffen können, müssten eigentlich in Zukunft verspätete Starts und Landungen zwischen 23 und 24 Uhr gleich geregelt werden. Dann wären Landungen nach 23 Uhr grundsätzlich verboten und dürften von der örtlichen Luftaufsichtsstelle im Einzelfall nur genehmigt werden, wenn der jeweilige Carrier vorher in seinem Ausnahmeantrag nachweisen kann, dass die Verspätung auf Gründen beruht, die nicht er zu vertreten hat.
Dann müsste das RP Darmstadt auch nicht mehr den Fluggesellschaften hinterher rennen und ihnen mühsam und bislang ja ohne Erfolg nachweisen, dass sich die Verspätung bereits aus der Flugplangestaltung ergibt.

Die beiden größten Anteilseigner, das Land Hessen und die Stadt Frankfurt, haben nach außen immer erklärt, dass eine ungestörte Mediationsnacht für sie oberste Priorität hat. Und was machen sie jetzt, nachdem die Rekordzahlen zu den Verspätungsflügen 2018 bekannt wurden?

Sie machen gar nichts und schweigen lieber. Weder das Land Hessen, vertreten durch Ministerpräsident Bouffier, mit seinem Anteil von 31,31% an der Fraport AG noch die Stadt Frankfurt, vertreten durch Oberbürgermeister Feldmann, mit ihrem Anteil von 20,03% haben die Fraport AG erstens aufgefordert, die lärmabhängigen Landeentgelte so deutlich anzuheben, dass sie eine effektive Steuerungsfunktion bekommen. Die beiden größten Anteilseigner haben die Fraport AG zweitens auch nicht aufgefordert, beim Verkehrsministerium einen Antrag zu stellen, dass die 7,5 kalendertäglichen Verspätungslandungen im Planfeststellungsbeschluss ersatzlos gestrichen werden. Und sie haben drittens auch nicht erkennen lassen, dass sie die Landungen nach 23 Uhr den Starts gleichstellen wollen, dass also Landungen nach 23 Uhr zunächst einmal grundsätzlich verboten wären und im Einzelfall nur dann genehmigt werden dürften, wenn der jeweilige Carrier vorher in seinem Ausnahmeantrag nachweist, dass er selbst die Verspätung nicht zu vertreten hat.

Die Fraportanteile des Landes Hessen und der Stadt Frankfurt sind Volkseigentum. Dass die beiden größten öffentlichen Anteilseigner uns Flughafenanwohner so schmählich in Stich lassen, das ist in dem ganzen Bühnenstück der eigentliche politische Skandal!!!

Warum aber das Land Hessen als größter Anteilseigner schweigt, lässt sich einem Antwortschreiben des Hessischen Finanzministeriums vom 02. Januar auf meine Anfrage vom 10. November entnehmen. Ich zitiere auszugsweise: "Sehr geehrter Herr Schinke,
zunächst lassen Sie mich klarstellen, dass die Landesregierung vertrauensvoll mit dem Vorstand der Fraport AG zusammenarbeitet. Dabei konnte ich keine Verweigerungshaltung bzw. keinen Widerstand des Vorstands erkennen. Meiner Auffassung nach wird die Landesregierung auf diesem Wege der vertrauensvollen Zusammenarbeit erfolgreich im Sinne der betroffenen Bevölkerung und des Unternehmens im Sinne einer friedlichen Koexistenz voranschreiten können. Ich sehe das Land nicht in der Rolle eines aktivistischen Investors wie Cevian oder Elliot."

Bei diesem Schmusekurs des Landes Hessen kann ja für uns Anlieger des Flughafens und die Menschen unter den An- und Abflugrouten nichts herauskommen. Die Garantierung einer ungestörten Mediationsnacht steht für die beiden größten Anteilseigner ganz offensichtlich nur auf dem Papier.


Ich wiederhole zum Abschluss noch einmal die drei zentralen Forderungen:
1. Deutliche Erhöhung der lärmabhängigen Landeentgelte und Anhebung der Zuschläge für Verspätungslandungen nach 23 Uhr von 200 Prozent auf mindestens 1.000 Prozent, also um den Faktor 5.

2. Ersatzlose Streichung der jahresdurchschnittlich 7,5 Verspätungslandungen im Planfeststellungsbeschluss nach einem entsprechenden Antrag der Fraport AG

3. Gleichstellung von Verspätungslandungen mit Starts nach 23 Uhr, d. h. zunächst einmal das grundsätzliche Verbot von Landungen nach 23 Uhr und Genehmigung im Einzelfall nur dann, wenn der Carrier vorher in seinem Ausnahmeantrag nachweisen kann, dass nicht er die Verspätungen zu vertreten hat.

Es wäre schade, wenn diese Forderungen, ohne die Sphäre der Politik zu erreichen, heute Abend einfach nur verpuffen würden. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

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Kein Flughafenausbau - Für ein Nachtflugverbot von 22 - 06 Uhr