Impressum Home Kontakt
  Worum geht's?  
  Darum geht's
Fakten + Argumente
Rückblick
 
  Aktuell  
  News
Termine
Presse
- BBI
- BUND
- Lesetipps
Links
Archiv
 
  Machen Sie mit!  
  Über Uns
Unsere Ziele
BI vor Ort
BI aktiv
Rechts-Institut
BI-Info
Resolutionen
Infomaterial
 
     
     
     
 


03. Februar 2020, Frankfurter Flughafen, Terminal 1

Dreihundertneunte Montagsdemonstration

Hans Schinke

Demokratisierung des Fliegens – Die trojanischen Pferde der Luftverkehrswirtschaft

Guten Abend Frankfurt,

Guten Abend liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

in meinem Redebeitrag geht es heute um das Thema „Demokratisierung des Fliegens – Die trojanischen Pferde der Luftverkehrswirtschaft“ und um den manipulativen Gebrauch von Sprache. An 22. Juni 2019 veröffentlicht der SPIEGEL ein bemerkenswertes Interview mit Lufthansa-Chef Carsten Spohr. Darin geht es um Flugscham, Tickets für 9,99 Euro und seine Ideen für eine C02-Abgabe. Als er auf das Wort „Flugscham“ angesprochen wird, antwortet Carsten Spohr, dass Lufthansa beschlossen habe, dieses Thema offen anzusprechen. Auf Nachfrage ergänzt er dann: „Dass wir uns mit der Frage beschäftigen, wie eine ökologische Zukunft der Luftfahrt aussehen könnte, und uns dabei nicht bloß von außen treiben lassen wollen. Ich nehme das ernst.“ Was dabei herauskommt, wenn Politik, Wirtschaft und die mit ihnen verflochtenen Interessenverbände die Sorgen, Bedenken und Ängste der Menschen ernst nehmen, das kennen wir ja bereits von unserem Flughafenbetreiber: „Die Fraport AG nimmt die berechtigten Lärmschutzinteressen der Bevölkerung im Umfeld des Flughafens Frankfurt Main sehr ernst. Neben ihrem Engagement in den zuvor genannten Bündnissen sieht sie sich als in der Region verwurzeltes Unternehmen und öffentliche Einrichtung der Daseinsvorsorge in der Verantwortung, sich nachhaltig für einen angemessenen Lärmschutz und eine gute Nachbarschaft einzusetzen und hierbei - auch international - eine Vorreiterrolle einzunehmen.“ Parallel zu diesen Lippenbekenntnissen erfolgt dann der weitere Ausbau des Flughafens, vernichtet Fraport die letzten Waldreserven für den Autobahnanschluss zum Terminal 3 und lockt nicht zuletzt Billigflieger mit ihrem Incentiveprogramm an den Flughafen. Kein Wunder, dass sich die Menschen in der Region nicht ernst genommen, sondern einfach nur verscheißert fühlen!!!

Angesprochen auf die wachsenden Marktanteile der Billigflieger antwortet Carsten Spohr: „Es gibt dieses schnell wachsende extrem preissensible Segment nun mal. Und es hat das Fliegen in den vergangenen Jahren enorm demokratisiert.“ „Demokratisierung des Fliegens“, wie kommt Carsten Spohr denn auf so eine Idee? Schauen wir uns am besten doch einfach mal an, was man so landläufig unter „Demokratisierung“ eigentlich versteht. Nach der Definition bei Wikipedia ist „Demokratisierung ein Begriff der Politikwissenschaft sowie der Soziologie und beschreibt den Abbau von nicht demokratisch legitimierter Herrschaft und die Ausweitung und Entwicklung von Demokratie in zuvor nicht oder weniger demokratischen Staaten oder Gesellschaftsbereichen.“ Wollte Carsten Spohr mit seiner Bemerkung vielleicht sagen, dass jetzt die Beschäftigten in der Luftverkehrswirtschaft mehr Mitbestimmungsrechte bekommen haben oder gar bislang nicht demokratisch legitimierte Herrschaftsstrukturen innerhalb der Lufthansa Group abgebaut wurden?
Dass der Vorstand der Lufthansa Group über seine Geschäftspolitik jetzt Rechenschaft ablegen muss auch gegenüber seinen Beschäftigten und nicht mehr nur gegenüber seinen Shareholdern? Nein, auf gar keinen Fall meint er das. Eigentlich wollte er ja nur sagen, dass die Low-Cost-Carrier mit ihren Kampfpreisen zusätzliche Marktsegmente erschlossen haben und dadurch auf einmal Menschen fliegen können, die sich das materiell vorher gar nicht leisten konnten oder die nur deswegen auf die Idee kommen, am Wochenende mal schnell nach London oder Mallorca zu düsen, weil es so billig und nicht, weil es wirklich dringlich oder nötig ist. Es geht also um zusätzliche Konsumenten, um zusätzliche Käufer, um zusätzliche Verbraucher und nicht um zusätzliche Bürgerrechte. Warum aber benutzt Carsten Spohr dann den verschleiernden Begriff der Demokratisierung, statt gleich zu sagen, worum es geht? Na, ganz einfach, weil der Begriff der Demokratisierung eindeutig positiv besetzt ist. Weiteres, ungebremstes Wachstum des Luftverkehrs? Dagegen gäbe und gibt es massive Bedenken. Wenn sich aber dieses ungebremste, klimaschädliche, profitgetriebene Wachstum unter der perfiden Tarnkappe der Demokratisierung versteckt, wer hätte denn in der ersten Gedankenlosigkeit dagegen etwas einzuwenden?

Es ist also Vorsicht geboten, wenn die Wirtschaft den Begriff der Demokratisierung kapert und für ihre Zwecke instrumentalisiert. Die Alarmglocken können allerdings auch läuten, wenn der Begriff aus der Kommunalpolitik kommt. So hat der frühere, sehr populäre Offenbacher Oberbürgermeister Gerhard Grandke bei der Diskussion über die Nordbahn-Variante den Begriff der „Demokratisierung des Fluglärms“ geprägt: „Wenn das Schlagwort Demokratisierung des Fluglärms und meine These von der Belastungsgerechtigkeit von dem einen oder anderen als St. Floriansprinzip bezeichnet wird, so kann man diesen Leuten immer nur entgegnen, dass es Arbeitsplätze, wirtschaftliches Wachstum und Lebensqualität nur im gegenseitigen Abwägungsprozess gibt. Es ist also gerade nicht St. Florian, wenn ich fordere, dass die Stadt Offenbach, die jetzt schon die höchsten Belastungen trägt, zukünftig nicht noch mehr drauf gesattelt bekommt, während unbelastete Gemeinden auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger Offenbachs den Rahm abschöpfen.“ Also auch hier ist Vorsicht geboten, wenn die Anliegerkommunen des Flughafens im Kampf gegen den Ausbau nicht geeint, sondern bei den Folgen des Ausbaus, nämlich der Belastung durch Fluglärm, gegeneinander ausgespielt werden.

Als Carsten Spohr gefragt wird, ob Flugtickets teurer werden sollten, damit die Klimaerwärmung eingedämmt wird, antwortet er: „Wir haben nur diesen einen Planeten, und wir alle müssen mehr als bisher tun, um ihn zu schützen. Und dazu muss auch unsere Branche weiter ihren Beitrag leisten.“ Will Carsten Spohr damit im Ernst sagen, dass weniger geflogen werden sollte, um Ressourcen zu schonen, die Schädigung des Klimas durch den Luftverkehr einzudämmen und unseren Erdball zu retten?

Ganz im Gegenteil. Als Chef der Lufthansa Group will er natürlich, dass der Luftverkehr weiter wächst, nur eben jetzt angeblich ökologisch verantwortungsvoll und vor allen Dingen angeblich nachhaltig. „Warum nutzen wir die Einnahmen aus der Luftverkehrssteuer nicht zur Förderung alternativer Kraftstoffe und motivieren andere EU-Staaten mitzumachen? Synthetische Kraftstoffe sind im Luftverkehr ein zentraler Schlüssel für C02-neutrales Fliegen.“ C02-neutrales Fliegen ist überhaupt das Zauberwort, um jeden Angriff auf die Luftverkehrswirtschaft abzuwehren. Dieses Prinzip Hoffnung fliegt also in Zukunft als blinder Passagier immer mit.

Laut Prognose von Airbus wird es bei einer seit Jahrzehnten beobachteten Verdoppelung des Passagierluftverkehrs alle fünfzehn Jahre bleiben. Größter Luftverkehrsmarkt der nächsten zwanzig Jahre werde der chinesische Inlandsmarkt sein. Hier erzeuge die stark wachsende Mittelklasse neue Nachfrage, da sie mehr frei verfügbares Einkommen zum Reisen haben werde. Was sagt nun Carsten Spohr zu diesem, auch für einen international aufgestellten deutschen Carrier interessanten Wachstumsmarkt? Er sagt dazu im SPIEGEL-Interview: „Deshalb müssen wir aufpassen, dass wir, die wir uns an diese Mobilität gewöhnt haben, sie nicht für Teile der Welt wie Indien oder China unmöglich machen. Dort freut man sich noch auf die Demokratisierung des Fliegens, und dort verzeichnet die Luftfahrt ein stürmisches Wachstum. Auch in anderen Ländern sagen die Bewohner, jetzt sind wir auch mal dran mit Fliegen, und das zu Recht.“
Natürlich ist es zunächst einmal total verrückt und völlig pervers, wenn Carsten Spohr den Begriff der Demokratisierung ausgerechnet mit China in Verbindung bringt, wo doch in Hongkong gerade die Demonstranten seit Monaten verzweifelt um den Erhalt der Demokratie kämpfen und von der Polizei brutal niedergeknüppelt werden. Ungerecht findet er nicht etwa die Missachtung der Menschenrechte in China. Ungerecht findet er nur, dass die privilegierten 3 Prozent der Weltbevölkerung, die bislang fliegen konnten, der wachsenden chinesischen Mittelschicht am Futtertrog keinen Platz machen wollen.
Spohr ist auch nicht wirklich besorgt um die Zukunft des Planeten. Deswegen hört man von ihm auch keine Mahnung, dass der klimaschädliche Lebensstil der Genussflieger für den Rest der Welt kein Vorbild sein könne, weil dann unser Planet endgültig in die Knie ginge. Schnell vergessen ist da seine Feststellung im Interview: „Wir haben nur diesen einen Planeten, und wir alle müssen mehr als bisher tun, um ihn zu schützen. Und dazu muss auch unsere Branche weiter ihren Beitrag leisten.“

Was macht man aber nun als CEO (Chief Executive Officer), wenn man nicht offen sagen kann, dass die Märkte in Europa und Nordamerika gesättigt sind und man sich natürlich äußerst gerne in Indien und China ein großes Stück vom wachsenden Kuchen abschneiden möchte, um weiter wachsen zu können? Dann spielt man ganz scheinheilig und perfide die Karte der Gerechtigkeit aus: „Auch in anderen Ländern sagen die Bewohner, jetzt sind wir auch mal dran mit Fliegen, und das zu Recht.“ Ist es nicht tatsächlich ungerecht, wenn sich 3% der Weltbevölkerung das Recht herausnehmen zu fliegen und 97% der Weltbevölkerung ausgeschlossen bleiben? Nur, wie fiele die Antwort unseres Planeten wohl aus, wenn er endlich mal gefragt würde? Und zum Schluss setzt Carsten Spohr dem Ganzen mit dem Begriff „Demokratisierung des Fliegens“ noch die Krone auf. Wer könnte denn gegen Demokratisierungsprozesse ernsthaft Einwände haben? Dem „arabischen Frühling“ folgte dann der chinesische Frühling, allerdings ökonomisch für die Luftverkehrswirtschaft nur am Himmel, auf gar keinen Fall aber für die chinesischen Bürger auch auf Erden. Denn das würde die Kommunistische Partei Chinas mit sämtlichen verfügbaren Mitteln zu verhindern suchen.

Ich komme zum Schluss. Die wachstums- und profitgetriebene Luftverkehrswirtschaft will uns mit eigens gezüchteten trojanischen Pferden einlullen und täuschen. Ihre trojanischen Pferde nennen sich zum Beispiel „Nachhaltigkeit“, „Demokratisierung des Fliegens“, „C02-neutrales Fliegen“ oder „neue Technologien“. Diese Trojaner dürfen unsere Gehirnschranken nicht überwinden. Seien wir also wachsam und vorsichtig!!!

Ich bedanke mich für Eure Aufmerksamkeit.



zurück zur Startseite

 

 


     


Bündnis der Bürgerinitiativen
Kein Flughafenausbau - Für ein Nachtflugverbot von 22 - 06 Uhr