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Erörterungstermin - Bericht vom 4.11.2005

Viele Einwender gegen den Lärm - ein spannender Tag!
Initiative Zukunft Rhein-Main, Von cf •• 2005-11-01
Am Freitag, dem 4.11.2005, begann die Diskussion von Punkt 5, Lärm. Begonnen wurde mit der Vorstellung der Fraport-Gutachten. Auf dem Podium waren die Lärmwirkungsforscher der Fraport - Prof. Griefahn, Prof. Jansen, Prof. Scheuch, Prof. Spreng - vertreten. Schon früh am Morgen waren viele Privateinwender gekommen und hatten auch geschafft, sich zu Wort zu melden - sie sorgten für einen äußerst spannenden Erörterungstag. Teils mit scharfsinniger Kritik, teils mit treffenden Schilderungen ihrer persönlicher Betroffenheit ließen sie an der Fraport, deren lärmmedizinischen Gutachtern und den Ausbauplänen kein gutes Haar.

Die Vorstellung der Fraport-Gutachten

Zu Beginn stellte Prof. Scheuch, stellvertretend für das Team der Fraport-Gutachter - in Einwenderkreisen auch "Viererbande" genannt - das Gutachten G12.1 vor, in dem "Fluglärmkriterien für ein Schutzkonzept" dargestellt werden. Grundlage dieses Gutachtens ist die sog. "Synopse", ein Papier der vier Professoren, das zum ersten Mal beim Raumordnungsverfahren auftauchte. In diesem Papier werden Grenzwerte und Berechnungsverfahren für den Fluglärm (für den Neubau und Ausbau von Flughäfen) vorgeschlagen. Die weiteren vorgelegten Guatchten orientieren sich dann an diesen Grenzwerten und Verfahren. Der Vortrag von Prof. Scheuch war sehr akademisch und theoretisch und kam daher bei den Einwendern (im doppelten Sinn des Wortes) nicht gut an.

Prof. Scheuch sagte, er sehe die Problematik, dass die Gutachten im Auftrag von Fraport erstellt worden seien, und fragte, warum nicht eine staatliche Institution so etwas mache. Man habe im wesentlichen eine Menge bestehender Untersuchungen zur Lärmproblematik ausgewertet und die Erkenntnisse zusammen-gefasst (daher heißt das umstrittene Papier wohl auch "Synopse"). Im Gutachten 12.1 seien alle kontroversen Diskussionen zusammengefasst. Das Ziel der Untersuchung orientiere sich an der Vermeidung von Krankheiteiten, aber auch dem Schutz der Gesundheit. Unter Auswirkung auf die Gesundheit beziehe man auch Auswirkungen auf Befinden und Leistungs-fähigkeit ein, daher habe man verschiedene Schutzziele definiert. Man mache einen Vorschlag für "Begrenzungswerte" (keine Grenzwerte, die müssten die Behörden festlegen) und zeige dabei auch Spielräume auf. Oberstes Ziel sei der Schutz der Gesundheit. Dafür gelte der Kritische Toleranzwert. Hier müssen Gesundheitsschäden bewiesen sein oder es muss ein sehr begründeter Verdacht dafür bestehen. Die zweite Stufe ist der Präventive Richtwert. Hier seien gesundheitliche Beein-trächtigungen nicht ausgeschlossen, Störungen bei sensiblen Gruppen könnten auftreten. Handlungsbedarf sei "grundsätzlich gegeben".

Lärm ist doch ein Teil des Lebens ...
Hauptproblem der wissenschaftlichen Diskussion sei, so führte Scheuch aus, dass Reaktionen in vielen Fällen auftreten, "weil wir leben". Die Reaktion auf Lärm sei Teil der physiologischen Lebensreaktion, daraus eine Gesundheitsgefährdung abzuleiten, sei problematisch. Man könne daraus nicht folgern, dass man gar nichts tun müsse, denn bei sensiblen Gruppen seien ja negative Auswirkungen möglich. Auch wenn es keine pathologische Wirkung gebe, sollte trotzdem (wo möglich) Lärmminderung betrieben werden, zumindest als langfristiges Ziel. Spätestens hier wussten die meisten Einwender, woran sie mit dem Gutachter sind.

Scheuch erläuterte, die Synopse gelte für wesentliche Änderungen (und den Neubau) von Flughäfen. Die in Gebrauch befindlichen Berechnungsgrundlagen habe man analysiert. Man müsse prüfen, wie der Stand der Ergebnisforschung auf diesem Gebiet sei. Weltweit werde überwiegend der LEQ (Dauerschallpegel) verwendet, für andere Maße hätte man keine Wirkungsunter-suchungen. Man habe, wie in Deutschland üblich, den LEQ für den Tag und für die Nacht berechnet. Maximalschallpegel müssten in bestimmten Situationen berücksichtigt werden. Zur 100:100-Regel gebe es keine Untersuchungen, alle Unter-suchungen beruhten auf der "Realverteilung". "Unsere Annahmen wirkungsseitig untersetzen, das können wir nicht", sagte Scheuch (verstanden haben wir das nicht). Die 100:100-Regel erzeuge Ungleichheit [meint: in Frankfurt würden die nur bei Ostwind Betroffenen "zu viel" Schutz erhalten].

Werte verwirren nur ...
Wir bringen keine Werte, wir möchten sie nicht verwirren, sagte Scheuch weiter. Zu Gesundheitsschäden meinte er, der einzige wirklich beweisbare Gesundheitsschaden durch Lärm sei der Hörschaden. Hinsichtlich anderer Erkrankungen, z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, gäbe es umfangreiches Material, die Kausalität sei aber nicht sicher bewiesen. Trotzdem sollte man handeln, wenn der "kritische Toleranzwert" überschritten sei. Nachts sei man sich meist einig, dass die Maximalpegel und ihre Anzahl relevant sei, weil man davon aufwachen könne. Der kritische Toleranzwert orientiere sich an der Aufwachschwelle, der präventive Richtwert an der Hormonausschüttung. Das Kriterium "6 x 60 dB(A) pro Nacht" sei ein statistischer Wert, der über einen längeren Zeitraum nicht überschritten werden solle [im Klartext: die Zahl der Ereignisse gilt nicht pro Einzelnacht, sondern wird über ein halbes Jahr und beide Betriebsrichtungen gemittelt ! ]. Das Jansen-Kriterium tauche hier wieder auf, es sei nicht widerlegt worden. Der präventive Richtwert nachts sei 6 x 53 dB(A) innen, am Ohr des Schläfers. Man sei "hierbei von Fenstern ausgegangen, die das Lüften zulassen, durch Kippen oder Spaltlüftung".

Bei der Belästigung gebe es eine Dosis-Wirkungsbeziehung, der größte Teil der Belästigung hänge aber nicht vom Schallpegel ab. Der Teil, der nicht vom Schallpegel abhänge, werde immer größer. [Anmerkung: vielleicht, weil die Anzahl der Flüge dauernd steigt?] Mit der Betrachtung der Kausalitäten müsse man hier vorsichtig sein.

"Wir akzeptieren 25-30% erheblich Belästigte"
An diesem Punkt wurde der Vortrag durch Rechtsanwalt Schröder geschäftsordnungsmäßig unterbrochen. "Ich bin verblüfft, dass wir hier einen Galoppritt durch die Synopse machen", monierte er. Dies passe nicht zur Tagesordnung. "Das RP hat die Synopse wohl schon auf gleiche Ebene wie die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte gestellt." Fraport protestierte, der Gutachter Scheuch bekam wieder das Wort. Er fasste sich kurz. Die Kommunikationsstörung gehe mit in die Belästigung ein, die Beurteilung beruhe auf dem Dauerschallpegel. Ergebnisse in der normalen Lebenssituation gebe es nicht. Und: "Wir akzepieren 25-30% erheblich Belästigte". Dieses Kriterium könnte korrigiert werden, denn die Belästigung nehme zu, es gebe Überschuss-reaktionen. Schutzbedürftige Bereiche (wie Kindergärten, Schulen, Altenpflegeheim) habe man berücksichtigt, auch wenn in diesen Bereichen durch normale Aktivitäten höhere Lärmpegel auftreten würden als durch Fluglärm. Gegenwärtige Studien gäben keinen Anlass zu einer Änderung der Synopse.

Die unvollständige Liste der Einwendungen
Hier wurde endlich eine Pause eingelegt, die meisten Einwender hatten von den abstrakten Vortrag längst genug. In der Pause hielt der deutsche Fluglärmdienst eine Pressekonferenz ab, in der die Ergebnisse der Messungen von Landung und Start des A380 in Frankfurt vorgestellt wurden. Nach der Pause begann ein RP-Vetreter, die wichtigsten Einwendungen vorzutragen. Die recht akademische Liste ist im folgenden in Stichworten aufgezählt. Die wichtigste Einwendung - dass die Menschen unter dem Lärm leiden und einfach nicht noch mehr davon haben wollen - kam in der Liste nicht vor!

• Gutachten G12.1 und G12.2 haben schwerwiegende Mängel, akzeptieren zu hohe Pegel
• Lärmschutzkonzept muss von Kombination aus Dauerschallpegel und Einzelschallereignissen ausgehen
• Physikalische Faktoren des Lärms, wie Anstiegssteilheit und Frequenz, sind nicht berücksichtigt
• Relative Lärmzunahme wird nicht berücksichtigt
• 100:100-Regel wird nicht berücksichtigt, diese sei in Berlin-Schönefeld auch genommen worden
• Richtwert von 25% Belästigter nicht akzeptabel
• Stand der Lärmmedizin nicht korrekt abgebildet
• Zuschläge für Randstunden (nach EU-Richtlinie) sind nicht berücksichtigt
• Entwurf für neues Fluglärmgesetz wird nicht berücksichtigt
• Erkenntnisse der DLR-Studie werden nicht berücksichtigt
• Forderung nach anderen Grenzwerten, z.B. 60 dB(A) für Gesundheitsgefahr

An diesem Punkt wurde das Verlesen der Liste von Rechtsan-wältin Fridrich unterbrochen. Es sei unangebracht, die wichtigen Einwendungen von 127000 Einwendern hier dermaßen langweilig vorzulesen, meinte sie. Und damit hörte die Verlesung der Liste auch auf. So richtig die verlesenen Einwendungen auch waren, die Sorgen der meisten Einwender dürfte die Liste nicht gut getroffen haben. Danach kamen die ersten Einwender zu Wort.
Offenbach protestiert

Der Offenbacher (Ober-) Bürgermeister Schneider übte heftige Kritik an den Gutachten. "Wenn namhafte Wissenschaftler wie Prof. Scheuch hier meinen, der Lärm sei für die Lebensqualität nur von untergeordneter Bedeutung, dann brauchen wir ja hier gar nicht erst anfangen ... Aus Gutachtersicht ist hier dem Projekt ein Persilschein ausgestellt worden".

Direkt danach sprach ein Vertreter der Gemeinnützigen Bau-gesellschaft Offenbach. Er begann mit einem ironischen Seiten-hieb auf die Gutacher (die gesagt hatten, sie gingen von Innen-werten bei Fenstern aus, die Lüftung zulassen): "Wir vermieten Wohnungen mit Fenstern, die zu öffnen sind, und Balkons haben die Wohnungen auch. Wir sind Ombudsmann für 33000 Mieter, die nicht hier sind, weil sie arbeiten müssen oder den Glauben an ein ergebnisoffenes Verfahren nicht haben". Der nächste Seitenhieb galt dem A380-Urteil des VGH Kassel, weil die Richter "Politik machten". Allein die erste Stufe im Verfahren habe die Wohnungsbaugesellschaft 35000 Euro gekostet, "35000 Euro im Glauben an den Rechtsstaat" . Die Revision hätte nochmals mehr als 40000 Euro gekostet, dies hätte man dann angesichts der Sachlage lieber gelassen. Vertrauen in den Rechtsstaat hatte dieser Einwender nach dem Erlebnis der Verhandlung offensichtlich nicht mehr. Zum aktuellen Tagesordnungspunkt sagte er: "Es geht um das subjektive Lärmempfinden unserer Mieter, nicht um irgendwelche Berechnungen". Und er erinnerte daran: "In diktatorischen Staaten wird Lärm als Folterinstrument eingesetzt. Möge die Behörde das berücksichtigen" .

Die Situation in Darmstadt

Eine Einwenderin aus Darmstadt schilderte die Fluglärmsituation im Darmstädter Norden. Vor dem Bau der Startbahn West habe es dort gar keinen Fluglärm gegeben. Darmstadt sei im Planfeststellungsverfahren von 1971 nicht beteiligt gewesen, da angeblich keine Belastungen zu erwarten gewesen sein (!!). Heute liegen die nördlichen Stadtteile an einer stark beflogenen Flugroute (KNG kurz). Vom 1. Mai - 31. Oktober 2004 habe es 30 000 Flüge gegeben, davon 5000 nachts und viele davon mit Spitzenpegeln über 70 dB(A). Der Lärmkorridor in Wixhausen und Kranichstein sei drei Kilometer breit, 30 000 Bewohner seien betroffen. Nach den Unterlagen der Fraport gebe es in Darmstadt 15 Bewohner, die von Kommunikationsstörungen, und 16 Bewohner, die von Schlafstörungen betroffen seien - das wirke für die Bürger einfach lächerlich. Sie forderte eine Anpassung der Gutachten an die reale Situation.

Die Landesregierung solle die Bevölkerung vor Fluglärm schützen, eine Beschränkung der Flugbewegungen sei zum Nutzen der ganzen Region, sagte sie weiter. "Entscheiden Sie im Sinn von nachhaltiger Regionalentwicklung, geben Sie der Region eine Chance zur Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität", forderte die Einwenderin die Behörde auf. Eine Zentralisierung von Flugbewegungen in einem dicht besiedelten Gebiet sei untragbar. Stattdessen sollte man Flüge in strukturschwache Regionen verlagern. Der Ausbau der Hubfunktion in Frankfurt diene nicht der Verbesserung der Infrastruktur der Region, sondern nur den unternehmerischen Zielen der Fraport. Dies führe zu wirtschaftlichen Monostrukturen mit vielen Risiken für die Region.

Dr. Rahn gegen das Fraport-Gutachten
Als nächster ging der Frankfurter Arzt Dr. Rahn ans Rednerpult, der schon einmal mit einer hervorragenden Rede Star des Tages gewesen war. Und auch die heutige Rede enttäuschte die Erwartungen der Zuhörer nicht. Rahn hatte diesmal aus den Gutachten hervorstechende Zahlen und Zitate herausgesucht und diese kommentiert, und was da herauskam, war schon bemerkenswert. Die Rede wird hier in Auszügen wiedergegeben, alles konnte nicht mitgeschrieben werden.

Als erstes nannte Rahn Zahlen aus den Fraport-Gutachten. Nach diesen Gutachten sei sowohl jetzt als auch bei einem Ausbau niemand von Gesundheitsschäden betroffen. Ein Ausbau sei also aus gesundheitspolitischer Sicht dringend geboten! Ganze 659 Personen seien laut Gutachten aktuell erheblich belästigt. Es gebe aber 127 000 Einwendungen, davon richteten sich bestimmt 125 000 gegen den Lärm. Wie sich wohl diese Diskrepanz erklären lasse? Und wo würden die 659 Personen wohnen? "In Frankfurt gibt laut Gutachten genau eine stark belästigte Person. Sie meinen wohl mich?" , sagte Rahn zu Fraport. Bei der Kommunikation seien laut Gutachten immerhin 24000 Personen betroffen ("immerhin 1% von 2 Millionen Menschen in der Region", davon genau 4 in Frankfurt. "Zur Zeit sind also in Frankfurt gerade einmal 5 Personen ernsthaft vom Fluglärm betroffen. Die könnten nach deutschem Vereinsrecht noch nicht einmal einen Verein gründen, dazu braucht man nämlich 7 Personen." Nur 2000 Leute seien angeblich in lärmsensiblen Einrichtungen betroffen - allein die Frankfurter Uniklinik habe aber mehr Betten. Im Planfeststellungs-verfahren sei die Zahl der zusätzlich von Lärm Betroffenen nur noch 1/4 (16000) vom Wert des Raumordnungsverfahrens (62000). Auch die Zahl der Betroffenen in lärmsensiblen Ein-richtungen habe drastisch abgenommen, von mehr als 9000 auf etwa 1000. Wie man so etwas hinbekomme? Ganz einfach, die Grenzwerte würden einfach so angesetzt, dass keiner mehr betroffen sei.

Als nächstes zeigte Rahn eine Karte mit einer 60 dB(A)-Isophone aus dem Raumordnungsverfahren. Innerhalb dieser 60-dB(A)-Kontur lebten damals etwa 64000 Menschen. Aus den PFV-Unterlagen zeigte er eine 59-dB(A)-Kontur, die per Definition etwas größer als die 60-DB(A)-Kontur ist und diese umfasst. Wieviel Menschen in dieser 59-dB(A)-Kontur wirklich wohnten, wisse er nicht, aber es müssten (da der Bereich größer ist) auf jeden Fall mehr sein als innerhalb der 60-dB(A)-Zone. Doch nach den PFV-Unterlagen seien es nur 38733 Personen. Dies sei schlicht unmöglich. Da man sich solche Vergleichstabellen mühsam aus den Unterlagen zusammensuchen müsste, würden solche Inkonsistenzen nicht auffallen.

In Deutschland fühlten sich nach repräsentativen Umfragen 65% der Menschen vom Straßenlärm und 37% vom Fluglärm belästigt. Doch im Gutachten G12.1 finde man den Satz: "Die Lebens-qualität hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, Lärm spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle". Parameter der Lebensqualität würden gern mit Fragebogen erfasst. Doch im Gutachten G12.1 , Seite 10, sei zu lesen, Befragungen seien nicht zu empfehlen "da mit einem Schutzkonzept Handlungsnotwendigkeiten zu verbinden sind, die das Begehrensverhalten Betroffener unterstützt". Die Befragten könnten ja auf die Idee kommen, etwas vom Lärmver-ursacher zu fordern! Auf Seite 11 finde man die Aussage, "beim Lärm sei außer dem Verursacherprinzip auch das Vorsorgeprinzip zu prüfen und durch Aufklärung, Kooperation und Partizipation Akzeptanz zu erreichen". Es solle also Vorsorge getroffen werden, dass der Lärmverursacher nicht in Anspruch genommen wird! Wie das mit der Aufklärung gemeint ist, würde man ja sehen: es würden 100 000 Arbeitsplätze versprochen. "Wie kann man nur einen solchen Nonsens in ein Gutachten schreiben und das auch noch öffentlich auslegen? Einen Doktoranden würde ich mit einem Fußtritt zum Teufel jagen, wenn er bei mir mit so einem Gutachten ankäme", schimpfte Rahn.

Bei den Schwellwerten sagten die Gutachter, es gebe nachweis-bare physiologische und psychologische Veränderungen, die man auch messen könne, aber ob das zur Krankheit führe sei unklar: "Eine wissenschaftliche Prognose über Langzeiteffekte ist beim heutigen Wissensstand nicht möglich, ein unmittelbarer aktueller Handlungsbedarf für Flughäfen ergibt sich aus diesen Werten nicht". Es müsse aber eine Beweislastumkehr gelten: Bei Medikamenten werde schon beim kleinsten Verdacht auf schädliche Wirkungen die Zulassung entzogen, und der Hersteller müsse nachweisen, dass sein Produkt den Schaden nicht verursacht habe. Das müsse auch beim Fluglärm für den Lärmverursacher gelten. [Anmerkung: weiter hinten im Gutachten steht noch genauer, Schwellenwerte seien bei der Entscheidung nicht zu berücksichtigen und auch aus lärmmedizinischer Sicht nicht von juristischer Bedeutung.]

Zum Thema "präventiver Richtwert" (hier "können bei sensiblen Gruppen Beeinträchtigungen auftreten") meinte Rahn, es gäbe im Jahr 280 000 Todesfälle durch Herzinfarkt. Wenn nur 3% davon durch Lärm verursacht würden, wären das über 25 000 Todesfälle im Jahr. Man könne doch hier nicht sagen, das spiele keine Rolle! Sensible Gruppen (laut Gutachter Alte, Kranke, Kinder) machten immerhin 30-40% der Bevölkerung aus. In zivilisierten Ländern werde allgemein anerkannt, dass man diese Gruppen schützen müsse - sogar in einigen nicht-zivilisierten Ländern - doch im Gutachten steht: "Von der Berechnung von Schutzzonen für lärmsensible Einrichtungen wird dringend abgeraten, um die Übersichtlichkeit der Bereiche für die Normalbevölkerung zu wahren". Im Gutachten finde sich die Aussage "das Herausgreifen einzelner Risikofaktoren sei nicht sinnvoll". Also: solange die Leute rauchen, brauche man nichts gegen den Lärm zu tun.

Richtig kontrovers wurde es zum Schluss, als Rahn einen im Gutachten aufgeführten Gesundheitsbegriff zitierte:" Die medizinische und psychologische Widerstandfähigkeit gegenüber Belastungen und die adäquate Bewältigung von Belastungen wird heute als wesentliches Kriterium der Gesundheit angesehen". Die Lärmtoleranten sollten also vor Lärm geschützt werden, den selbst diese nicht mehr verkraften würden, die anderen hättten eben Pech gehabt. Im Gutachten werde dies als neue Erkenntnis bezeichnet. Tatsächlich finde sich so eine Aussage bereits in einem1936 erschienenen Buch von Friedrich Lenz mit dem Titel "Menschliche Auslese und Rassenhygiene", mit dem die medizinische Legitimation für die Euthanasie im Dritten Reich geliefert worden sei. Die WHO habe 1946 gerade wegen der Ereignisse des Dritten Reiches den Begriff der Gesundheit anders definiert, und 1949 sei das Grundgesetz eingeführt worden, dort steht "Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit . Es heisst dort nicht, jeder der lärmunempfindlich ist, sondern jeder, und gemeint ist auch jeder", schloss Rahn seinen Vortrag. Vom RP verlangte er, dass die Anliegen der Bürger im Einklang mit dem geltenden Recht wahrgenommen werden müssten. "Das können Sie hier und heute beweisen". Das Publikum beantwortete den Vortrag mit mehrminütigem Beifall.
Fraport verteidigt sich

Das RP (Herr Eck) merkte zu der letzten Äußerung an, es sei nicht so, dass man die Unterlagen als inhaltlich richtig bewerte, man habe sie nur auf Vollständigkeit geprüft. Die inhaltliche Richtigkeit solle in der Erörterung diskutiert werden. Er formulierte eine längere Liste von Fragen an die Gutachter und Fraport, und Vorwürfe aus der letzten Präsentation näher zu beleuchten.
Herr Amann (Fraport) hatte jedoch für inhaltliche Fragen keinen Nerv, sondern war wütend über die Präsentation von Herrn Hahn. Man dürfe Zitate nicht aus dem Zusammenhang reißen. Diffamierungen wie den Vergleich des Gesundheitsbegriffs mit dem der NS-Zeit "lasse man sich hier nicht bieten. Wenn es hier weiter so kommt, stellen wir uns dieser Sache nicht". Heftige minutenlange Unmutsäußerungen auf den Zuschauerplätzen folgten. Verhandlungsleiter Gaetzsch mahnte zu sachlicher Diskussion und bezeichnete den umstrittenen Vergleich als unsachlich. Rahn blieb jedoch bei seiner Äußerung. Er habe die Textpassagen sinngemäß zitiert. Sein Vergleich sei keineswegs eine Diffamierung, sondern ein Vergleich zweier Sätze aus wissenschaftlichen Werken. "Ich will aufzeigen, dass die genannte Definition von Gesundheit menschenverachtend ist und dies ist nicht das erste Mal, dass das passiert!".

Prof. Scheuch sagte, er sei betroffen, dass hier ein Zusammenhang mit der Geschichte hergestellt und so die Leute aufgehetzt würden. Die Einwender würden die Diskussion "Gesundheit in der Wissenschaft" wohl nicht richtig überblicken. Bei der WHO heiße es, Gesundheit sei "die Fähigkeit eines Menschen, seine Fähigkeiten einzusetzen, um ein gesundheitlich und wirtschaftlich erfülltes Leben zu führen. Diese erweiterte Gesundheitsauffassung entspreche der aktuellen Diskussion. Was schutzwürdig sei, werde nicht nur an Krankheiten orientiert, es ginge um die prinzipielle Lebensqualität. OB Schneider warf er vor, die Dinge aus dem Zusammenhang zu reißen. Man habe für den Sozialreport in Europa die Menschen gefragt, welche wesentlichen Ziele sie sich setzen und was ihre Lebensqualität ausmache. "Der Schutz vor Lärm komme erst viel weiter hinten". Es gebe Hunderte von Untersuchungen an Millionen von Menschen, der Lärm sei von den Forschern nicht einbezogen worden. "Wir wollen dagegen den Lärm in seiner Eigenständigkeit erhalten". Es geht darum, durch Teilnahme, Aufklärung, Kooperation Akzeptanz zu erreichen". So recht verständlich wurde die kompliziert formulierte Rechtfertigungsrede nicht. Natürlich gibt es im Leben noch wichtigere Dinge als von Lärm verschont zu sein, aber was hat das mit den Lärmgrenzwerten zu tun, um die es hier geht? Einwender quittierten die Rede erneut mit Zwischenrufen.

Herr Lurz, Fraport, nahm Stellung zum Jansen-Kriterium und zur Frage der Beweislastumkehr. Das Jansen-Kriterium sei in vielen Gerichtsverfahren Maßstab gewesen, andere Erkenntnisse hätten sich bisher nicht durchgesetzt. So seien Jansen-Kriterium und die Synopse immer noch Grundlage luftrechtlicher Verfahren (Einwender: Leider!) Die Erkenntnissicherheit anderer Meinungen reiche nicht soweit, dass die bisherigen Kriterien hätten erschüttert werden können. Eine Beweislastumkehr sei nicht notwendig, sonst sei die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt. Bei Schwellenwerten gebe es zwar physiologische Reaktionen, aber die Anpassungsreaktionen seien normal, dies würde keine Schallschutzmaßnahmen rechtfertigen (Zwischenrufe...).
Kommunikationsstörung in der Praxis

Prof. Spreng bemühte sich danach, einige Dinge zu erklären (ganz verständlich war auch das nicht). Zwischen Lärm und Wirkung gebe es einen statistischen Zusammenhang, aber keinen Kausalzusammenhang. Man könne nicht sagen, wenn man am Lärm etwas verändert (z.B. die Anstiegssteilheit), wird das und das passieren. Die Dosis-Wirkungskurve habe keine Knick, deshalb habe man versucht, Punkte aus verschiedenen Quellen herauszunehmen und festzulegen. Schwellwerte müsse es geben, weil das Ohr immer offen sei und man immer physiologische Wirkungen messen könne. Daraus gesund-heitliche Wirkungen abzuleiten, sei absurd. Immerhin meinte er "Anpassung ist nicht die Anforderung an Sie, Lärm zu ertragen". Er wohne auch an einer Straße und fühle sich auch manchmal nicht wohl, die Außenkommunikation könne gestört sein. Es gebe eine Beeinflussung der Kommunikation, eine Änderung der Kommunikationsgüte, bei sehr lauten Überflügen müsse man kurz abbrechen, man spreche unbewusst lauter, aber das verursache keine Kosten im Organismus. Spätestens hier platzte den anwesenden Einwendern wieder der Kragen, sie machtem ihrem Zorn lautstark Luft. Prof. Spreng konnte hier gleich in der Praxis erfahren, wie eine Kommunikationsstörung durch Lärm wirkt. Jedenfalls meinte er, das habe alles keinen Zweck, und brach seinen Vortrag ab. Ab Mittag ward er dann auf dem Podium nicht mehr gesehen.

Rechtanwalt Schmitz griff hier zur Geschäftsordnung in die Debatte ein. "Wenn die Vorhabensträgerin an dieser Stelle immer neue Fakten (vielmehr Worthülsen) vortragen kann, geht nur Zeit verloren, wir wollen erst einmal die Grundlagen besprechen. Die Verwirrungstaktik geht auf, die Einwender sehen keine andere Möglichkeit mehr als Zwischenrufe ... Ursache des Ärgers ist der Planfeststellungsantrag, vielmehr die Flugbewegungen. Sie, Herr Amann, wollen große Profite machen auf Kosten der Lärmbe-troffenen und Gemeinden, ohne dass sie dafür eine Ent-schädigung zahlen wollen. Sie sollten nicht persönlich betroffen sein, wenn Sie hier emotionale Äußerungen bekommen". Und Rechtanwalt Fislake schimpfte, der Vortrag von Prof. Scheuch sei "im Hinblick auf die hiesige Situation eine Zumutung". Die Erörterung solle auf einem Niveau ablaufen, dass der Situation angemessen sei. "Wir haben hier den Eindruck, wir werden zugeredet. Hier sitzen keine volltrotteligen Idioten, die sie ständig bekehren müssen. Wenn es keine gesetzliche Grundlage gibt, kommt es auf den Einzelfall an. Sie haben die Verhältnisse hier in den Blick zu nehmen, das ist nicht gelungen ... Sie gehen von einem "virtuellen Fluglärm" aus. Sie haben von einem lärmbetroffenen Frankfurter gesprochen - ich wohne in Frankfurt! ... Die Gutachter gehen davon aus, dass der Unterricht in Schulen in der Regel bei geschlossenen Fenstern stattfindet, sie sprechen den Betroffenen den Lärmschutz ab. Es kocht die Wut hoch, wenn Sie die Schutzwürdigkeit von Kindern dermaßen abwerten!"
Damit war die Vorstellung der Gutachter erst einmal zu Ende. Weitere Privateinwender kamen zu Wort.

Die Lage in Sachsenhausen
Ein Einwender aus Sachsenhausen, der auf dem Lerchesberg ein Haus hat, schilderte seine Situation. Er wohne 800 Meter von der Flugroute entfernt, die Flugzeuge würden aber oft direkt über sein Haus fliegen, in 600 m Höhe, Im Haus sei nur bei geschlossenen Fentsern uneingeschränkte Kommunikation möglich, schlafen könne man auch nur bei geschlossenem Fenster. Auch bei einem eventuellen Nachtflugverbot seien 6 Stunden Ruhe zu wenig, und es würde keine Ruhe geben, da schon jetzt viele Ausnahmen im Antrag seien. Er berichtete von Schlafstörungen, Depressionen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Schadstoffe. Bei einem Ausbau wäre die Einflugschneise nur 200-400 m von seinem Haus entfernt: "Was da auf uns zukommt, ist der reine Alptraum. Wir müssen fürchten, dass unser Haus unbewohnbar wird". Es sei auch mit Verlusten bei der Vermietung einer weiteren Immobilie in der Gegend zu rechnen, die geplante Alterssicherung würde gefährdet. Der Lärm habe auch negative Auswirkungen auf Kinder, junge Familien würden nicht mehr in das Stadtviertel ziehen. Dies habe eine negative soziale Entwicklung zur Folge. Der wirtschaftliche Schaden an den Immobilien sei immens, da nicht nur er betroffen sei, sondern auch viele andere in dem dichtbesiedelten Wohngebiet. Der Einwender sah eine Beein-trächtigung seines Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit und des Eigentums. Zu sagen, die angeblichen Vorteile für die Allgemeinheit überwiegen den Schaden einer Minderheit, sei nicht zulässig - schon gar nicht wegen der kommerziellen Interessen der Fraport. Der Antrag sei daher abzulehnen.

Viele Lärm in Offenbach, viele Lügen der Fraport
Anschließend sprach Rechtanwalt Wagner, heute nicht als Anwalt, sondern als Privateinwender, über den Ausbau und die Situation in Offenbach. Alle paar Minuten untermalte er seinen Vortrag mit Fluglärm von CD, damit "die da oben auf dem Podium mal sehen, was Kommunikationsstörung durch Fluglärm" bedeutet". Die lange Rede war der zweite Höhepunkt des Tages und begeisterte die Einwender.

Wagner sagte, der Lärm sei einer der größten Störfaktoren für den modernen Menschen, mehr als die Hälfte fühle sich belästigt. Lärm sei ein Stressor, der krank machen könnte und die Entwicklung von Kindern beeinträchtige. Er sei kein medizinischer Sachverständiger, aber bei Fluglärm wisse er, wovon er rede. Er habe nach vielen Jahren sein Haus wegen Fluglärm verkauft. Er berichtete von einem Nachbarn, der auf die Frage, ob ihn der Fluglärm nicht störe, gesagt habe, er wohne schon seit seiner Kindheit hier und früher seien die Flugzeuge viel lauter gewesen. Mit 55 Jahren sei er dann weggezogen und habe gesagt: "Das Fass wurde langsam gefüllt, und jetzt sei sein persönliches Lärmfass übergelaufen". Ein anderer habe sich ein Haus auf dem Buchhügel gekauft und gesagt, er habe sich vor dem Kauf eine Stunde dort aufgehalten und den Lärm erträglich gefunden. Nach nur einem halben Jahr sei er wieder ausgezogen. Ein paar Stunden "Probelärm" sei nicht mit der dauernden Belastung vergleichbar. Das Argument, der Flughafen sei schon vorher dagewesen sei falsch. Viele Häuser seien in Familienbesitz und schon gebaut worden, als der Flughafen noch ein kleines Flugfeld war. Die enorme Zunahme des Fluglärms habe niemand vorhersehen können.

Danach ging Wagner auf den Lärmschutz ein. Es gebe zwar bei der Lärmwirkung eine subjektive Komponente, aber selbst wenn man sich subjektiv nicht gestört fühle, könne der Lärm krank machen. "Kann man einen Ausbau verantworten, auch wenn nur wenige Menschen gesundheitliche Nachteile erleiden? Gilt hier denn ein Mehrheitsprinzip? Haben die Empfindlichen nur das "demokratische Recht, wegzuziehen?", fragte er. Es sei Aufgabe der Politik, auch Minderheiten zu schützen, besonders wenn es um das besonders hohe Rechtsgut der Gesundheit gehe. Minderheitenschutz sei sogar durch das Völkerrecht gefordert und müsse auch für die Lärmempfindlichen und Lärmgestörten gelten. Die Politiker würden gern von Daseinsfürsorge und Mobilität reden. Stehe der öffentliche Auftrag zum Betrieb eines Flughafens etwa höher als das Grundrecht auf Gesundheit? Das Urteil des VGH Kassel sei unerträglich. "Die Kasseler Richter sagen, man müsse bei geschlossenen Fenstern leben und schlafen, und das im Namen des Volkes!" Dabei sei bekannt, wie schnell nachts der Sauerstoff in einem Schlafzimmer verbraucht sei.

Fraport wolle Hunderttausend Menschen mit neuem Fluglärm zu überziehen und wertvollen Bannwald vernichten, dies sei unstreitig, fuhr Wagner fort. Die akustische Vermüllung unserer Heimat werde mit einem Bündel von Lügen gerechtfertigt. Er zählte ein Dutzend Punkte dazu auf:
• Die Kapazitätslüge: bei 660 000 Flugbewegungen werde keineswegs Schluss sein, eine Obergrenze werde Fraport nicht akzeptieren. In ein paar Jahren werde erneut ein weiterer Ausbau verlangt werden. Auch für die stündlichen Werte gebe es keine Obergrenze. "Es wird optimiert werden, und es gibt Lärm ohne Ende".
• Die Lärmlüge: die Flugrouten werden nicht planfestgestellt, niemand sagt uns, wo die Flugrouten später liegen werden. Hier soll die Katze im Lärmsack verkauft werden. Für den Ausbaufall existieren keine "Lärmerwartungsgebiete". Am Fraport Infomobil werde den Leuten erzählt, die Flugrouten seien dünne Linien, in der Praxis dürfe über einen 3 km breiten Korridor legal geflogen werden. Auch etwas abseits der Linie sei es nicht leise, sondern nur etwas weniger laut! Lärmobergrenzen würden von Fraport nicht angeboten, wie es sie etwa in Amsterdam gibt. Es nutze auch nichts, wenn einzelne Flugzeuge leiser würden, wenn es dafür immer mehr Flüge gebe. Der Lärm wird schöngerechnet, indem er über größere Zeiträume gemittelt werde. Die Messergebnisse seien immer höher als die berechneten Werte gewesen.
• Nachtflugverbots-Lüge: Ein gerichtsfestes Nachtflugverbot sei nicht möglich, die Lufthansa habe bereits Einwendungen dagegen erhoben und wolle klagen. Lufthansa habe sogar Anteile an Fraport erworben mit dem Ziel auf die Firmenpolitik Einfluss zu nehmen. "Ist Fraport bereit, die Landebahn nicht zu nutzen, wenn kein Nachtflugverbot kommt?" Auch ohne Nachtflugverbot gelte, was mit den genehmigten Bahnen möglich sei, könne geflogen werden, auch in der Nacht. "Welche Kapazität wird es ohne Nachtflugverbot geben?"
• Arbeitsplatzlüge: Die versprochenen Arbeitsplatzzahlen seien nicht verbindlich, die Prognosen seien von minderer Qualität. "Wenn wir das Wort Joblüge gebrauchen, wird Herr Amann immer ganz böse. Aber zusichern will Fraport die Arbeitsplätze nicht. Wenn es später anders kommt, wird man einfach sagen, damals waren wir dieser Meinung. Ist Fraport bereit, 50 000 Euro pro nicht geschaffenem Arbeitsplatz zu zahlen und an gemeinnützige Organisationen oder Arbeitslose zu verteilen?"
• Vollständigkeitslüge:"Warum fehlt immer noch das Gutachten über die Wirkung niedriger Überflughöhen auf die Menschen? Herr Wolf aus Eddersheim hatte deshalb den Abbruch des Verfahrens gefordert, was ist aus diesem Antrag geworden? Ich trete diesem Antrag bei, falls er noch nicht entschieden ist. " (RP: "Wir schauen in der Pause mal nach")
• Risikolüge: Die Risiken z.B. bezüglich Ticona würden ignoriert. Wir hätten schon erlebt, dass ein Flugzeug die Landebahn verfehlt, Fraport tue so, als könne das nie passieren.
• Planungslüge: Die Auswirkungen des Ausbaus würden nur bis 2015 betrachtet, ob Fraport glaube, die Menschen seien dann nicht mehr da? "Ich folgere, dass die Verantwortlichen bei Fraport einen ähnlich beschränkten Horizont haben. Und es wird nicht nur die vorhandene Nachfrage befriedigt, es wird noch künstlich Nachfrage geschaffen!"
• Mediationslüge: "Das "Mediationsverfahren" war nie eine echte Mediation. Die Fluggesellschaften haben sich längst vom Ergebnis verabschiedet. Auch Fraport hält sich nicht daran. Die Gutachter haben jetzt einen Nachtgrenzwert von 35 Dezibel am Ohr des Schläfers vorgeschlagen, in der Mediation waren es noch 3 Dezuibel weniger, die 100:100-Regel wurde nicht angewendet."
• Mangelnde Aufrichtigkeit der Politik: Bei einem Ausbau werde Offenbach völlig unter einem Lärmteppich verschwinden, das werde nicht zugegeben. Die Politiker meinten, sie könnten einen Teil der Region einfach wegwerfen. Warum? "Bimbes ist im Spiel!". Beim Braunkohletagebau würden ganze Dörfer umgesiedelt, auf Kosten des Betreibers. Das gehe in Offenbach aus politischen und finanziellen Gründen natürlich nicht, wahrscheinlich würde man auch keinen neuen Platz für Offenbach finden. Für mangelnde Aufrichtigkeit verwende man auch den Begriff "Lüge".

Man wolle Fakten schaffen, sich bei den Ausbaufolgen aber nicht festlegen - dies sei unerträgliche Arroganz, schloss Wagner seinen engagierten Beitrag. Man meine, man sei im "Fürstentum Fraport". "Die unheilige Allianz der Benders, Kochs und Ypsilantis werden sich die Bürger nicht länger gefallen lassen. Einige andere Politiker haben sich in letzter Zeit bereits plötzlich machtlos vorgefunden. Wir werden uns wehren, und es ist nicht ausgeschlossen, dass sich der Zorn laustark sehr kräftig artikuliert. Damit sind wir wieder beim TOP "Lärm". Für wen dieser Lärm schädlich sein wird, überlassen wir ihrer Fantasie." Die Einwender antworteten mit begeistertem Beifall.

Viele Einwendungen aus Rüsselsheim
Im Anschluss sprach Prof. Denk, Einwender aus Rüsselsheim. Denk wies darauf hin, die Gutachten seien nicht neutral, sondern von Fraport in Auftrag gegeben, und die Gutachter würden auch bei Fraport auf dem Podium sitzen. "Wir brauchen nicht zu glauben, ein Gutachter der sagt, der Lärm durch den Ausbau sei unerträglich, würde heute bei Fraport auf dem Podium sitzen". Einer der Gutachter habe schon bei der Startbahn West gegutachtet, es könne ausgebaut werden und der Lärm mache nichts. Leute, die nicht Bescheid wüssten, besonders die Politiker, würden getäuscht. Man werde für das Vorhaben auch den Sofortvollzug anordnen, wenn die Bahn erst einmal gebaut sei, würde kein Richter sich trauen, die Sache zu stoppen. Denk kritisierte, die DFS habe bei Festlegung der neuen Flugrouten in 2001 bereits die Belange des Ausbaus berücksichtigt, obwohl damals noch nicht entschieden gewesen sei. Auch zukünftig würden die Bürger bei der Festlegung der Flugrouten nicht gefragt. Die Lufthansa habe Anteile an der Fraport übernommen und wolle sich auch bei der Privatisierung an der DFS beteiligen.

Zwischenruf: Krake ...
Denk nannte als Beispiel die ihm bekannte Situation in Königstätten. Die Flugzeuge würden mitten über den Ort fliegen, obwohl die Flugroute am Ort vorbei laufe. Er habe beobachtet, dass eine Mutter ihrem kleinen Kind die Ohren zuhalte, wenn ein Flugzeug vorbeifliege. In der Realität seien die Einzelschallpegel und die Häufigkeit bedeutsam, solange man diese nicht betrachte, können man niemals die Betroffenheit nachvollziehen. Der VGH Kassel habe kürzlich entschieden, fuhr Denk fort, dass in Darmstadt eine neue Siedlung nicht errichtet werden dürfe, weil der Regionalplan an 60 dB(A) eine Siedlungsbeschränkung vorsehe. Jetzt beim Verfahren sei diese Grenze 62 dB(A). Mit der Begrenzung wolle man erreichen, dass keiner mehr in den verlärmten Bereich hinzieht und von Lärm geschädigt wird. Was würde aber mit denjenigen geschehen, die schon dort wohnen? Und mit denen, die durch den Ausbau in diese Lärmzone kämen? "Die Rechtsprechung bewahrt den Flughafen davor, dass sich in seiner Nähe jemand ansiedelt, aber niemand kommt darauf, dem Verursacher des Lärms Begrenzungen aufzuerlegen". Zum Schluss meinte Denk, dass Schlafentzug eine Foltermethode sei. Die Menschen würden Nacht für Nacht geweckt, nicht nur für 14 Tage im Labor, sondern für den Rest des Lebens. Dieser Lärmfolter können sie nur entgehen, wenn sie das "demokratische Recht wegzuziehen" in Anspruch nehmen würde.

Fraport: Fluglärm - überhaupt kein Problem!
Nach der Pause verkündete das RP, der Antrag von Herrn Wolf wegen des Niedrigstfluggutachtens sei abgelehnt worden (was auch sonst), es sei kein eigenständiges Gutachten gefordert worden. Fraport meinte, Angaben zum Thema fänden sich in den Antragsunterlagen. Die haben wir denn nur alle übersehen!
Herr Amann nahm dann kurz zu den Vorträgen der Einwender Stellung. In Sachsenhausen meinte er, gäbe es auch nach dem Ausbau keinen krank machenden Lärm: "Wir kommen hier zu Werten, die noch unterhalb des präventiven Richtwerts liegen". Das von Fraport angewendete Berechnungsverfahren, so meine man, sei richtig. Aus Vorhabensicht sei der Lärm zumutbar. Einen Wertverlust von Häusern sehe man nicht, die Bodenrichtwerte und Gutachten zeigten, dass das Rhein-Main-Gebiet zu den teuersten Wohnlagen gehöre. "Ich behaupte, Sie übertreiben hier maßlos. Das hat nichts mit Lüge zu tun, das können wir beweisen", meinte Amann. Die Region profitiere vom Ausbau auch im Hinblick auf die Immobilienpreise. In Offenbach gelte das gleiche.

Ein Lärmkontingent wolle man nicht, die Behörde habe aber Mechanismen, um das zu regeln. Zum Nachtflugverbot sagte Amann, "es kommt, deshalb müssen wir nicht auf die Benutzung der Landebahn verzichten". Man habe keinen Anlass anzu-nehmen, dass das Nachtflugverbot nicht komme. (Einwender-Zwischenruf: Bleibt es auch?). Für nicht geschaffene Arbeitsplätze werde man wahrscheinlich nicht zahlen. Die Fraport-Gutachter seien zu dem Ergebnis gekommen, dass die angenommene Zahl von Arbeitsplätzen geschaffen werde, wir denken dass das richtig ist. Dann sagte er: "es ist nicht unser Antragsgegenstand, Arbeitsplätze zu schaffen." Wir denken, dass es eintreffen wird, egal ob es jetzt 80000 oder 100000 sind. Bei der Frage des Sofortvollzugs habe Fraport schon bewiesen, dass man die gerichtlichen Entscheidungen abwarte, wahrscheinlich werde man das wieder tun. Herr Lurz ergänzte zur Entscheidung des VGH Kassel über die Siedlungsbeschränkung in Darmstadt, das Gericht habe keinesfalls gesagt, 60 db(A) seien der richtige Wert im Vergleich zu 62 dB(A), die Werte seien unterschiedlich berechnet und nicht vergleichbar [Anmerkung: das stimmt. Die 60 dB(A) aus dem Regionalplan sind nach 100:100 Regel berechnet, in vielen Orten fallen die so berechneten Werte deutlich höher aus als nach der Fraport-Methode - der Unterschied wird also noch viel schlimmer als nur 2 dB(A).] Die Ausführungen von Fraport wurden von heftigen Unmutsäußerungen und Zwischenrufen von den Einwenderbänken bedacht, die der Sitzungsleiter kaum in den Griff bekam.

Was wird aus den Immobilienpreisen?
Als nächste sprach Frau Boretty, früher Umweltdezernentin in Offenbach. Sie meinte, trotz selbst bezahlter Schallschutzfenster sei der Fluglärm immer noch zu hören, das sei kein Allheilmittel. Niemand könne bestreiten, dass Wohnungen an lauten Straßen billiger seien als solche in ruhigen Gebieten, und dass dort große Fluktuation herrsche. Es sei nicht plausibel, wenn es beim Fluglärm anders sei. Der Fraport komme zugute, dass die meisten Flugrouten am Rande der größeren Städte entlang führten, wo jetzt oft Siedlungen entstanden seien. Die Leute, die dort wohnten, hätten die Häuser gebaut und würden oft sehr daran hängen und deshalb trotz des Fluglärms bleiben. Die nächste Generation, die die Häuser erben würde, habe diese Bindung nicht mehr und würde versuchen, die verlärmte Gegend zu verlassen, wenn sie es nicht bereits getan hätten. Dann würden die Preise fallen. Fraport zitiere nur die Lärmuntersuchungen, die ihnen in den Kram passen würden. Aus den USA kenne man Beispiel, dass ganze Stadtviertel wegen des Fluglärms verslummt wären. "Mein Eindruck ist, Sie haben es schwer", sagte Boretty zum Schluss in Richtung Fraport. "Alle die hier sitzen glauben, das Verfahren ist nicht ergebnisoffen. Ich habe den Eindruck, dieses Verfahren ist für Sie eine Belästigung. Sie sollten die Einwendungen ernst nehmen. Die Menschen hier sind wütend, weil sie meinen, keinerlei Einfluss zu habn und schon klar ist, wie es ausgehen wird."

Maximum Krach in Bergen-Enkheim

Als nächstes sprach eine Einwenderin aus Bergen-Enkheim. Sie beschwerte sich über den Fluglärm an ihrem Wohnort. "Bergen-Enkheim liegt unter der Minimum Noise Route, so sagt die DFS. Ich sage, es ist eine "Maximum-Krach-Route". Bei ihnen sei nichts wunderbar, wie Fraport behaupte. Die Zunge der Lärmisophone höre 10 m vor einem geplanten Siedlungsgebiet auf. Die Flugroute ginge theoretsich an Bergen-Enkheim vorbei, tatsächlich würden die Flugzeuge aber direkt darüber fliegen. Im Sommer gebe es teilweise mehr als 160 Überflüge, viele davon lauter als 70 dB(A). Früher sei Bergen-Enkheim eine sehr gute Wohngegend gewesen, aber heute seien die Mieten gefallen und viele Häuser würden leerstehen. Es sei höchst ärgerlich, dass die Stadt Frankfurt dem Ausbau zugestimmt hätte, ohne Wissen wo die Flugrouten letztendlich hinkämen. "Sie nehmen in Kauf, dass ganze Stadtteile unbewohnbar werden", meinte sie in Richtung Fraport. Die neuen Bediensteten am Flughafen würden die leeren Wohnungen nicht füllen. "Wir werden die größte Lärm- und Dreck-Kloake Europas . Wer bezahlt uns unsere Vermögensschäden?" schloss sie ihren Beitrag.

Erlebnisse in Flörsheim
Die nächste Einwenderin kam aus Flörsheim. In einfachen, treffenden Worten schilderte sie ihre Erlebnisse mit Fluglärm und Fraport auf sehr unterhaltsame Weise. Zunächst forderte sie kostenlose Bus- und Bahnfahrten für Einwender. Die Fahrt von Flörsheim und zurück koste sie 20,50 Euro, das sei viel zu teuer.
"Mich findet man in keiner Statistik von Fraport. Man könnte glauben, in Flörsheim gebe es keinen Fluglärm! Schönfärbereien gibt es in den Plänen dagegen genug. Koch lässt keine Gelegenheit aus, um die Werbetrommel für den Ausbau zu rühren, der Ausbau müsse kommen, wegen des öffentlichen Interesses. Ich sage NEIN! Wir müssen nicht zu einem Megahub umfunktioniert werden. Wir haben jetzt schon mehr als genug vom Fluglärm. Es ist skandalös, wenn die ganze Stadt vom Fluglärm überdröhnt wird, wenn in derselben Straße dem einen Fluglärm anerkannt wird, dem direkten Nachbarn aber nicht. Herr Bender hat mir schon einmal am Telefon versprochen, man wolle ein Entschädigungsprogramm auflegen, worunter alle Flörsheimer fallen - jetzt sind wir aber nicht mehr dabei ... Die Flugzeuge halten die Route nicht ein und fliegen oft zu tief. Mir wurden schon 96,8 Dezibel bei 600 m Höhe vom Fluglärmschutzbeauftragten bestätigt. Das war innerhalb des gesetzlich erlaubten Korridors, aber ich denke, es war vermeidbar. Nach dem Ausbau werden die Flugzeuge in 250 Meter Höhe über die Stadt fliegen. Wir werden das nicht dulden! Das sind wir unseren Nachkommen und unserer Heimatstadt schuldig."

Die Einwenderin erläuterte danach das Problem der "umgekehrten indirekten und induzierten Arbeitsplätze" auf einfache Weise. Sie beklagte sich, ihre Immobilie habe nach Makleraussagen schon jetzt 18% an Wert verloren und sie habe schon 24 Monate totalen Mietverlust, weil niemand die Wohnung mieten wolle - es sei schon passiert, dass jemand nach 5 Minuten in der Wohnung wegen des Fluglärms gleich wieder gegangen sei. Ihre Rechnungen würden aber nicht um 18% gekürzt. Sie habe immer in die Wohnung investiert, damit sie gut vermietbar bleibe. Ohne Mieteinnahmen habe sie weniger Geld, könne sich weniger leisten. Das würde die Handwerker betreffen, die nun keine Aufträge zur Renovierung der Wohnung mehr erhielten. Auch Dienstleister, wie Friseur, Gaststätten, Geschäfte, würden weniger Geld erhalten, wenn sie weniger ausgeben könne. Dieses habe wiederum Folgen für andere. "Wenn ich mir das alles nicht mehr leisten kann, und man nimmt das mal 100 000 Betroffenen, betriftt das eine unvorstellbare Menschenmasse. Da gehen mehr Arbeitsplätze verloren als Fraport schaffen will! Wir haben nicht dafür geschafft, dass Fraport und Regierung uns jetzt alles wegnimmt".

Fraport habe man ihr schon einmal erklärt, viele junge Leute suchten doch Wohnungen, die gingen doch auch in die Disco und würden den Lärm tolerieren, berichtet die Einwenderin dem belustigen Publikum. "Wenn ich in die Disco gehe und es wird mir zu laut, kann ich nach Hause gehen. Bei uns gibt es keinen Schalter, mit dem man den Fluglärm einfach abstellen kann", meinte sie. Sie brauche keinen Wecker, zwischen 4 und 5 werde sie garantiert von Flugzeugen geweckt. Vor zwei Uhr könne sie nicht einschlafen. Entspannung in der Freizeit würde in der Freizeit nur selten gelingen."Es ist unglaublich, dass sich durch den Ausbau der Fluglärm noch verdoppeln soll. Die Nachteile und Gefahren des Ausbaus sind zu groß, das öffentliche Interesse wiegt das nicht auf. Der Ausbau darf und kann nicht kommen. Ich kämpfe für alle Menschen in unserer Stadt und unserer Region".
Das RP meinte, eine Kostenerstattung für Einwender sei nicht vorgesehen. Herr Amann kommentierte, man halte die Erörterung nicht für eine Belästigung und wolle auch diskutieren, aber sachlich. Die "Minimum Noise Route" in Bergen-Enkheim sei wohl eine solche, in der Gesamtbetrachtung erzeuge diese Route etwas weniger Lärmbetroffenheit als andere (Zwischenruf: "Sie machen uns zu Lärmsklaven!"), Wenn die Einwenderin aus Flörsheim ihre Wohnung nicht vermieten könne, bedauere er das, aber nach den Recherchen von Fraport liege das nicht am Fluglärm. Vielleicht gebe es Einzelfälle, ... An dieser Stelle wurde der "Lärm von den Einwenderplätzen" so laut, dass Herr Amann darauf verzichtete, weiter zu sprechen: "Ich kann auch aufhören, es kommt sowieso nicht Neues mehr".

Auch Ärger im Taunus
Ein Einwender aus Schlossborn beklagte den Fluglärm im Taunus durch die Flugroutenänderung in 2001. Es würde nicht berücksichtigt, dass die Flugzeuge gegen den Berg fliegen und die Höhe über Grund bis hin nach Oberreifenberg nicht abnehmen würde. Der Taunus sei früher eine schön ruhige Wohnlage gewesen, jetzt würden auch hier Häuser leer stehen. Junge Familien mit Kindern würden nicht mehr nach Schlossborn ziehen. Eine Kindergartengruppe habe deswegen schon geschlossen werden müssen. Man erwarte, dass es nach einem Ausbau noch viel lauter werde, den Zusicherungen der Fraport glaube man nicht. Er forderte eine Obergrenze für die Zahl der Flugbewegungen und der Tonnage (Gewicht der Flugzeuge, um zu verhindern, dass immer mehr schwere Flugzeuge fliegen) im Planfeststellungsbeschluss. Die neu entstehende Kapazität sollte zum Teil dazu genutzt werden, durch lärmärmere Flugverfahren (wie CDA) und andere Flugrouten die Belastung zu verringern. Außerdem kritisierte der Einwender die ausschließliche Verwendung des Dauerschallpegels.

Das RP meinte, dieser Frage müsse man nachgehen. Zum Dauerschallpegel ergriff überraschenderweise Prof. Jansen das Wort. Der äquivalente Dauerschallpegel (LEQ) sei genormt und würde genommen, weil es eine gute Korrelation zwischen dem Dauerschallpegel und der Belästigung gebe. Nachts seien Maximalpegel und ihre Zahl dagegen relevant, weil man davon aufwachen könne. Dr. Christian Maschke, der lärmmedizinische Sachverständige der Einwenderseite, meinte, man müsse auch die Quelle brücksichtigen. Bei einem Transformator, der ein gleichmäßiges Geräusch abgibt, sei der Dauerschallpegel zutreffend, bei intermittierendem Lärm sei das anders. Er zitierte als Beispiel einen Ort bei einem Militärflughafen, der von einem Überflug mit 100 dB(A) betroffen sei, was über 16 Stunden einen Dauerschallpegel von etwa 60 dB(A) erzeuge. Hier müssten also 16 Stunden Kommunikationsstörung herrschen, in der Realtität wäre aber nur eine Minute gestört. Man nehme den Dauerschall-pegel, weil man bis heute keine bessere Alternative habe, für einige Situationen sei er aber nicht geeignet. Insbesondere wollte er wissen, wo denn die Eignung des LEQ zur Untersuchung von Kommunikationsstörungen bewiesen worden sei. Prof. Scheuch, Fraport-Gutachter, wandte ein, der LEQ liege den meisten Untersuchungen zugrunde, und machte aus der von Maschke geforderten Betrachtung der Quelle, man müsse die Betrachtung von der Zielgröße abhängig machen. [Anmerkung: Hier wird es bestimmt noch eine Fachdiskussion geben. Wahrscheinlich wird der immer wieder von Einwendern geäußerte Wunsch, Zahl und Höhe der Einzelschallpegel zu berücksichtigen, aber auch hier wieder nicht erfüllt werden. Die Fraport würde ja nicht einmal die entsprechenden Daten rausrücken.]

Noch mehr Einwendersorgen in Frankfurt

Ein zweiter Einwender aus Sachsenhausen trug vor, an seinem Wohnort sei der Fluglärm jetzt noch ganz erträglich. Nach dem Ausbau würde er direkt unter die Flugroute geraten: "Wir werden von Null in die Lärmhölle katapultiert". Wie dick es kommen werde, könne man auch ganz ohne Gutachten einfach feststellen: man müsste nur zur jetzigen parallelen Einflugschneise gehen und dort lauschen. Für die Nordwestbahn schätze er, man werde immer 30 Sekunden Fluglärm haben und danach 60 (oder 90) Sekunden Ruhe. Außerdem werde es, wenn es voller würde, wahrscheinlich neue Flugrouten geben, um die Flugzeuge besser verteilen zu können. Der Einwender meinte, es bestehe konkreter Handlungs-bedarf, nämlich der Bedarf, den Ausbau zu unterlassen. Bisher intakte Wohngebiete würden entwertet. 1987, als er sein Haus gebaut hätte, hätte die Politik gesagt, es würde kein weiterer Ausbau mehr stattfinden.

Eine weitere Einwenderin aus Frankfurt schilderte eindringlich ihre persönliche Betroffenheit. Die Einwendung wurde wegen Abwesenheit nur von einer Bekannten verlesen, war aber dennoch sehr beeindruckend. Sie schilderte den jetzt schon unzumutbaren Fluglärm. Es werde gesagt, die Stadt sei auf den Flughafen zu gewachsen, aber das Gegenteil sei der Fall, der Flughafen rücke immer näher an die Stadt heran. Frankfurt werde in Teilen unbewohnbar werden. Sie könne nicht mehr schlafen, sei tagsüber immer müde, sich erholen und den Garten nutzen könne sie bei Ostwind schon lange nicht mehr. Sie rechne mit einer weiteren Verschlechterung ihrer jetzt schon vorhandenen gesundheitlichen Probleme, ihr Grundrecht auf Gesundheit werde eingeschränkt. Fraport stelle die Lärmwirkungen als unwesentlich dar, dies sei eine menschenverachtende Einstellung. Wer es sich leisten könne, werde aus den lärmbelasteten Gebieten wegziehen. Die Einwender seien überzeugt, dass trotz aller guten Argumente der Ausbau genehmigt würde. Bisher sei nicht ein einziger Antrag der Betroffenen angenommen worden, dies sei ein wesentlicher Grund für die schwache Beteiligung. "Für Sie ist das Ihre Arbeit", meinte sie zum Podium, "die Betroffenen müssen extra Urlaub nehmen. Das Vertrauen in Fraport fehlt völlig. Das Vertrauen in das RP ist so groß wie das Vertrauen zu einem Vetreter, der einem Bauern eine Melkmaschine verkauft und sich dafür mit der einzigen Kuh des Bauern bezahlen lässt".

Ein neuer Befangenheitsantrag gegen das RP-Podium
Ein Einwender aus Offenbach merkte an, dass nach der Arbeitsstättenverordnung für geistige Tätigkeit der Dauerschal-lpegel nicht mehr als 55 dB(A) betragen dürfe. Ob Arbeitnehmer wie Polizisten, Vermessungsingenieure oder Kindergärtnerinnen, die im Freien arbeiten würden, in Offenbach (62 dB(A)) ihre Tätigkeit ausüben dürften? Prof. Scheuch konnte die Frage beantworten: Es gebe jetzt eine neue Arbeitsstättenverordnung, in dieser komme die genannte Vorschrift nicht mehr vor. Warum wisse er nicht, wahrscheinlich liefe das unter dem Stichwort "Entbürokratisierung". Die 55 dB(A) in der alten Verordnung hätten sich auf "geistig-schöpferisch Tätigkeit" bezogen. Die vom Einwender genannten Tätigkeiten würden nach dieser Denkweise aber unter "Routinetätigkeit" fallen und seien nicht geschützt.
Der Einwender stellte danach den zweiten Befangenheitsantrag gegen das gesamte RP-Podium; mit Ausnahme von Herrn Gaentzsch seien alle schon bei der A380-Anhörung dabei gewesen und hätten dort entschieden, gegen die Planfeststellung für die A380-Halle hätten sie keine Bedenken gehabt. Sie seien befangen, er habe kein Vertrauen zum RP. Ein weiterer Abbruchantrag des Einwenders wegen der Äußerung von Fraport-Chef Bender, mit dem A380 sei der Kapazitätsengpass am Flughafen behoben (weshalb man keinen Ausbau mehr brauche) ist noch nicht entschieden.

Danach nahm nochmals Fraport zu den Vorträgen der Einwender Stellung (eine direkte Antwort auf Fragen ließ Versammlungsleiter Hoepfner trotz Protesten der Einwender nicht zu). Herr Lurz wiederholte die Aussage, in Sachsenhausen sei auch im Ausbaufall keine Gesundheitsgefährdung zu erwarten. Wertminderung von Immobilien oder Abwanderungstendenzen werde es nicht geben.

Gewöhnung an Lärm - oder Fraport-Gutachter raus?
Der spannende Erörterungstag endete nochmals mit einer heftigen Konfrontation. Ein Einwender meinte, der Mensch müsse im wachen Zustand als auch im Schlaf auf Geräusche reagieren, um bei Bedarf flüchten zu können, Hormone würden augeschüttet. Wer das nicht könne, sei ausgestorben. Frau Prof. Griefahn antwortete darauf, im Prinzip habe er recht, im Gehirn sei aber auch Gewöhnung möglich. In realen Situationen im Unterschied zu einem kurzen Laborversuch könne sich das Gehirn an den nächtlichen Fluglärm gewöhnen. Der Einwender meinte darauf, wenn er gerade beim Einschlafen sei und plötzlich würde ein Flugzeug mit 70 dB(A) über ihn hinwegdonnern, würde er erschrecken und sich fürchten, da gebe es keine Gewöhnung. Griefahn wiederholte daraufhin ihre These und meinte, im Einzelfall seien auch Sensibilisierungen möglich. Gott sei Dank gewöhnen sich aber die meisten". An dieser Stelle brach ein heftiger Tumult aus, die "Ruhe!"-Aufforderungen des Ver-sammlungsleiteres gingen in Protesten unter. Prof. Denk war empört: "Ich wohne hier seit über 30 Jahren. Es blendet jegliche Realität aus, wenn man sagt, man könne sich an nächtliche Überflüge gewöhnen. Wer lebt denn schon so lange hier wie wir? Eine Behauptung, man würde sich gewöhnen, ist ein starkes Stück". Er stellte den Antrag, Prof. Griefahn als Gutachterin auszuschließen.

Prof. Scheuermann aus Frankfurt fragte auch nach der Validität der Gutachten. Er arbeite selbst wissenschaftlich. Jüngst habe er eine Untersuchung gelesen, die sich mit der Validität von in Zeitungen veröffentlichten Gutachten befasse. Die Untersuchung sei zu dem Schluss gekommen, kein Gutachten, das von einem Auftraggeber finanziert worden sei, sei brauchbar. "Wir schmeißen solche Arbeiten gleich in den Mülleimer", sei das Fazit gewesen. Er fragte, ob und wie das RP die Auswahl der Gutachter geprüft habe. "Wir können keine Gegengutachten finanzieren", meinte er. Fraport solle eine entsprechende Geldsumme an eine unabhängige Stelle oder an das RDF geben, um ein neutrales Gutachten erstellen zu lassen. Ob der Vorsitzende den Gutachten der Fraport blind glauben würde? Das RP antwortete aus-weichend: man habe die Gutachten nur auf Vollständigkeit geprüft. Ob die Aussagen darin richtig sind, werde das Verfahren zeigen. Die These von der Gewöhnung wurde dann noch einige Minuten kontrovers diskutiert. Prof. Griefahn trat immer weiter ins Fettnäpfchen: "Wir orientieren uns nicht am Einzelfall. Wir haben Bereiche definiert, wo ein Handlungsbedarf besteht".
Nun ja, die Einzelfälle haben eben Pech gehabt. Eine wütende Einwenderin brachte das Problem auf den Punkt: "Es ist ein Unding, dass man überhaupt durch Flugzeuge aufgeweckt wird."

Sprüche des Tages:
• „Hier soll die Katze im Lärmsack verkauft werden.“
RA Wagner zum Problem, dass Flugrouten nicht planfestgestellt werden
• „In diktatorischen Staaten wird Lärm als Folterinstrument eingesetzt. Möge die Behörde das berücksichtigen.“
Einwender
• „Hier sitzen keine volltrotteligen Idioten, die sie ständig bekehren müssen.“
RA Fislake zum Vortrag des Fraport Gutachters Prof. Scheuch
• „Es ist nicht unser Antragsgegenstand, Arbeitsplätze zu schaffen.“
Herr Amann, Fraport, zur Arbeitsplatzprognose
• „Bei uns gibt es keinen Schalter, mit dem man den Fluglärm einfach abstellen kann.“
Einwenderin aus Flörsheim zur Fraport-Aussage, die Leute würden ja auch in die Disco gehen, dort störe sie der Lärm nicht
• „Wir werden von Null in die Lärmhölle katapultiert.“
Einwender aus Sachsenhausen zu den Ausbauplänen
• „Das Vertrauen in das RP ist so groß wie das Vertrauen zu einem Vetreter, der einem Bauern eine Melkmaschine verkauft und sich dafür mit der einzigen Kuh des Bauern bezahlen lässt.“
Einwenderin zum RP

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Bündnis der Bürgerinitiativen Kein Flughafenausbau - Für ein Nachtflugverbot
Verantwortlich: Winfried Heuser, Frankfurt/Main, Sprecher des Bündnisses