|
Erörterungstermin - Bericht vom 4.11.2005
Viele
Einwender gegen den Lärm - ein spannender Tag!
Initiative Zukunft Rhein-Main, Von cf •• 2005-11-01
Am Freitag, dem 4.11.2005, begann die Diskussion von Punkt 5,
Lärm. Begonnen wurde mit der Vorstellung der Fraport-Gutachten.
Auf dem Podium waren die Lärmwirkungsforscher der Fraport
- Prof. Griefahn, Prof. Jansen, Prof. Scheuch, Prof. Spreng -
vertreten. Schon früh am Morgen waren viele Privateinwender
gekommen und hatten auch geschafft, sich zu Wort zu melden - sie
sorgten für einen äußerst spannenden Erörterungstag.
Teils mit scharfsinniger Kritik, teils mit treffenden Schilderungen
ihrer persönlicher Betroffenheit ließen sie an der
Fraport, deren lärmmedizinischen Gutachtern und den Ausbauplänen
kein gutes Haar.
Die Vorstellung der Fraport-Gutachten
Zu Beginn stellte Prof. Scheuch, stellvertretend für das
Team der Fraport-Gutachter - in Einwenderkreisen auch "Viererbande"
genannt - das Gutachten G12.1 vor, in dem "Fluglärmkriterien
für ein Schutzkonzept" dargestellt werden. Grundlage
dieses Gutachtens ist die sog. "Synopse", ein Papier
der vier Professoren, das zum ersten Mal beim Raumordnungsverfahren
auftauchte. In diesem Papier werden Grenzwerte und Berechnungsverfahren
für den Fluglärm (für den Neubau und Ausbau von
Flughäfen) vorgeschlagen. Die weiteren vorgelegten Guatchten
orientieren sich dann an diesen Grenzwerten und Verfahren. Der
Vortrag von Prof. Scheuch war sehr akademisch und theoretisch
und kam daher bei den Einwendern (im doppelten Sinn des Wortes)
nicht gut an.
Prof. Scheuch sagte, er sehe die Problematik, dass die Gutachten
im Auftrag von Fraport erstellt worden seien, und fragte, warum
nicht eine staatliche Institution so etwas mache. Man habe im
wesentlichen eine Menge bestehender Untersuchungen zur Lärmproblematik
ausgewertet und die Erkenntnisse zusammen-gefasst (daher heißt
das umstrittene Papier wohl auch "Synopse"). Im Gutachten
12.1 seien alle kontroversen Diskussionen zusammengefasst. Das
Ziel der Untersuchung orientiere sich an der Vermeidung von Krankheiteiten,
aber auch dem Schutz der Gesundheit. Unter Auswirkung auf die
Gesundheit beziehe man auch Auswirkungen auf Befinden und Leistungs-fähigkeit
ein, daher habe man verschiedene Schutzziele definiert. Man mache
einen Vorschlag für "Begrenzungswerte" (keine Grenzwerte,
die müssten die Behörden festlegen) und zeige dabei
auch Spielräume auf. Oberstes Ziel sei der Schutz der Gesundheit.
Dafür gelte der Kritische Toleranzwert. Hier müssen
Gesundheitsschäden bewiesen sein oder es muss ein sehr begründeter
Verdacht dafür bestehen. Die zweite Stufe ist der Präventive
Richtwert. Hier seien gesundheitliche Beein-trächtigungen
nicht ausgeschlossen, Störungen bei sensiblen Gruppen könnten
auftreten. Handlungsbedarf sei "grundsätzlich gegeben".
Lärm ist doch ein Teil des Lebens ...
Hauptproblem der wissenschaftlichen Diskussion sei, so führte
Scheuch aus, dass Reaktionen in vielen Fällen auftreten,
"weil wir leben". Die Reaktion auf Lärm sei Teil
der physiologischen Lebensreaktion, daraus eine Gesundheitsgefährdung
abzuleiten, sei problematisch. Man könne daraus nicht folgern,
dass man gar nichts tun müsse, denn bei sensiblen Gruppen
seien ja negative Auswirkungen möglich. Auch wenn es keine
pathologische Wirkung gebe, sollte trotzdem (wo möglich)
Lärmminderung betrieben werden, zumindest als langfristiges
Ziel. Spätestens hier wussten die meisten Einwender, woran
sie mit dem Gutachter sind.
Scheuch erläuterte, die Synopse gelte für wesentliche
Änderungen (und den Neubau) von Flughäfen. Die in Gebrauch
befindlichen Berechnungsgrundlagen habe man analysiert. Man müsse
prüfen, wie der Stand der Ergebnisforschung auf diesem Gebiet
sei. Weltweit werde überwiegend der LEQ (Dauerschallpegel)
verwendet, für andere Maße hätte man keine Wirkungsunter-suchungen.
Man habe, wie in Deutschland üblich, den LEQ für den
Tag und für die Nacht berechnet. Maximalschallpegel müssten
in bestimmten Situationen berücksichtigt werden. Zur 100:100-Regel
gebe es keine Untersuchungen, alle Unter-suchungen beruhten auf
der "Realverteilung". "Unsere Annahmen wirkungsseitig
untersetzen, das können wir nicht", sagte Scheuch (verstanden
haben wir das nicht). Die 100:100-Regel erzeuge Ungleichheit [meint:
in Frankfurt würden die nur bei Ostwind Betroffenen "zu
viel" Schutz erhalten].
Werte verwirren nur ...
Wir bringen keine Werte, wir möchten sie nicht verwirren,
sagte Scheuch weiter. Zu Gesundheitsschäden meinte er, der
einzige wirklich beweisbare Gesundheitsschaden durch Lärm
sei der Hörschaden. Hinsichtlich anderer Erkrankungen, z.B.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, gäbe es umfangreiches Material,
die Kausalität sei aber nicht sicher bewiesen. Trotzdem sollte
man handeln, wenn der "kritische Toleranzwert" überschritten
sei. Nachts sei man sich meist einig, dass die Maximalpegel und
ihre Anzahl relevant sei, weil man davon aufwachen könne.
Der kritische Toleranzwert orientiere sich an der Aufwachschwelle,
der präventive Richtwert an der Hormonausschüttung.
Das Kriterium "6 x 60 dB(A) pro Nacht" sei ein statistischer
Wert, der über einen längeren Zeitraum nicht überschritten
werden solle [im Klartext: die Zahl der Ereignisse gilt nicht
pro Einzelnacht, sondern wird über ein halbes Jahr und beide
Betriebsrichtungen gemittelt ! ]. Das Jansen-Kriterium tauche
hier wieder auf, es sei nicht widerlegt worden. Der präventive
Richtwert nachts sei 6 x 53 dB(A) innen, am Ohr des Schläfers.
Man sei "hierbei von Fenstern ausgegangen, die das Lüften
zulassen, durch Kippen oder Spaltlüftung".
Bei der Belästigung gebe es eine Dosis-Wirkungsbeziehung,
der größte Teil der Belästigung hänge aber
nicht vom Schallpegel ab. Der Teil, der nicht vom Schallpegel
abhänge, werde immer größer. [Anmerkung: vielleicht,
weil die Anzahl der Flüge dauernd steigt?] Mit der Betrachtung
der Kausalitäten müsse man hier vorsichtig sein.
"Wir akzeptieren 25-30% erheblich Belästigte"
An diesem Punkt wurde der Vortrag durch Rechtsanwalt Schröder
geschäftsordnungsmäßig unterbrochen. "Ich
bin verblüfft, dass wir hier einen Galoppritt durch die Synopse
machen", monierte er. Dies passe nicht zur Tagesordnung.
"Das RP hat die Synopse wohl schon auf gleiche Ebene wie
die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte gestellt." Fraport
protestierte, der Gutachter Scheuch bekam wieder das Wort. Er
fasste sich kurz. Die Kommunikationsstörung gehe mit in die
Belästigung ein, die Beurteilung beruhe auf dem Dauerschallpegel.
Ergebnisse in der normalen Lebenssituation gebe es nicht. Und:
"Wir akzepieren 25-30% erheblich Belästigte". Dieses
Kriterium könnte korrigiert werden, denn die Belästigung
nehme zu, es gebe Überschuss-reaktionen. Schutzbedürftige
Bereiche (wie Kindergärten, Schulen, Altenpflegeheim) habe
man berücksichtigt, auch wenn in diesen Bereichen durch normale
Aktivitäten höhere Lärmpegel auftreten würden
als durch Fluglärm. Gegenwärtige Studien gäben
keinen Anlass zu einer Änderung der Synopse.
Die unvollständige Liste der Einwendungen
Hier wurde endlich eine Pause eingelegt, die meisten Einwender
hatten von den abstrakten Vortrag längst genug. In der Pause
hielt der deutsche Fluglärmdienst eine Pressekonferenz ab,
in der die Ergebnisse der Messungen von Landung und Start des
A380 in Frankfurt vorgestellt wurden. Nach der Pause begann ein
RP-Vetreter, die wichtigsten Einwendungen vorzutragen. Die recht
akademische Liste ist im folgenden in Stichworten aufgezählt.
Die wichtigste Einwendung - dass die Menschen unter dem Lärm
leiden und einfach nicht noch mehr davon haben wollen - kam in
der Liste nicht vor!
• Gutachten G12.1 und G12.2 haben schwerwiegende Mängel,
akzeptieren zu hohe Pegel
• Lärmschutzkonzept muss von Kombination aus Dauerschallpegel
und Einzelschallereignissen ausgehen
• Physikalische Faktoren des Lärms, wie Anstiegssteilheit
und Frequenz, sind nicht berücksichtigt
• Relative Lärmzunahme wird nicht berücksichtigt
• 100:100-Regel wird nicht berücksichtigt, diese sei
in Berlin-Schönefeld auch genommen worden
• Richtwert von 25% Belästigter nicht akzeptabel
• Stand der Lärmmedizin nicht korrekt abgebildet
• Zuschläge für Randstunden (nach EU-Richtlinie)
sind nicht berücksichtigt
• Entwurf für neues Fluglärmgesetz wird nicht
berücksichtigt
• Erkenntnisse der DLR-Studie werden nicht berücksichtigt
• Forderung nach anderen Grenzwerten, z.B. 60 dB(A) für
Gesundheitsgefahr
An diesem Punkt wurde das Verlesen der Liste von Rechtsan-wältin
Fridrich unterbrochen. Es sei unangebracht, die wichtigen Einwendungen
von 127000 Einwendern hier dermaßen langweilig vorzulesen,
meinte sie. Und damit hörte die Verlesung der Liste auch
auf. So richtig die verlesenen Einwendungen auch waren, die Sorgen
der meisten Einwender dürfte die Liste nicht gut getroffen
haben. Danach kamen die ersten Einwender zu Wort.
Offenbach protestiert
Der Offenbacher (Ober-) Bürgermeister Schneider übte
heftige Kritik an den Gutachten. "Wenn namhafte Wissenschaftler
wie Prof. Scheuch hier meinen, der Lärm sei für die
Lebensqualität nur von untergeordneter Bedeutung, dann brauchen
wir ja hier gar nicht erst anfangen ... Aus Gutachtersicht ist
hier dem Projekt ein Persilschein ausgestellt worden".
Direkt danach sprach ein Vertreter der Gemeinnützigen Bau-gesellschaft
Offenbach. Er begann mit einem ironischen Seiten-hieb auf die
Gutacher (die gesagt hatten, sie gingen von Innen-werten bei Fenstern
aus, die Lüftung zulassen): "Wir vermieten Wohnungen
mit Fenstern, die zu öffnen sind, und Balkons haben die Wohnungen
auch. Wir sind Ombudsmann für 33000 Mieter, die nicht hier
sind, weil sie arbeiten müssen oder den Glauben an ein ergebnisoffenes
Verfahren nicht haben". Der nächste Seitenhieb galt
dem A380-Urteil des VGH Kassel, weil die Richter "Politik
machten". Allein die erste Stufe im Verfahren habe die Wohnungsbaugesellschaft
35000 Euro gekostet, "35000 Euro im Glauben an den Rechtsstaat"
. Die Revision hätte nochmals mehr als 40000 Euro gekostet,
dies hätte man dann angesichts der Sachlage lieber gelassen.
Vertrauen in den Rechtsstaat hatte dieser Einwender nach dem Erlebnis
der Verhandlung offensichtlich nicht mehr. Zum aktuellen Tagesordnungspunkt
sagte er: "Es geht um das subjektive Lärmempfinden unserer
Mieter, nicht um irgendwelche Berechnungen". Und er erinnerte
daran: "In diktatorischen Staaten wird Lärm als Folterinstrument
eingesetzt. Möge die Behörde das berücksichtigen"
.
Die Situation in Darmstadt
Eine Einwenderin aus Darmstadt schilderte die Fluglärmsituation
im Darmstädter Norden. Vor dem Bau der Startbahn West habe
es dort gar keinen Fluglärm gegeben. Darmstadt sei im Planfeststellungsverfahren
von 1971 nicht beteiligt gewesen, da angeblich keine Belastungen
zu erwarten gewesen sein (!!). Heute liegen die nördlichen
Stadtteile an einer stark beflogenen Flugroute (KNG kurz). Vom
1. Mai - 31. Oktober 2004 habe es 30 000 Flüge gegeben, davon
5000 nachts und viele davon mit Spitzenpegeln über 70 dB(A).
Der Lärmkorridor in Wixhausen und Kranichstein sei drei Kilometer
breit, 30 000 Bewohner seien betroffen. Nach den Unterlagen der
Fraport gebe es in Darmstadt 15 Bewohner, die von Kommunikationsstörungen,
und 16 Bewohner, die von Schlafstörungen betroffen seien
- das wirke für die Bürger einfach lächerlich.
Sie forderte eine Anpassung der Gutachten an die reale Situation.
Die Landesregierung solle die Bevölkerung vor Fluglärm
schützen, eine Beschränkung der Flugbewegungen sei zum
Nutzen der ganzen Region, sagte sie weiter. "Entscheiden
Sie im Sinn von nachhaltiger Regionalentwicklung, geben Sie der
Region eine Chance zur Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität",
forderte die Einwenderin die Behörde auf. Eine Zentralisierung
von Flugbewegungen in einem dicht besiedelten Gebiet sei untragbar.
Stattdessen sollte man Flüge in strukturschwache Regionen
verlagern. Der Ausbau der Hubfunktion in Frankfurt diene nicht
der Verbesserung der Infrastruktur der Region, sondern nur den
unternehmerischen Zielen der Fraport. Dies führe zu wirtschaftlichen
Monostrukturen mit vielen Risiken für die Region.
Dr. Rahn gegen das Fraport-Gutachten
Als nächster ging der Frankfurter Arzt Dr. Rahn ans Rednerpult,
der schon einmal mit einer hervorragenden Rede Star des Tages
gewesen war. Und auch die heutige Rede enttäuschte die Erwartungen
der Zuhörer nicht. Rahn hatte diesmal aus den Gutachten hervorstechende
Zahlen und Zitate herausgesucht und diese kommentiert, und was
da herauskam, war schon bemerkenswert. Die Rede wird hier in Auszügen
wiedergegeben, alles konnte nicht mitgeschrieben werden.
Als erstes nannte Rahn Zahlen aus den Fraport-Gutachten. Nach
diesen Gutachten sei sowohl jetzt als auch bei einem Ausbau niemand
von Gesundheitsschäden betroffen. Ein Ausbau sei also aus
gesundheitspolitischer Sicht dringend geboten! Ganze 659 Personen
seien laut Gutachten aktuell erheblich belästigt. Es gebe
aber 127 000 Einwendungen, davon richteten sich bestimmt 125 000
gegen den Lärm. Wie sich wohl diese Diskrepanz erklären
lasse? Und wo würden die 659 Personen wohnen? "In Frankfurt
gibt laut Gutachten genau eine stark belästigte Person. Sie
meinen wohl mich?" , sagte Rahn zu Fraport. Bei der Kommunikation
seien laut Gutachten immerhin 24000 Personen betroffen ("immerhin
1% von 2 Millionen Menschen in der Region", davon genau 4
in Frankfurt. "Zur Zeit sind also in Frankfurt gerade einmal
5 Personen ernsthaft vom Fluglärm betroffen. Die könnten
nach deutschem Vereinsrecht noch nicht einmal einen Verein gründen,
dazu braucht man nämlich 7 Personen." Nur 2000 Leute
seien angeblich in lärmsensiblen Einrichtungen betroffen
- allein die Frankfurter Uniklinik habe aber mehr Betten. Im Planfeststellungs-verfahren
sei die Zahl der zusätzlich von Lärm Betroffenen nur
noch 1/4 (16000) vom Wert des Raumordnungsverfahrens (62000).
Auch die Zahl der Betroffenen in lärmsensiblen Ein-richtungen
habe drastisch abgenommen, von mehr als 9000 auf etwa 1000. Wie
man so etwas hinbekomme? Ganz einfach, die Grenzwerte würden
einfach so angesetzt, dass keiner mehr betroffen sei.
Als nächstes zeigte Rahn eine Karte mit einer 60 dB(A)-Isophone
aus dem Raumordnungsverfahren. Innerhalb dieser 60-dB(A)-Kontur
lebten damals etwa 64000 Menschen. Aus den PFV-Unterlagen zeigte
er eine 59-dB(A)-Kontur, die per Definition etwas größer
als die 60-DB(A)-Kontur ist und diese umfasst. Wieviel Menschen
in dieser 59-dB(A)-Kontur wirklich wohnten, wisse er nicht, aber
es müssten (da der Bereich größer ist) auf jeden
Fall mehr sein als innerhalb der 60-dB(A)-Zone. Doch nach den
PFV-Unterlagen seien es nur 38733 Personen. Dies sei schlicht
unmöglich. Da man sich solche Vergleichstabellen mühsam
aus den Unterlagen zusammensuchen müsste, würden solche
Inkonsistenzen nicht auffallen.
In Deutschland fühlten sich nach repräsentativen Umfragen
65% der Menschen vom Straßenlärm und 37% vom Fluglärm
belästigt. Doch im Gutachten G12.1 finde man den Satz: "Die
Lebens-qualität hängt von einer Vielzahl von Faktoren
ab, Lärm spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle".
Parameter der Lebensqualität würden gern mit Fragebogen
erfasst. Doch im Gutachten G12.1 , Seite 10, sei zu lesen, Befragungen
seien nicht zu empfehlen "da mit einem Schutzkonzept Handlungsnotwendigkeiten
zu verbinden sind, die das Begehrensverhalten Betroffener unterstützt".
Die Befragten könnten ja auf die Idee kommen, etwas vom Lärmver-ursacher
zu fordern! Auf Seite 11 finde man die Aussage, "beim Lärm
sei außer dem Verursacherprinzip auch das Vorsorgeprinzip
zu prüfen und durch Aufklärung, Kooperation und Partizipation
Akzeptanz zu erreichen". Es solle also Vorsorge getroffen
werden, dass der Lärmverursacher nicht in Anspruch genommen
wird! Wie das mit der Aufklärung gemeint ist, würde
man ja sehen: es würden 100 000 Arbeitsplätze versprochen.
"Wie kann man nur einen solchen Nonsens in ein Gutachten
schreiben und das auch noch öffentlich auslegen? Einen Doktoranden
würde ich mit einem Fußtritt zum Teufel jagen, wenn
er bei mir mit so einem Gutachten ankäme", schimpfte
Rahn.
Bei den Schwellwerten sagten die Gutachter, es gebe nachweis-bare
physiologische und psychologische Veränderungen, die man
auch messen könne, aber ob das zur Krankheit führe sei
unklar: "Eine wissenschaftliche Prognose über Langzeiteffekte
ist beim heutigen Wissensstand nicht möglich, ein unmittelbarer
aktueller Handlungsbedarf für Flughäfen ergibt sich
aus diesen Werten nicht". Es müsse aber eine Beweislastumkehr
gelten: Bei Medikamenten werde schon beim kleinsten Verdacht auf
schädliche Wirkungen die Zulassung entzogen, und der Hersteller
müsse nachweisen, dass sein Produkt den Schaden nicht verursacht
habe. Das müsse auch beim Fluglärm für den Lärmverursacher
gelten. [Anmerkung: weiter hinten im Gutachten steht noch genauer,
Schwellenwerte seien bei der Entscheidung nicht zu berücksichtigen
und auch aus lärmmedizinischer Sicht nicht von juristischer
Bedeutung.]
Zum Thema "präventiver Richtwert" (hier "können
bei sensiblen Gruppen Beeinträchtigungen auftreten")
meinte Rahn, es gäbe im Jahr 280 000 Todesfälle durch
Herzinfarkt. Wenn nur 3% davon durch Lärm verursacht würden,
wären das über 25 000 Todesfälle im Jahr. Man könne
doch hier nicht sagen, das spiele keine Rolle! Sensible Gruppen
(laut Gutachter Alte, Kranke, Kinder) machten immerhin 30-40%
der Bevölkerung aus. In zivilisierten Ländern werde
allgemein anerkannt, dass man diese Gruppen schützen müsse
- sogar in einigen nicht-zivilisierten Ländern - doch im
Gutachten steht: "Von der Berechnung von Schutzzonen für
lärmsensible Einrichtungen wird dringend abgeraten, um die
Übersichtlichkeit der Bereiche für die Normalbevölkerung
zu wahren". Im Gutachten finde sich die Aussage "das
Herausgreifen einzelner Risikofaktoren sei nicht sinnvoll".
Also: solange die Leute rauchen, brauche man nichts gegen den
Lärm zu tun.
Richtig kontrovers wurde es zum Schluss, als Rahn einen im Gutachten
aufgeführten Gesundheitsbegriff zitierte:" Die medizinische
und psychologische Widerstandfähigkeit gegenüber Belastungen
und die adäquate Bewältigung von Belastungen wird heute
als wesentliches Kriterium der Gesundheit angesehen". Die
Lärmtoleranten sollten also vor Lärm geschützt
werden, den selbst diese nicht mehr verkraften würden, die
anderen hättten eben Pech gehabt. Im Gutachten werde dies
als neue Erkenntnis bezeichnet. Tatsächlich finde sich so
eine Aussage bereits in einem1936 erschienenen Buch von Friedrich
Lenz mit dem Titel "Menschliche Auslese und Rassenhygiene",
mit dem die medizinische Legitimation für die Euthanasie
im Dritten Reich geliefert worden sei. Die WHO habe 1946 gerade
wegen der Ereignisse des Dritten Reiches den Begriff der Gesundheit
anders definiert, und 1949 sei das Grundgesetz eingeführt
worden, dort steht "Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche
Unversehrtheit . Es heisst dort nicht, jeder der lärmunempfindlich
ist, sondern jeder, und gemeint ist auch jeder", schloss
Rahn seinen Vortrag. Vom RP verlangte er, dass die Anliegen der
Bürger im Einklang mit dem geltenden Recht wahrgenommen werden
müssten. "Das können Sie hier und heute beweisen".
Das Publikum beantwortete den Vortrag mit mehrminütigem Beifall.
Fraport verteidigt sich
Das RP (Herr Eck) merkte zu der letzten Äußerung an,
es sei nicht so, dass man die Unterlagen als inhaltlich richtig
bewerte, man habe sie nur auf Vollständigkeit geprüft.
Die inhaltliche Richtigkeit solle in der Erörterung diskutiert
werden. Er formulierte eine längere Liste von Fragen an die
Gutachter und Fraport, und Vorwürfe aus der letzten Präsentation
näher zu beleuchten.
Herr Amann (Fraport) hatte jedoch für inhaltliche Fragen
keinen Nerv, sondern war wütend über die Präsentation
von Herrn Hahn. Man dürfe Zitate nicht aus dem Zusammenhang
reißen. Diffamierungen wie den Vergleich des Gesundheitsbegriffs
mit dem der NS-Zeit "lasse man sich hier nicht bieten. Wenn
es hier weiter so kommt, stellen wir uns dieser Sache nicht".
Heftige minutenlange Unmutsäußerungen auf den Zuschauerplätzen
folgten. Verhandlungsleiter Gaetzsch mahnte zu sachlicher Diskussion
und bezeichnete den umstrittenen Vergleich als unsachlich. Rahn
blieb jedoch bei seiner Äußerung. Er habe die Textpassagen
sinngemäß zitiert. Sein Vergleich sei keineswegs eine
Diffamierung, sondern ein Vergleich zweier Sätze aus wissenschaftlichen
Werken. "Ich will aufzeigen, dass die genannte Definition
von Gesundheit menschenverachtend ist und dies ist nicht das erste
Mal, dass das passiert!".
Prof. Scheuch sagte, er sei betroffen, dass hier ein Zusammenhang
mit der Geschichte hergestellt und so die Leute aufgehetzt würden.
Die Einwender würden die Diskussion "Gesundheit in der
Wissenschaft" wohl nicht richtig überblicken. Bei der
WHO heiße es, Gesundheit sei "die Fähigkeit eines
Menschen, seine Fähigkeiten einzusetzen, um ein gesundheitlich
und wirtschaftlich erfülltes Leben zu führen. Diese
erweiterte Gesundheitsauffassung entspreche der aktuellen Diskussion.
Was schutzwürdig sei, werde nicht nur an Krankheiten orientiert,
es ginge um die prinzipielle Lebensqualität. OB Schneider
warf er vor, die Dinge aus dem Zusammenhang zu reißen. Man
habe für den Sozialreport in Europa die Menschen gefragt,
welche wesentlichen Ziele sie sich setzen und was ihre Lebensqualität
ausmache. "Der Schutz vor Lärm komme erst viel weiter
hinten". Es gebe Hunderte von Untersuchungen an Millionen
von Menschen, der Lärm sei von den Forschern nicht einbezogen
worden. "Wir wollen dagegen den Lärm in seiner Eigenständigkeit
erhalten". Es geht darum, durch Teilnahme, Aufklärung,
Kooperation Akzeptanz zu erreichen". So recht verständlich
wurde die kompliziert formulierte Rechtfertigungsrede nicht. Natürlich
gibt es im Leben noch wichtigere Dinge als von Lärm verschont
zu sein, aber was hat das mit den Lärmgrenzwerten zu tun,
um die es hier geht? Einwender quittierten die Rede erneut mit
Zwischenrufen.
Herr Lurz, Fraport, nahm Stellung zum Jansen-Kriterium und zur
Frage der Beweislastumkehr. Das Jansen-Kriterium sei in vielen
Gerichtsverfahren Maßstab gewesen, andere Erkenntnisse hätten
sich bisher nicht durchgesetzt. So seien Jansen-Kriterium und
die Synopse immer noch Grundlage luftrechtlicher Verfahren (Einwender:
Leider!) Die Erkenntnissicherheit anderer Meinungen reiche nicht
soweit, dass die bisherigen Kriterien hätten erschüttert
werden können. Eine Beweislastumkehr sei nicht notwendig,
sonst sei die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt.
Bei Schwellenwerten gebe es zwar physiologische Reaktionen, aber
die Anpassungsreaktionen seien normal, dies würde keine Schallschutzmaßnahmen
rechtfertigen (Zwischenrufe...).
Kommunikationsstörung in der Praxis
Prof. Spreng bemühte sich danach, einige Dinge zu erklären
(ganz verständlich war auch das nicht). Zwischen Lärm
und Wirkung gebe es einen statistischen Zusammenhang, aber keinen
Kausalzusammenhang. Man könne nicht sagen, wenn man am Lärm
etwas verändert (z.B. die Anstiegssteilheit), wird das und
das passieren. Die Dosis-Wirkungskurve habe keine Knick, deshalb
habe man versucht, Punkte aus verschiedenen Quellen herauszunehmen
und festzulegen. Schwellwerte müsse es geben, weil das Ohr
immer offen sei und man immer physiologische Wirkungen messen
könne. Daraus gesund-heitliche Wirkungen abzuleiten, sei
absurd. Immerhin meinte er "Anpassung ist nicht die Anforderung
an Sie, Lärm zu ertragen". Er wohne auch an einer Straße
und fühle sich auch manchmal nicht wohl, die Außenkommunikation
könne gestört sein. Es gebe eine Beeinflussung der Kommunikation,
eine Änderung der Kommunikationsgüte, bei sehr lauten
Überflügen müsse man kurz abbrechen, man spreche
unbewusst lauter, aber das verursache keine Kosten im Organismus.
Spätestens hier platzte den anwesenden Einwendern wieder
der Kragen, sie machtem ihrem Zorn lautstark Luft. Prof. Spreng
konnte hier gleich in der Praxis erfahren, wie eine Kommunikationsstörung
durch Lärm wirkt. Jedenfalls meinte er, das habe alles keinen
Zweck, und brach seinen Vortrag ab. Ab Mittag ward er dann auf
dem Podium nicht mehr gesehen.
Rechtanwalt Schmitz griff hier zur Geschäftsordnung in die
Debatte ein. "Wenn die Vorhabensträgerin an dieser Stelle
immer neue Fakten (vielmehr Worthülsen) vortragen kann, geht
nur Zeit verloren, wir wollen erst einmal die Grundlagen besprechen.
Die Verwirrungstaktik geht auf, die Einwender sehen keine andere
Möglichkeit mehr als Zwischenrufe ... Ursache des Ärgers
ist der Planfeststellungsantrag, vielmehr die Flugbewegungen.
Sie, Herr Amann, wollen große Profite machen auf Kosten
der Lärmbe-troffenen und Gemeinden, ohne dass sie dafür
eine Ent-schädigung zahlen wollen. Sie sollten nicht persönlich
betroffen sein, wenn Sie hier emotionale Äußerungen
bekommen". Und Rechtanwalt Fislake schimpfte, der Vortrag
von Prof. Scheuch sei "im Hinblick auf die hiesige Situation
eine Zumutung". Die Erörterung solle auf einem Niveau
ablaufen, dass der Situation angemessen sei. "Wir haben hier
den Eindruck, wir werden zugeredet. Hier sitzen keine volltrotteligen
Idioten, die sie ständig bekehren müssen. Wenn es keine
gesetzliche Grundlage gibt, kommt es auf den Einzelfall an. Sie
haben die Verhältnisse hier in den Blick zu nehmen, das ist
nicht gelungen ... Sie gehen von einem "virtuellen Fluglärm"
aus. Sie haben von einem lärmbetroffenen Frankfurter gesprochen
- ich wohne in Frankfurt! ... Die Gutachter gehen davon aus, dass
der Unterricht in Schulen in der Regel bei geschlossenen Fenstern
stattfindet, sie sprechen den Betroffenen den Lärmschutz
ab. Es kocht die Wut hoch, wenn Sie die Schutzwürdigkeit
von Kindern dermaßen abwerten!"
Damit war die Vorstellung der Gutachter erst einmal zu Ende. Weitere
Privateinwender kamen zu Wort.
Die Lage in Sachsenhausen
Ein Einwender aus Sachsenhausen, der auf dem Lerchesberg ein Haus
hat, schilderte seine Situation. Er wohne 800 Meter von der Flugroute
entfernt, die Flugzeuge würden aber oft direkt über
sein Haus fliegen, in 600 m Höhe, Im Haus sei nur bei geschlossenen
Fentsern uneingeschränkte Kommunikation möglich, schlafen
könne man auch nur bei geschlossenem Fenster. Auch bei einem
eventuellen Nachtflugverbot seien 6 Stunden Ruhe zu wenig, und
es würde keine Ruhe geben, da schon jetzt viele Ausnahmen
im Antrag seien. Er berichtete von Schlafstörungen, Depressionen
und gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Schadstoffe.
Bei einem Ausbau wäre die Einflugschneise nur 200-400 m von
seinem Haus entfernt: "Was da auf uns zukommt, ist der reine
Alptraum. Wir müssen fürchten, dass unser Haus unbewohnbar
wird". Es sei auch mit Verlusten bei der Vermietung einer
weiteren Immobilie in der Gegend zu rechnen, die geplante Alterssicherung
würde gefährdet. Der Lärm habe auch negative Auswirkungen
auf Kinder, junge Familien würden nicht mehr in das Stadtviertel
ziehen. Dies habe eine negative soziale Entwicklung zur Folge.
Der wirtschaftliche Schaden an den Immobilien sei immens, da nicht
nur er betroffen sei, sondern auch viele andere in dem dichtbesiedelten
Wohngebiet. Der Einwender sah eine Beein-trächtigung seines
Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit und des Eigentums.
Zu sagen, die angeblichen Vorteile für die Allgemeinheit
überwiegen den Schaden einer Minderheit, sei nicht zulässig
- schon gar nicht wegen der kommerziellen Interessen der Fraport.
Der Antrag sei daher abzulehnen.
Viele Lärm in Offenbach, viele Lügen der Fraport
Anschließend sprach Rechtanwalt Wagner, heute nicht als
Anwalt, sondern als Privateinwender, über den Ausbau und
die Situation in Offenbach. Alle paar Minuten untermalte er seinen
Vortrag mit Fluglärm von CD, damit "die da oben auf
dem Podium mal sehen, was Kommunikationsstörung durch Fluglärm"
bedeutet". Die lange Rede war der zweite Höhepunkt des
Tages und begeisterte die Einwender.
Wagner sagte, der Lärm sei einer der größten Störfaktoren
für den modernen Menschen, mehr als die Hälfte fühle
sich belästigt. Lärm sei ein Stressor, der krank machen
könnte und die Entwicklung von Kindern beeinträchtige.
Er sei kein medizinischer Sachverständiger, aber bei Fluglärm
wisse er, wovon er rede. Er habe nach vielen Jahren sein Haus
wegen Fluglärm verkauft. Er berichtete von einem Nachbarn,
der auf die Frage, ob ihn der Fluglärm nicht störe,
gesagt habe, er wohne schon seit seiner Kindheit hier und früher
seien die Flugzeuge viel lauter gewesen. Mit 55 Jahren sei er
dann weggezogen und habe gesagt: "Das Fass wurde langsam
gefüllt, und jetzt sei sein persönliches Lärmfass
übergelaufen". Ein anderer habe sich ein Haus auf dem
Buchhügel gekauft und gesagt, er habe sich vor dem Kauf eine
Stunde dort aufgehalten und den Lärm erträglich gefunden.
Nach nur einem halben Jahr sei er wieder ausgezogen. Ein paar
Stunden "Probelärm" sei nicht mit der dauernden
Belastung vergleichbar. Das Argument, der Flughafen sei schon
vorher dagewesen sei falsch. Viele Häuser seien in Familienbesitz
und schon gebaut worden, als der Flughafen noch ein kleines Flugfeld
war. Die enorme Zunahme des Fluglärms habe niemand vorhersehen
können.
Danach ging Wagner auf den Lärmschutz ein. Es gebe zwar bei
der Lärmwirkung eine subjektive Komponente, aber selbst wenn
man sich subjektiv nicht gestört fühle, könne der
Lärm krank machen. "Kann man einen Ausbau verantworten,
auch wenn nur wenige Menschen gesundheitliche Nachteile erleiden?
Gilt hier denn ein Mehrheitsprinzip? Haben die Empfindlichen nur
das "demokratische Recht, wegzuziehen?", fragte er.
Es sei Aufgabe der Politik, auch Minderheiten zu schützen,
besonders wenn es um das besonders hohe Rechtsgut der Gesundheit
gehe. Minderheitenschutz sei sogar durch das Völkerrecht
gefordert und müsse auch für die Lärmempfindlichen
und Lärmgestörten gelten. Die Politiker würden
gern von Daseinsfürsorge und Mobilität reden. Stehe
der öffentliche Auftrag zum Betrieb eines Flughafens etwa
höher als das Grundrecht auf Gesundheit? Das Urteil des VGH
Kassel sei unerträglich. "Die Kasseler Richter sagen,
man müsse bei geschlossenen Fenstern leben und schlafen,
und das im Namen des Volkes!" Dabei sei bekannt, wie schnell
nachts der Sauerstoff in einem Schlafzimmer verbraucht sei.
Fraport wolle Hunderttausend Menschen mit neuem Fluglärm
zu überziehen und wertvollen Bannwald vernichten, dies sei
unstreitig, fuhr Wagner fort. Die akustische Vermüllung unserer
Heimat werde mit einem Bündel von Lügen
gerechtfertigt. Er zählte ein Dutzend Punkte dazu auf:
• Die Kapazitätslüge: bei 660
000 Flugbewegungen werde keineswegs Schluss sein, eine Obergrenze
werde Fraport nicht akzeptieren. In ein paar Jahren werde erneut
ein weiterer Ausbau verlangt werden. Auch für die stündlichen
Werte gebe es keine Obergrenze. "Es wird optimiert werden,
und es gibt Lärm ohne Ende".
• Die Lärmlüge: die Flugrouten
werden nicht planfestgestellt, niemand sagt uns, wo die Flugrouten
später liegen werden. Hier soll die Katze im Lärmsack
verkauft werden. Für den Ausbaufall existieren keine "Lärmerwartungsgebiete".
Am Fraport Infomobil werde den Leuten erzählt, die Flugrouten
seien dünne Linien, in der Praxis dürfe über einen
3 km breiten Korridor legal geflogen werden. Auch etwas abseits
der Linie sei es nicht leise, sondern nur etwas weniger laut!
Lärmobergrenzen würden von Fraport nicht angeboten,
wie es sie etwa in Amsterdam gibt. Es nutze auch nichts, wenn
einzelne Flugzeuge leiser würden, wenn es dafür immer
mehr Flüge gebe. Der Lärm wird schöngerechnet,
indem er über größere Zeiträume gemittelt
werde. Die Messergebnisse seien immer höher als die berechneten
Werte gewesen.
• Nachtflugverbots-Lüge: Ein gerichtsfestes
Nachtflugverbot sei nicht möglich, die Lufthansa habe bereits
Einwendungen dagegen erhoben und wolle klagen. Lufthansa habe
sogar Anteile an Fraport erworben mit dem Ziel auf die Firmenpolitik
Einfluss zu nehmen. "Ist Fraport bereit, die Landebahn nicht
zu nutzen, wenn kein Nachtflugverbot kommt?" Auch ohne Nachtflugverbot
gelte, was mit den genehmigten Bahnen möglich sei, könne
geflogen werden, auch in der Nacht. "Welche Kapazität
wird es ohne Nachtflugverbot geben?"
• Arbeitsplatzlüge: Die versprochenen
Arbeitsplatzzahlen seien nicht verbindlich, die Prognosen seien
von minderer Qualität. "Wenn wir das Wort Joblüge
gebrauchen, wird Herr Amann immer ganz böse. Aber zusichern
will Fraport die Arbeitsplätze nicht. Wenn es später
anders kommt, wird man einfach sagen, damals waren wir dieser
Meinung. Ist Fraport bereit, 50 000 Euro pro nicht geschaffenem
Arbeitsplatz zu zahlen und an gemeinnützige Organisationen
oder Arbeitslose zu verteilen?"
• Vollständigkeitslüge:"Warum
fehlt immer noch das Gutachten über die Wirkung niedriger
Überflughöhen auf die Menschen? Herr Wolf aus Eddersheim
hatte deshalb den Abbruch des Verfahrens gefordert, was ist aus
diesem Antrag geworden? Ich trete diesem Antrag bei, falls er
noch nicht entschieden ist. " (RP: "Wir schauen in der
Pause mal nach")
• Risikolüge: Die Risiken z.B. bezüglich
Ticona würden ignoriert. Wir hätten schon erlebt, dass
ein Flugzeug die Landebahn verfehlt, Fraport tue so, als könne
das nie passieren.
• Planungslüge: Die Auswirkungen des
Ausbaus würden nur bis 2015 betrachtet, ob Fraport glaube,
die Menschen seien dann nicht mehr da? "Ich folgere, dass
die Verantwortlichen bei Fraport einen ähnlich beschränkten
Horizont haben. Und es wird nicht nur die vorhandene Nachfrage
befriedigt, es wird noch künstlich Nachfrage geschaffen!"
• Mediationslüge: "Das "Mediationsverfahren"
war nie eine echte Mediation. Die Fluggesellschaften haben sich
längst vom Ergebnis verabschiedet. Auch Fraport hält
sich nicht daran. Die Gutachter haben jetzt einen Nachtgrenzwert
von 35 Dezibel am Ohr des Schläfers vorgeschlagen, in der
Mediation waren es noch 3 Dezuibel weniger, die 100:100-Regel
wurde nicht angewendet."
• Mangelnde Aufrichtigkeit der Politik:
Bei einem Ausbau werde Offenbach völlig unter einem Lärmteppich
verschwinden, das werde nicht zugegeben. Die Politiker meinten,
sie könnten einen Teil der Region einfach wegwerfen. Warum?
"Bimbes ist im Spiel!". Beim Braunkohletagebau würden
ganze Dörfer umgesiedelt, auf Kosten des Betreibers. Das
gehe in Offenbach aus politischen und finanziellen Gründen
natürlich nicht, wahrscheinlich würde man auch keinen
neuen Platz für Offenbach finden. Für mangelnde Aufrichtigkeit
verwende man auch den Begriff "Lüge".
Man wolle Fakten schaffen, sich bei den Ausbaufolgen aber nicht
festlegen - dies sei unerträgliche Arroganz, schloss Wagner
seinen engagierten Beitrag. Man meine, man sei im "Fürstentum
Fraport". "Die unheilige Allianz der Benders, Kochs
und Ypsilantis werden sich die Bürger nicht länger gefallen
lassen. Einige andere Politiker haben sich in letzter Zeit bereits
plötzlich machtlos vorgefunden. Wir werden uns wehren, und
es ist nicht ausgeschlossen, dass sich der Zorn laustark sehr
kräftig artikuliert. Damit sind wir wieder beim TOP "Lärm".
Für wen dieser Lärm schädlich sein wird, überlassen
wir ihrer Fantasie." Die Einwender antworteten mit begeistertem
Beifall.
Viele Einwendungen aus Rüsselsheim
Im Anschluss sprach Prof. Denk, Einwender aus Rüsselsheim.
Denk wies darauf hin, die Gutachten seien nicht neutral, sondern
von Fraport in Auftrag gegeben, und die Gutachter würden
auch bei Fraport auf dem Podium sitzen. "Wir brauchen nicht
zu glauben, ein Gutachter der sagt, der Lärm durch den Ausbau
sei unerträglich, würde heute bei Fraport auf dem Podium
sitzen". Einer der Gutachter habe schon bei der Startbahn
West gegutachtet, es könne ausgebaut werden und der Lärm
mache nichts. Leute, die nicht Bescheid wüssten, besonders
die Politiker, würden getäuscht. Man werde für
das Vorhaben auch den Sofortvollzug anordnen, wenn die Bahn erst
einmal gebaut sei, würde kein Richter sich trauen, die Sache
zu stoppen. Denk kritisierte, die DFS habe bei Festlegung der
neuen Flugrouten in 2001 bereits die Belange des Ausbaus berücksichtigt,
obwohl damals noch nicht entschieden gewesen sei. Auch zukünftig
würden die Bürger bei der Festlegung der Flugrouten
nicht gefragt. Die Lufthansa habe Anteile an der Fraport übernommen
und wolle sich auch bei der Privatisierung an der DFS beteiligen.
Zwischenruf: Krake ...
Denk nannte als Beispiel die ihm bekannte Situation in Königstätten.
Die Flugzeuge würden mitten über den Ort fliegen, obwohl
die Flugroute am Ort vorbei laufe. Er habe beobachtet, dass eine
Mutter ihrem kleinen Kind die Ohren zuhalte, wenn ein Flugzeug
vorbeifliege. In der Realität seien die Einzelschallpegel
und die Häufigkeit bedeutsam, solange man diese nicht betrachte,
können man niemals die Betroffenheit nachvollziehen. Der
VGH Kassel habe kürzlich entschieden, fuhr Denk fort, dass
in Darmstadt eine neue Siedlung nicht errichtet werden dürfe,
weil der Regionalplan an 60 dB(A) eine Siedlungsbeschränkung
vorsehe. Jetzt beim Verfahren sei diese Grenze 62 dB(A). Mit der
Begrenzung wolle man erreichen, dass keiner mehr in den verlärmten
Bereich hinzieht und von Lärm geschädigt wird. Was würde
aber mit denjenigen geschehen, die schon dort wohnen? Und mit
denen, die durch den Ausbau in diese Lärmzone kämen?
"Die Rechtsprechung bewahrt den Flughafen davor, dass sich
in seiner Nähe jemand ansiedelt, aber niemand kommt darauf,
dem Verursacher des Lärms Begrenzungen aufzuerlegen".
Zum Schluss meinte Denk, dass Schlafentzug eine Foltermethode
sei. Die Menschen würden Nacht für Nacht geweckt, nicht
nur für 14 Tage im Labor, sondern für den Rest des Lebens.
Dieser Lärmfolter können sie nur entgehen, wenn sie
das "demokratische Recht wegzuziehen" in Anspruch nehmen
würde.
Fraport: Fluglärm - überhaupt kein Problem!
Nach der Pause verkündete das RP, der Antrag von Herrn Wolf
wegen des Niedrigstfluggutachtens sei abgelehnt worden (was auch
sonst), es sei kein eigenständiges Gutachten gefordert worden.
Fraport meinte, Angaben zum Thema fänden sich in den Antragsunterlagen.
Die haben wir denn nur alle übersehen!
Herr Amann nahm dann kurz zu den Vorträgen der Einwender
Stellung. In Sachsenhausen meinte er, gäbe es auch nach dem
Ausbau keinen krank machenden Lärm: "Wir kommen hier
zu Werten, die noch unterhalb des präventiven Richtwerts
liegen". Das von Fraport angewendete Berechnungsverfahren,
so meine man, sei richtig. Aus Vorhabensicht sei der Lärm
zumutbar. Einen Wertverlust von Häusern sehe man nicht, die
Bodenrichtwerte und Gutachten zeigten, dass das Rhein-Main-Gebiet
zu den teuersten Wohnlagen gehöre. "Ich behaupte, Sie
übertreiben hier maßlos. Das hat nichts mit Lüge
zu tun, das können wir beweisen", meinte Amann. Die
Region profitiere vom Ausbau auch im Hinblick auf die Immobilienpreise.
In Offenbach gelte das gleiche.
Ein Lärmkontingent wolle man nicht, die Behörde habe
aber Mechanismen, um das zu regeln. Zum Nachtflugverbot sagte
Amann, "es kommt, deshalb müssen wir nicht auf die Benutzung
der Landebahn verzichten". Man habe keinen Anlass anzu-nehmen,
dass das Nachtflugverbot nicht komme. (Einwender-Zwischenruf:
Bleibt es auch?). Für nicht geschaffene Arbeitsplätze
werde man wahrscheinlich nicht zahlen. Die Fraport-Gutachter seien
zu dem Ergebnis gekommen, dass die angenommene Zahl von Arbeitsplätzen
geschaffen werde, wir denken dass das richtig ist. Dann sagte
er: "es ist nicht unser Antragsgegenstand, Arbeitsplätze
zu schaffen." Wir denken, dass es eintreffen wird, egal ob
es jetzt 80000 oder 100000 sind. Bei der Frage des Sofortvollzugs
habe Fraport schon bewiesen, dass man die gerichtlichen Entscheidungen
abwarte, wahrscheinlich werde man das wieder tun. Herr Lurz ergänzte
zur Entscheidung des VGH Kassel über die Siedlungsbeschränkung
in Darmstadt, das Gericht habe keinesfalls gesagt, 60 db(A) seien
der richtige Wert im Vergleich zu 62 dB(A), die Werte seien unterschiedlich
berechnet und nicht vergleichbar [Anmerkung: das stimmt. Die 60
dB(A) aus dem Regionalplan sind nach 100:100 Regel berechnet,
in vielen Orten fallen die so berechneten Werte deutlich höher
aus als nach der Fraport-Methode - der Unterschied wird also noch
viel schlimmer als nur 2 dB(A).] Die Ausführungen von Fraport
wurden von heftigen Unmutsäußerungen und Zwischenrufen
von den Einwenderbänken bedacht, die der Sitzungsleiter kaum
in den Griff bekam.
Was wird aus den Immobilienpreisen?
Als nächste sprach Frau Boretty, früher Umweltdezernentin
in Offenbach. Sie meinte, trotz selbst bezahlter Schallschutzfenster
sei der Fluglärm immer noch zu hören, das sei kein Allheilmittel.
Niemand könne bestreiten, dass Wohnungen an lauten Straßen
billiger seien als solche in ruhigen Gebieten, und dass dort große
Fluktuation herrsche. Es sei nicht plausibel, wenn es beim Fluglärm
anders sei. Der Fraport komme zugute, dass die meisten Flugrouten
am Rande der größeren Städte entlang führten,
wo jetzt oft Siedlungen entstanden seien. Die Leute, die dort
wohnten, hätten die Häuser gebaut und würden oft
sehr daran hängen und deshalb trotz des Fluglärms bleiben.
Die nächste Generation, die die Häuser erben würde,
habe diese Bindung nicht mehr und würde versuchen, die verlärmte
Gegend zu verlassen, wenn sie es nicht bereits getan hätten.
Dann würden die Preise fallen. Fraport zitiere nur die Lärmuntersuchungen,
die ihnen in den Kram passen würden. Aus den USA kenne man
Beispiel, dass ganze Stadtviertel wegen des Fluglärms verslummt
wären. "Mein Eindruck ist, Sie haben es schwer",
sagte Boretty zum Schluss in Richtung Fraport. "Alle die
hier sitzen glauben, das Verfahren ist nicht ergebnisoffen. Ich
habe den Eindruck, dieses Verfahren ist für Sie eine Belästigung.
Sie sollten die Einwendungen ernst nehmen. Die Menschen hier sind
wütend, weil sie meinen, keinerlei Einfluss zu habn und schon
klar ist, wie es ausgehen wird."
Maximum Krach in Bergen-Enkheim
Als nächstes sprach eine Einwenderin aus Bergen-Enkheim.
Sie beschwerte sich über den Fluglärm an ihrem Wohnort.
"Bergen-Enkheim liegt unter der Minimum Noise Route, so sagt
die DFS. Ich sage, es ist eine "Maximum-Krach-Route".
Bei ihnen sei nichts wunderbar, wie Fraport behaupte. Die Zunge
der Lärmisophone höre 10 m vor einem geplanten Siedlungsgebiet
auf. Die Flugroute ginge theoretsich an Bergen-Enkheim vorbei,
tatsächlich würden die Flugzeuge aber direkt darüber
fliegen. Im Sommer gebe es teilweise mehr als 160 Überflüge,
viele davon lauter als 70 dB(A). Früher sei Bergen-Enkheim
eine sehr gute Wohngegend gewesen, aber heute seien die Mieten
gefallen und viele Häuser würden leerstehen. Es sei
höchst ärgerlich, dass die Stadt Frankfurt dem Ausbau
zugestimmt hätte, ohne Wissen wo die Flugrouten letztendlich
hinkämen. "Sie nehmen in Kauf, dass ganze Stadtteile
unbewohnbar werden", meinte sie in Richtung Fraport. Die
neuen Bediensteten am Flughafen würden die leeren Wohnungen
nicht füllen. "Wir werden die größte Lärm-
und Dreck-Kloake Europas . Wer bezahlt uns unsere Vermögensschäden?"
schloss sie ihren Beitrag.
Erlebnisse in Flörsheim
Die nächste Einwenderin kam aus Flörsheim. In einfachen,
treffenden Worten schilderte sie ihre Erlebnisse mit Fluglärm
und Fraport auf sehr unterhaltsame Weise. Zunächst forderte
sie kostenlose Bus- und Bahnfahrten für Einwender. Die Fahrt
von Flörsheim und zurück koste sie 20,50 Euro, das sei
viel zu teuer.
"Mich findet man in keiner Statistik von Fraport. Man könnte
glauben, in Flörsheim gebe es keinen Fluglärm! Schönfärbereien
gibt es in den Plänen dagegen genug. Koch lässt keine
Gelegenheit aus, um die Werbetrommel für den Ausbau zu rühren,
der Ausbau müsse kommen, wegen des öffentlichen Interesses.
Ich sage NEIN! Wir müssen nicht zu einem Megahub umfunktioniert
werden. Wir haben jetzt schon mehr als genug vom Fluglärm.
Es ist skandalös, wenn die ganze Stadt vom Fluglärm
überdröhnt wird, wenn in derselben Straße dem
einen Fluglärm anerkannt wird, dem direkten Nachbarn aber
nicht. Herr Bender hat mir schon einmal am Telefon versprochen,
man wolle ein Entschädigungsprogramm auflegen, worunter alle
Flörsheimer fallen - jetzt sind wir aber nicht mehr dabei
... Die Flugzeuge halten die Route nicht ein und fliegen oft zu
tief. Mir wurden schon 96,8 Dezibel bei 600 m Höhe vom Fluglärmschutzbeauftragten
bestätigt. Das war innerhalb des gesetzlich erlaubten Korridors,
aber ich denke, es war vermeidbar. Nach dem Ausbau werden die
Flugzeuge in 250 Meter Höhe über die Stadt fliegen.
Wir werden das nicht dulden! Das sind wir unseren Nachkommen und
unserer Heimatstadt schuldig."
Die Einwenderin erläuterte danach das Problem der "umgekehrten
indirekten und induzierten Arbeitsplätze" auf einfache
Weise. Sie beklagte sich, ihre Immobilie habe nach Makleraussagen
schon jetzt 18% an Wert verloren und sie habe schon 24 Monate
totalen Mietverlust, weil niemand die Wohnung mieten wolle - es
sei schon passiert, dass jemand nach 5 Minuten in der Wohnung
wegen des Fluglärms gleich wieder gegangen sei. Ihre Rechnungen
würden aber nicht um 18% gekürzt. Sie habe immer in
die Wohnung investiert, damit sie gut vermietbar bleibe. Ohne
Mieteinnahmen habe sie weniger Geld, könne sich weniger leisten.
Das würde die Handwerker betreffen, die nun keine Aufträge
zur Renovierung der Wohnung mehr erhielten. Auch Dienstleister,
wie Friseur, Gaststätten, Geschäfte, würden weniger
Geld erhalten, wenn sie weniger ausgeben könne. Dieses habe
wiederum Folgen für andere. "Wenn ich mir das alles
nicht mehr leisten kann, und man nimmt das mal 100 000 Betroffenen,
betriftt das eine unvorstellbare Menschenmasse. Da gehen mehr
Arbeitsplätze verloren als Fraport schaffen will! Wir haben
nicht dafür geschafft, dass Fraport und Regierung uns jetzt
alles wegnimmt".
Fraport habe man ihr schon einmal erklärt, viele junge Leute
suchten doch Wohnungen, die gingen doch auch in die Disco und
würden den Lärm tolerieren, berichtet die Einwenderin
dem belustigen Publikum. "Wenn ich in die Disco gehe und
es wird mir zu laut, kann ich nach Hause gehen. Bei uns gibt es
keinen Schalter, mit dem man den Fluglärm einfach abstellen
kann", meinte sie. Sie brauche keinen Wecker, zwischen 4
und 5 werde sie garantiert von Flugzeugen geweckt. Vor zwei Uhr
könne sie nicht einschlafen. Entspannung in der Freizeit
würde in der Freizeit nur selten gelingen."Es ist unglaublich,
dass sich durch den Ausbau der Fluglärm noch verdoppeln soll.
Die Nachteile und Gefahren des Ausbaus sind zu groß, das
öffentliche Interesse wiegt das nicht auf. Der Ausbau darf
und kann nicht kommen. Ich kämpfe für alle Menschen
in unserer Stadt und unserer Region".
Das RP meinte, eine Kostenerstattung für Einwender sei nicht
vorgesehen. Herr Amann kommentierte, man halte die Erörterung
nicht für eine Belästigung und wolle auch diskutieren,
aber sachlich. Die "Minimum Noise Route" in Bergen-Enkheim
sei wohl eine solche, in der Gesamtbetrachtung erzeuge diese Route
etwas weniger Lärmbetroffenheit als andere (Zwischenruf:
"Sie machen uns zu Lärmsklaven!"), Wenn die Einwenderin
aus Flörsheim ihre Wohnung nicht vermieten könne, bedauere
er das, aber nach den Recherchen von Fraport liege das nicht am
Fluglärm. Vielleicht gebe es Einzelfälle, ... An dieser
Stelle wurde der "Lärm von den Einwenderplätzen"
so laut, dass Herr Amann darauf verzichtete, weiter zu sprechen:
"Ich kann auch aufhören, es kommt sowieso nicht Neues
mehr".
Auch Ärger im Taunus
Ein Einwender aus Schlossborn beklagte den Fluglärm im Taunus
durch die Flugroutenänderung in 2001. Es würde nicht
berücksichtigt, dass die Flugzeuge gegen den Berg fliegen
und die Höhe über Grund bis hin nach Oberreifenberg
nicht abnehmen würde. Der Taunus sei früher eine schön
ruhige Wohnlage gewesen, jetzt würden auch hier Häuser
leer stehen. Junge Familien mit Kindern würden nicht mehr
nach Schlossborn ziehen. Eine Kindergartengruppe habe deswegen
schon geschlossen werden müssen. Man erwarte, dass es nach
einem Ausbau noch viel lauter werde, den Zusicherungen der Fraport
glaube man nicht. Er forderte eine Obergrenze für die Zahl
der Flugbewegungen und der Tonnage (Gewicht der Flugzeuge, um
zu verhindern, dass immer mehr schwere Flugzeuge fliegen) im Planfeststellungsbeschluss.
Die neu entstehende Kapazität sollte zum Teil dazu genutzt
werden, durch lärmärmere Flugverfahren (wie CDA) und
andere Flugrouten die Belastung zu verringern. Außerdem
kritisierte der Einwender die ausschließliche Verwendung
des Dauerschallpegels.
Das RP meinte, dieser Frage müsse man nachgehen. Zum Dauerschallpegel
ergriff überraschenderweise Prof. Jansen das Wort. Der äquivalente
Dauerschallpegel (LEQ) sei genormt und würde genommen, weil
es eine gute Korrelation zwischen dem Dauerschallpegel und der
Belästigung gebe. Nachts seien Maximalpegel und ihre Zahl
dagegen relevant, weil man davon aufwachen könne. Dr. Christian
Maschke, der lärmmedizinische Sachverständige der Einwenderseite,
meinte, man müsse auch die Quelle brücksichtigen. Bei
einem Transformator, der ein gleichmäßiges Geräusch
abgibt, sei der Dauerschallpegel zutreffend, bei intermittierendem
Lärm sei das anders. Er zitierte als Beispiel einen Ort bei
einem Militärflughafen, der von einem Überflug mit 100
dB(A) betroffen sei, was über 16 Stunden einen Dauerschallpegel
von etwa 60 dB(A) erzeuge. Hier müssten also 16 Stunden Kommunikationsstörung
herrschen, in der Realtität wäre aber nur eine Minute
gestört. Man nehme den Dauerschall-pegel, weil man bis heute
keine bessere Alternative habe, für einige Situationen sei
er aber nicht geeignet. Insbesondere wollte er wissen, wo denn
die Eignung des LEQ zur Untersuchung von Kommunikationsstörungen
bewiesen worden sei. Prof. Scheuch, Fraport-Gutachter, wandte
ein, der LEQ liege den meisten Untersuchungen zugrunde, und machte
aus der von Maschke geforderten Betrachtung der Quelle, man müsse
die Betrachtung von der Zielgröße abhängig machen.
[Anmerkung: Hier wird es bestimmt noch eine Fachdiskussion geben.
Wahrscheinlich wird der immer wieder von Einwendern geäußerte
Wunsch, Zahl und Höhe der Einzelschallpegel zu berücksichtigen,
aber auch hier wieder nicht erfüllt werden. Die Fraport würde
ja nicht einmal die entsprechenden Daten rausrücken.]
Noch mehr Einwendersorgen in Frankfurt
Ein zweiter Einwender aus Sachsenhausen trug vor, an seinem Wohnort
sei der Fluglärm jetzt noch ganz erträglich. Nach dem
Ausbau würde er direkt unter die Flugroute geraten: "Wir
werden von Null in die Lärmhölle katapultiert".
Wie dick es kommen werde, könne man auch ganz ohne Gutachten
einfach feststellen: man müsste nur zur jetzigen parallelen
Einflugschneise gehen und dort lauschen. Für die Nordwestbahn
schätze er, man werde immer 30 Sekunden Fluglärm haben
und danach 60 (oder 90) Sekunden Ruhe. Außerdem werde es,
wenn es voller würde, wahrscheinlich neue Flugrouten geben,
um die Flugzeuge besser verteilen zu können. Der Einwender
meinte, es bestehe konkreter Handlungs-bedarf, nämlich der
Bedarf, den Ausbau zu unterlassen. Bisher intakte Wohngebiete
würden entwertet. 1987, als er sein Haus gebaut hätte,
hätte die Politik gesagt, es würde kein weiterer Ausbau
mehr stattfinden.
Eine weitere Einwenderin aus Frankfurt schilderte eindringlich
ihre persönliche Betroffenheit. Die Einwendung wurde wegen
Abwesenheit nur von einer Bekannten verlesen, war aber dennoch
sehr beeindruckend. Sie schilderte den jetzt schon unzumutbaren
Fluglärm. Es werde gesagt, die Stadt sei auf den Flughafen
zu gewachsen, aber das Gegenteil sei der Fall, der Flughafen rücke
immer näher an die Stadt heran. Frankfurt werde in Teilen
unbewohnbar werden. Sie könne nicht mehr schlafen, sei tagsüber
immer müde, sich erholen und den Garten nutzen könne
sie bei Ostwind schon lange nicht mehr. Sie rechne mit einer weiteren
Verschlechterung ihrer jetzt schon vorhandenen gesundheitlichen
Probleme, ihr Grundrecht auf Gesundheit werde eingeschränkt.
Fraport stelle die Lärmwirkungen als unwesentlich dar, dies
sei eine menschenverachtende Einstellung. Wer es sich leisten
könne, werde aus den lärmbelasteten Gebieten wegziehen.
Die Einwender seien überzeugt, dass trotz aller guten Argumente
der Ausbau genehmigt würde. Bisher sei nicht ein einziger
Antrag der Betroffenen angenommen worden, dies sei ein wesentlicher
Grund für die schwache Beteiligung. "Für Sie ist
das Ihre Arbeit", meinte sie zum Podium, "die Betroffenen
müssen extra Urlaub nehmen. Das Vertrauen in Fraport fehlt
völlig. Das Vertrauen in das RP ist so groß wie das
Vertrauen zu einem Vetreter, der einem Bauern eine Melkmaschine
verkauft und sich dafür mit der einzigen Kuh des Bauern bezahlen
lässt".
Ein neuer Befangenheitsantrag gegen das RP-Podium
Ein Einwender aus Offenbach merkte an, dass nach der Arbeitsstättenverordnung
für geistige Tätigkeit der Dauerschal-lpegel nicht mehr
als 55 dB(A) betragen dürfe. Ob Arbeitnehmer wie Polizisten,
Vermessungsingenieure oder Kindergärtnerinnen, die im Freien
arbeiten würden, in Offenbach (62 dB(A)) ihre Tätigkeit
ausüben dürften? Prof. Scheuch konnte die Frage beantworten:
Es gebe jetzt eine neue Arbeitsstättenverordnung, in dieser
komme die genannte Vorschrift nicht mehr vor. Warum wisse er nicht,
wahrscheinlich liefe das unter dem Stichwort "Entbürokratisierung".
Die 55 dB(A) in der alten Verordnung hätten sich auf "geistig-schöpferisch
Tätigkeit" bezogen. Die vom Einwender genannten Tätigkeiten
würden nach dieser Denkweise aber unter "Routinetätigkeit"
fallen und seien nicht geschützt.
Der Einwender stellte danach den zweiten Befangenheitsantrag gegen
das gesamte RP-Podium; mit Ausnahme von Herrn Gaentzsch seien
alle schon bei der A380-Anhörung dabei gewesen und hätten
dort entschieden, gegen die Planfeststellung für die A380-Halle
hätten sie keine Bedenken gehabt. Sie seien befangen, er
habe kein Vertrauen zum RP. Ein weiterer Abbruchantrag des Einwenders
wegen der Äußerung von Fraport-Chef Bender, mit dem
A380 sei der Kapazitätsengpass am Flughafen behoben (weshalb
man keinen Ausbau mehr brauche) ist noch nicht entschieden.
Danach nahm nochmals Fraport zu den Vorträgen der Einwender
Stellung (eine direkte Antwort auf Fragen ließ Versammlungsleiter
Hoepfner trotz Protesten der Einwender nicht zu). Herr Lurz wiederholte
die Aussage, in Sachsenhausen sei auch im Ausbaufall keine Gesundheitsgefährdung
zu erwarten. Wertminderung von Immobilien oder Abwanderungstendenzen
werde es nicht geben.
Gewöhnung an Lärm - oder Fraport-Gutachter raus?
Der spannende Erörterungstag endete nochmals mit einer heftigen
Konfrontation. Ein Einwender meinte, der Mensch müsse im
wachen Zustand als auch im Schlaf auf Geräusche reagieren,
um bei Bedarf flüchten zu können, Hormone würden
augeschüttet. Wer das nicht könne, sei ausgestorben.
Frau Prof. Griefahn antwortete darauf, im Prinzip habe er recht,
im Gehirn sei aber auch Gewöhnung möglich. In realen
Situationen im Unterschied zu einem kurzen Laborversuch könne
sich das Gehirn an den nächtlichen Fluglärm gewöhnen.
Der Einwender meinte darauf, wenn er gerade beim Einschlafen sei
und plötzlich würde ein Flugzeug mit 70 dB(A) über
ihn hinwegdonnern, würde er erschrecken und sich fürchten,
da gebe es keine Gewöhnung. Griefahn wiederholte daraufhin
ihre These und meinte, im Einzelfall seien auch Sensibilisierungen
möglich. Gott sei Dank gewöhnen sich aber die meisten".
An dieser Stelle brach ein heftiger Tumult aus, die "Ruhe!"-Aufforderungen
des Ver-sammlungsleiteres gingen in Protesten unter. Prof. Denk
war empört: "Ich wohne hier seit über 30 Jahren.
Es blendet jegliche Realität aus, wenn man sagt, man könne
sich an nächtliche Überflüge gewöhnen. Wer
lebt denn schon so lange hier wie wir? Eine Behauptung, man würde
sich gewöhnen, ist ein starkes Stück". Er stellte
den Antrag, Prof. Griefahn als Gutachterin auszuschließen.
Prof. Scheuermann aus Frankfurt fragte auch nach der Validität
der Gutachten. Er arbeite selbst wissenschaftlich. Jüngst
habe er eine Untersuchung gelesen, die sich mit der Validität
von in Zeitungen veröffentlichten Gutachten befasse. Die
Untersuchung sei zu dem Schluss gekommen, kein Gutachten, das
von einem Auftraggeber finanziert worden sei, sei brauchbar. "Wir
schmeißen solche Arbeiten gleich in den Mülleimer",
sei das Fazit gewesen. Er fragte, ob und wie das RP die Auswahl
der Gutachter geprüft habe. "Wir können keine Gegengutachten
finanzieren", meinte er. Fraport solle eine entsprechende
Geldsumme an eine unabhängige Stelle oder an das RDF geben,
um ein neutrales Gutachten erstellen zu lassen. Ob der Vorsitzende
den Gutachten der Fraport blind glauben würde? Das RP antwortete
aus-weichend: man habe die Gutachten nur auf Vollständigkeit
geprüft. Ob die Aussagen darin richtig sind, werde das Verfahren
zeigen. Die These von der Gewöhnung wurde dann noch einige
Minuten kontrovers diskutiert. Prof. Griefahn trat immer weiter
ins Fettnäpfchen: "Wir orientieren uns nicht am Einzelfall.
Wir haben Bereiche definiert, wo ein Handlungsbedarf besteht".
Nun ja, die Einzelfälle haben eben Pech gehabt. Eine wütende
Einwenderin brachte das Problem auf den Punkt: "Es ist ein
Unding, dass man überhaupt durch Flugzeuge aufgeweckt wird."
Sprüche des Tages:
• „Hier soll die Katze im Lärmsack verkauft werden.“
RA Wagner zum Problem, dass Flugrouten nicht planfestgestellt
werden
• „In diktatorischen Staaten wird Lärm als Folterinstrument
eingesetzt. Möge die Behörde das berücksichtigen.“
Einwender
• „Hier sitzen keine volltrotteligen Idioten, die
sie ständig bekehren müssen.“
RA Fislake zum Vortrag des Fraport Gutachters Prof. Scheuch
• „Es ist nicht unser Antragsgegenstand, Arbeitsplätze
zu schaffen.“
Herr Amann, Fraport, zur Arbeitsplatzprognose
• „Bei uns gibt es keinen Schalter, mit dem man den
Fluglärm einfach abstellen kann.“
Einwenderin aus Flörsheim zur Fraport-Aussage, die Leute
würden ja auch in die Disco gehen, dort störe sie der
Lärm nicht
• „Wir werden von Null in die Lärmhölle
katapultiert.“
Einwender aus Sachsenhausen zu den Ausbauplänen
• „Das Vertrauen in das RP ist so groß wie das
Vertrauen zu einem Vetreter, der einem Bauern eine Melkmaschine
verkauft und sich dafür mit der einzigen Kuh des Bauern bezahlen
lässt.“
Einwenderin zum RP
weitere
Berichte bei der Initiative Zukunft Rhein-Main
zurück zur Startseite
|
|