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Frankfurt, den 18. September 2006
Bruchlandung für
das Nachtflugverbot der Mediation
Koch im Sturzflug auf Ticona
Arbeitsplatzvernichtung durch Nordwestlandebahn
Scharfe Kritik übt der Bund für
Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) nach einer ersten Auswertung
am überarbeiteten Landesentwicklungsplan (LEP) zum Ausbau
des Frankfurter Flughafens. "Kein einziges Konfliktfeld wurde
einer Lösung zugeführt", bemängelt BUND Vorstandssprecherin
Brigitte Martin. Die Landesregierung dokumentiert mit dem Planentwurf
ihre Ratlosigkeit. Sie plant Betriebsteile der Ticona baulich
so verändern zu lassen, dass sie für das Unternehmen
nicht mehr nutzbar sind. Sogar die Stilllegung des Werks wird
erneut angedroht.
Das mit der sogenannten Mediation versprochene Nachtflugverbot
von 23.00 bis 5.00 Uhr erlebt in der rechtlichen Umsetzung eine
glatte Bruchlandung. Die massiven Sicherheitsrisiken, die aus
dem Heranwachsen des Flughafens an die Ticona resultieren, bleiben
erneut ungelöst. Weder das Nachtflugverbot noch der Erhalt
der Ticona-Arbeitsplätze oder die ungestörte Entwicklung
des Caltex-Areals können auf der Grundlage dieses LEP durchgesetzt
werden. "Hier ist ein klares Votum der Politik nötig,
um dieser Fehlentwicklung Einhalt zu gebieten", so Brigitte
Martin. Darüber hinaus wirft der beschlossene Plan zahlreiche
neue Fragen auf.
Zur Kritik des BUND im Einzelnen:
1. Nachtflugverbot
Das versprochene Nachtflugverbot zwischen 23.00 und 5.00 Uhr ist
im Plan nur als rechtlich weicher "Grundsatz" enthalten.
Die vom Vorsitzenden des Regionalen Dialogforums Professor Johann-Dietrich
Wörner am 12.05.06 geforderte verbindliche Festschreibung
als "Zielaussage" fehlt. Ob das Nachtflugverbot kommen
wird, ist damit weiter ungewiss. Sicher ist aber, dass am einmal
ausgebauten Flughafen auch nachts mehr geflogen wird als heute,
wenn die Lufthansa oder andere sich mit ihren Klagen vor Gericht
durchsetzen werden. Der BUND erinnert daran, dass die lärmmedizinischen
Gutachten der Fraport die Situation derart verharmlosend darstellen,
dass sie von Lufthansa als Steilvorlage für den gerichtlichen
Erfolg genutzt werden können.
2. Sicherheitsrisiken
Die Konflikte bleiben ungelöst. Zur Beurteilung notwendige
Gutachten werden nicht öffentlich zugänglich gemacht.
Dies gilt insbesondere für die Unfall- und Betriebsrisiken
der Ticona sowie der Gewerbeflächen auf dem Caltex-Gelände.
Zugleich macht der Plan deutlich, dass die geplante Nordwestlandebahn
und das bestehende Chemiewerk "Ticona" nicht nebeneinander
existieren können (Zitat aus dem LEP vom 12.09.06, S. 133:
"In diesem Fall ließe sich durch hoheitliche Maßnahmen,
die von Betriebsbeschränkungen bis zur Stilllegung oder Verlegung
der Anlagen reichen könnten, ein ordnungsgemäßer
Zustand herstellen.")
Das Wort "Vogelschlag" kommt in dem Plan nicht einmal
vor, obwohl das Regierungspräsidium dem Wirtschaftsminister
nach dem Erörterungstermin am 14.06.06 allein zu diesem Risikobereich
ein dreiseitiges Schreiben mit Nachforderungen übermittelte.
3. Arbeitsplätze gefährdet
Durch die Realisierung der geplanten Landebahn im FFH-Gebiet Kelsterbacher
Wald werden Arbeitsplätze gefährdet und zusätzlich
positive Entwicklungsperspektiven verschüttet. Dies gilt
für die Ticona auch dann, wenn das Werk nicht vollständig
beseitigt werden muss (Zitat aus dem LEP vom 12.09.06, S. 47:
"Bei 7 Hindernissen ist nach Einschätzung des Gutachters
eine drastische Reduzierung der Höhe erforderlich. Es muss
noch geprüft werden, ob diese Bauwerke nach der Höhenreduzierung
noch ihre Funktion für das Chemiewerk der Ticona GmbH erfüllen
können oder ob ein Abriss angestrebt werden sollte.").
Eine Vernichtung von Arbeitsplätzen wird außerdem im
Kelsterbacher Gewerbegebiet "Taubengrund" östlich
der geplanten Landebahn erfolgen, das extrem niedrig überflogen
werden soll. Eine Verschlechterung der Entwicklungsperspektive
ergibt sich für das Gewerbegebiet auf dem früheren "Caltex-Gelände"
westlich der geplanten Landebahn, in dem ohne Landebahn 10.000
Arbeitsplätze entstehen sollten. Gestrichen wurde gegenüber
früheren Plänen das Güterverteilzentrum.
Für den BUND ist es ein Skandal, dass die Landesregierung
nach jahrelangen Diskussionen einen Landeentwicklungsplan beschlossen
hat, der in diesen zentralen Punkten auf vagen Annahmen beruht
und zur Herstellung der Hindernisfreiheit auf ausstehende Prüfungen
durch den Bundesverkehrsminister verweist (vgl. LEP 12.09.06,
S. 52, 3. Absatz).
4. Fluglärmbelastung wirft Fragen auf
Dringenden Aufklärungsbedarf sieht der BUND hinsichtlich
der im LEP enthaltenen neuen Zahlen zur Entwicklung der Fluglärmbelastung.
Die Zahl der deutlich belasteten Menschen soll laut LEP vom 12.09.06
zwischen den Jahren 2015 und 2020 nachts von 211.129 auf 170.992
um ca. 20 % und die Zahl der stark belasteten Personen sogar von
46.068 auf 27.787 um 40 % abnehmen, obwohl fluglärmbedingte
Siedlungsbeschränkungsflächen in der Region zunehmen
werden. Der BUND kennt aus der gesamten bisherigen Diskussion
kein Gutachten, das eine solche Entwicklung aufzeigt. Die Landesregierung
hat ein solches Gutachten auch nicht in Verbindung mit dem beschlossenen
Plan veröffentlicht. Da die Zahl der Flugbewegungen zwischen
2015 und 2020 weiter steigen soll, sind die im LEP enthaltenen
Zahlen unbedingt erklärungsbedürftig.
5. Kapazitätsentwicklung
Der beschlossene LEP basiert auf einer bisher nicht zugänglichen
neuen Luftverkehrsprognose. Er betrachtet den Zeitraum bis 2020
und unterstellt nicht mehr 656.000 sondern 701.000 Flugbewegungen
pro Jahr. Der Kapazitätseckwert, dass heißt die maximal
mögliche Zahl planbarerer Flugbewegungen, soll von 120 auf
126 steigen.
Aus den neuen Werten kann grob überschlägig eine Jahreskapazität
von mindestens 790.590 Flugbewegungen errechnet werden (365 Tage
x 16 h x 126 + 150 x 365 Nächte). Der LEP berücksichtigt
aber hinsichtlich der Umweltbelastungen nur die bis 2020 prognostizierten
Flüge. Die technische Kapazität, die weit über
der bis 2020 prognostizierten liegen wird, kann Fraport nach der
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Kassel zu den Ist-Bestandsklagen
verschiedener Kommunen aber auch dann ausnutzen, wenn die Planfeststellung
die höhere Zahl der Flugbewegungen nicht berücksichtigen
wird.
Für den BUND ist diese Vorgehensweise
ein Skandal. Sie führt bereits auf der Planungsebene zu einer
Benachteiligung aller anderen Belange gegenüber dem Luftverkehr
und den wirtschaftlichen Interessen der Fraport AG. Welche Bedeutung
die technische Kapazität bei Betrachtung der Planungsperspektive
für die Umwelt und die Luftfahrt hat, verdeutlicht die "Zusammenfassende
Erklärung" zum LEP vom 12.09.06. Dort wird mitgeteilt,
dass die Südvariante bereits den für 2020 prognostizierten
Bedarf nicht mehr decken kann (Zitat S. 12: "Die Prüfung
der ergänzend zu betrachtenden Planungsgrundlagen hat ergeben,
dass sich eine Änderung der Ergebnisse der Alternativen-
und Variantendiskussion nur insofern abzeichnet, als das für
2020 prognostizierte Luftverkehrsaufkommen von den im Rahmen des
LEP-Änderungsverfahrens geprüften Varianten nur von
den Varianten Nordwest und der Nordost abgedeckt werden kann,
von der Südvariante dagegen nicht."). Trotzdem ignoriert
die Landesregierung die Frage, wann die Planung der Nordwestlandebahn
den Bedarf nicht mehr decken könnte und ob die Ausnutzung
der technischen Kapazität überhaupt raumverträglich
wäre.
Rückfragen beantwortet Ihnen
Brigitte Martin, Vorstandssprecherin des BUND Hessen 06151 37931
c/o BUND Hessen
Telefon 069 – 67 73 76 14,
Telefax: 069 - 67 73 76 20
Triftstr. 47, 60528 Frankfurt/M. - Niederrad
eMail: thomas.norgall@bund.net
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